Aquinata-Haus in Berlin

Für Leib und Seele sorgen

Image
Im Geiste Thomas von Aquins schlossen sich katholische Krankenschwestern vor 95 Jahren für den Dienst an Pflegebedürftigen zusammen. Heute lebt christlicher Geist ohne die Schwesternschaft in den Aquinata-Häusern weiter.

Ein Plakat weist noch immer auf das Jubiläum hin, das man nun im Sommer feiern will.    Fotos: Andrea von Fournier

 

Fröhlich erklärt die Seniorin, warum sie diese Pflegeeinrichtung für sich ausgewählt hat. Man merkt ihr nicht an, dass sie gerade aus dem Mittagsschlaf geholt wurde. „Ich habe früher im Besuchsdienst meiner Gemeinde mitgearbeitet und einige Häuser dieser Art gesehen“, sagt sie. Deshalb wollte Katharina Szewczyk, wenn es nötig werden sollte, in Berlin-Lichterfelde in der Pflegeeinrichtung der Stiftung Katholische Schwesternschaft Aquinata betreut werden.
Seit 2018 lebt die inzwischen 101-Jährige hier in der Pfleidererstraße. Sie ist sehr zufrieden und fühlt sich heimisch. Das eigene Zimmer mit Bad weiß sie zu schätzen, und auch, dass sie stets einen Ansprechpartner findet. Neben der aktivierenden Pflege schätzt die Katholikin auch die Seelsorge. Die heilige Messe zweimal wöchentlich besucht sie gern: „Ich bin in dem Alter, wo man Beistand besonders braucht“, sagt sie. Christopher Scholz, Heim- und Verwaltungsleiter, ergänzt, dass Katharina Szewczyk Vorsitzende des Heimbeirats ist, der beispielsweise Feste für die Einrichtung plant. Jedes Jahr zu Weihnachten rezitiere sie mit Freude den „Knecht Ruprecht“.
Überall in den hellen Fluren des Hauses erinnern Schilder an Hygieneabstand und regelmäßiges Lüften. Christopher Scholz greift nach dem Besuch bei Frau Szewczyk automatisch zur Händedesinfektion: „So viel Hygiene wie möglich! Wir müssen unsere Bewohner und uns schützen!“, erklärt er. Die Pandemie erschwert die Arbeit für das Personal. Doch bei der Stiftung ist man froh, dass es noch keine schweren Corona-Ausbrüche gegeben hat: „Keine Krankenhausaufenthalte, keine Sterbefälle“, sagt Vorstandsvorsitzender Thomas Czaplicki, der das Heim bis 2018 leitete.

Feier soll im Sommer nachgeholt werden
Die Pandemie rüttelt am wirtschaftlichen Fundament. Es dauert viel länger, einen Platz neu zu besetzen als vor Corona. Jeder Tag Leerstand bedeutet Verlust. Die Verweildauer hat sich ohnehin von einst 900 auf 150 Tage verringert. Dank ambulanter Versorgung und aus finanziellen Gründen bleiben die Menschen länger zu Hause. „Das führt aber oft dazu, dass sie schlecht gepflegt hierher kommen“, weiß Schwester Hildegard Böttner, die vor ihrer Vorstandstätigkeit in der Stiftung lange Pflegedienstleiterin war.
Das kürzlich geplante Fest zum 95-jährigen Bestehen von „Aquinata“ musste wegen Corona ausfallen, doch man hofft auf eine Nachfeier im Sommer. Eine familienähnliche Gemeinschaft unter Krankenschwestern  schaffen und einen christlichen Auftrag erfüllen wollten 15 katholische Frauen, die 1927 unter Leitung Gertrud van der Beeks in einem Wilmersdorfer Wohnheim die Schwesternschaft gründeten und ein erstes Hospital eröffneten. Sie ahnten nicht, wie viele Umbrüche es geben würde, unter anderem durch Kriegszerstörungen und den folgenden Wiederaufbau. 1952 erfolgte die Einweihung des Mutterhauses Knesebeckstraße, 1972 der Neubau in der Pfleidererstraße.
Vier Oberinnen hatte die Schwesternschaft, die mangels Nachwuchs nicht mehr besteht. Ein Verein ging daraus hervor, der 2010 in eine Stiftung überführt wurde. Doch die Gründungsidee, sich mit menschlicher Wärme und seelsorglicher Zuwendung dem Wohl der Menschen zu widmen, besteht fort. „Viele Interessenten fragen zuerst, ob man katholisch sein muss, um aufgenommen werden zu können“, weiß Schwester Hildegard. An beiden Standorten werden Menschen unabhängig von Glauben und Herkunft betreut, und das möglichst unkompliziert: „… dass Sie unser Engel waren und uns die zwei Plätze im Aquinata Pflegeheim gaben. Einfach so, ohne bürokratische Hürden …“, bedankte sich eine Familie schriftlich.

Engagiert: Christopher Scholz, Schwester Hildegard Böttner und Thomas Czaplicki.

 

Unterstützung nicht nur vor Ort
Zu den nahe gelegenen katholischen Gemeinden der Pfarrei Johannes Bosco bestehen enge Beziehungen, ebenso zur angrenzenden evangelischen Gemeinde. Damit die Stiftung ihren Auftrag erfüllen kann, investiert sie in Neu- und Umbauten, vermietet Seniorenwohnungen und Büros. Sie wirtschaftet ohne öffentliche Förderung. Ein Gemeindezentrum im Berliner Süden wurde gespendet, ein Pflegeheim in Peru regelmäßig unterstützt. Drückendes Thema ist die Pflegekräfte-Situation. Hatte die Schwesternschaft früher fest angestellte Ärzte und Therapeuten, kommen diese heute überwiegend von außen. Ergänzend zu den Beschäftigten, die zum Teil seit Jahrzehnten hier arbeiten, muss Pflegepersonal von Vermittlungsagenturen „eingekauft“ werden. Das ist teuer und schafft keine Bindung zum Haus. Obgleich alle Heimbewohner und fast alle Mitarbeiter geimpft sind, haben wegen kommender Impfpflicht drei Kräfte vorsorglich gekündigt. Eine Baustelle mehr für die Verwaltung. Doch die ist entschlossen, im Interesse guter Pflege auch diese Hürde zu nehmen.

Von Andrea von Fournier