Das Begegnungszentrum der Fokolar-Bewegung in Zwochau wird verkauft.
Gemeinsam Erlebtes trägt weiter
Seit den 1990er Jahren ist das Begegnungszentrum der Fokolar-Bewegung in Zwochau auch von zahlreichen ostdeutschen Gemeinden und kirchlichen Gruppen genutzt worden. Bald errichtet die politische Ortsgemeinde hier ein Verwaltungs- und Bürgerzentrum.
Lebhafter Austausch von Erinnerungen am 19. Juni im Zwochauer Begegnungszentrum der Fokolar-Bewegung. Foto: Dorothee Wanzek |
Übernachtungen werden im Zwochauer Begegnungszentrum künftig nicht mehr möglich sein. Für Seminare, Tagungen und Feiern kann die am Naturschutzgebiet Werbeliner See gelegene Tagungsstätte weiterhin genutzt werden. „Veranstaltungen, die wir bereits zugesagt hatten, übernimmt nun die Gemeinde Wiedemar als Vermieterin“, sagt die bisherige Hausleiterin Eva Wypler.
Die Gemeinde, zu der mit Zwochau insgesamt 17 Dörfer gehören, wird das ehemalige Bildungshaus des Bistums Magdeburg zum Rathaus umbauen. Der größte Teil des Neubaus, den die Fokolar-Bewegung in den 1990er Jahren errichtet hat, bleibt unverändert erhalten. Dazu gehören ein teilbarer Saal mit bis zu 250 Sitzplätzen, die Küche und der Speiseraum.
Auch wenn mit dem Verkauf des Begegnungszentrums die Geschichte der geistlichen Gemeinschaft in Zwochau nicht endet, bedeutet er für viele der bisherigen Nutzer doch einen schmerzlichen Einschnitt. Einige von ihnen haben sich am 19. Juni im Begegnungszentrum getroffen, um Abschied zu nehmen und sich über Erlebnisse in und mit diesem Haus auszutauschen. „Sehr viele Menschen haben hier ihr Herzblut hineingesteckt“, rief Gertraud Budig, die Vorsitzende des Trägervereins, in Erinnerung. Sie erwähnte westdeutsche Fokolar-Priester, die schon zu DDR-Zeiten Spenden für ein Fokolar-Zentrum in der DDR sammelten, private Erbschaften, die in das Begegnungszentrum einflossen und unzählige freiwillige Arbeitseinsätze zum Bau und Erhalt. Das Haus habe jahrzehntelang von ehrenamtlicher Arbeit gelebt, Mitarbeiter und Nutzer brachten ihre Kraft und ihre Kreativität ein.
„Wir haben hier unvergesslich Schönes erlebt. In Zwochau konnten wir immer wieder Kraft für unser Leben tanken. Wir sind hier geprägt worden“, sagte eine Berlinerin.
Kräfte auf das Eigentliche konzentrieren
Auch wenn die Einigung mit der Gemeinde Wiedemar erst vor kurzem zustande kam, habe sich die Veränderung schon einige Jahre angebahnt, erläuterte Gertraud Budig. Wie fast alle katholischen Orden und geistlichen Gemeinschaften in Deutschland steige bei den Mitgliedern der Fokolarbewegung das Durchschnittsalter.
Die Einstellung bezahlter Mitarbeiter sorgte in Zwochau zwar personell für Entlastung, erhöhte dafür aber den Druck, wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Durch Investitionen hätte man zwar die Wirtschaftlichkeit erhöhen können. Die Fokolare lebten aber weltweite Gütergemeinschaft und trügen damit auch die Bewegung in ärmeren Regionen mit. Für alle fünf Begegnungszentren im deutschsprachigen Raum sei die Gemeinschaft auf der Suche nach Wegen, den Betrieb dauerhaft zu sichern.
In Zwochau habe man zunächst Kooperationspartner gesucht, die Mitverantwortung übernehmen oder die Auslastung des Hauses absichern – allerdings ohne den erhofften Erfolg. Letztlich sei die Entscheidung aus der Frage erwachsen, wie die Fokolare ihrer ursprünglichen Berufung am besten folgen können: „Wir haben die Geschwisterlichkeit zwischen Gott und den Menschen im Herzen und die Einheit der Menschen untereinander. Wenn wir zuviel Kraft in den Erhalt von Häusern stecken, kommen wir womöglich zu wenig zum Eigentlichen“, gab Gertraud Budig die Überlegungen wider.
„Gebäude machen nicht unser Leben aus“
Einfach sei der Schritt dennoch nicht. Tröstlich findet die Vorsitzende des bisherigen Trägervereins, einen neuen Nutzer gefunden zu haben, der das Gemeinwohl zum Ziel hat und der bisherigen Arbeit der Fokolare große Wertschätzung entgegenbringt. „Ich bin sehr traurig, dass wir unser Zentrum verkaufen müssen“, sagte Christian Karnowski, der dort seit vielen Jahren als Haustechniker arbeitet, „doch Gebäude machen nicht unser Leben aus. Es zählt, was hier an Zeit, Kraft und Liebe investiert wurde. Die Erfahrung gemeinsamen Lebens bleibt und trägt uns weiter“, zeigte er sich zuversichtlich. Ein Mann, der aus dem Eichsfeld angereist ist, bestätigt ihn: „Ich habe hier einen Geist erfahren, der unwahrscheinlich stark ist. Der hängt nicht an diesem Haus.“
Ermutigende Reaktionen erhalten die Zwochauer Fokolare von Dorfbewohnern, seit in der lokalen Tageszeitung von dem bevorstehenden Trägerwechsel zu lesen war: „Ihr bleibt doch aber hier!? Hauptsache, ihr bleibt hier!“
Dankesworte fand im jüngsten Pfarrbrief eine Vertreterin der Pfarrei St. Klara Delitzsch, zu der Zwochau gehört: „Ihr Haus hat viele Begegnungen ermöglicht. Mit ,Pauken und Trompeten‘ und Ihrem unermüdlichen Engagement und Ihrer großen Offenheit durften wir unsere Gemeindeverbundsgründung und unsere Pfarreigründung vor Ort feiern. Kinder und Jugendliche unserer Pfarrei haben die Religiöse Kinderwoche in den Sommerferien verbracht und vielleicht hat der eine oder die andere auch noch ganz persönliche Erfahrungen gemacht – durch Gesprächskreise, Workshops, Exerzitien … Für all dies möchten wir uns bedanken – auch für Ihre Treue, immer wieder Kontakt zu halten, für Ihr Gebet in allen Lebenslagen, für Ihre Präsenz in der Öffentlichkeit...“
Von Dorothee Wanzek