Gloria mit Fahrradklingel
Kirche auf neuen Wegen. Die kreativen Pfarreien St. Martin und Katharina von Siena haben sich schon mehrmals im Grenzgebiet getroffen. Am vergangenen Sonntag probierten sie etwas ganz Neues aus: einen Fahrradgottesdienst.
Es gibt Quellen, die man nicht sieht. Dazu gehört die Quelle der Pinnau. Der 41 Kilometer lange Nebenfluss der Elbe, der bis vor einigen Jahren sogar von Frachtschiffen befahren wurde, entspringt in einem Moor bei Henstedt- Ulzburg. Auf einer großen Fläche steigt hier das Wasser zutage. Man sieht das erst dort, wo sich dieses Wasser zu einem jungen Fluss vereinigt.
Dieses Naturbild eignet sich natürlich gut, um auf die verborgenen „Quellen“ im Leben und Glauben von Menschen hinzuweisen. Deshalb haben die Pfarreien Heiliger Martin und Katharina von Siena die Pinnauquelle zum Ziel gewählt – Ziel eines Fahrradgottesdienstes am vergangenen Sonntag. Ein Fahrradgottesdienst? Ja, das geht. Man trifft sich an einem gut erreichbaren Ort, in diesem Fall vor dem kleinen Bahnhof „Ulzburg Süd“. Dort beginnt der Gottesdienst mit der Eröffnung und dem Eröffnungslied. Dann geht es per Rad ein Stück weiter. Die einzelnen Elemente des Gottesdienstes – Kyrie, Gloria, Lesung, Evangelium, Fürbitten – sind verteilt auf verschiedene Rastplätze, zu denen das langgestreckte Feld der Radfahrer zusammenkommt. Verteilt sind auch die „liturgischen Dienste“. Statt eines Psalms vor dem Evangelium gibt es viele Psalmenworte – die alle etwas mit Wasser und Quelle zu tun haben. Und nach dem Evangelium wird an einem Rastplatz eine Pyramide aus bunten Bechern gebaut, in die von oben Wasser hineinfließt. Diese kleine Aktion bebildert einen fast tausend Jahre alten Brief – Bernhard (von Clairvaux) schreibt seinem Freund Eugen (Papst Eugen III.) und rät ihm, sich nicht durch Arbeit zu verausgaben. „Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale, nicht als Kanal. Eine Schale wartet, bis sie gefüllt ist, bis sie überfließt. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie gesättigt ist, strömt sie zum Fluss. Wir wollen das Gleiche tun: erst anfüllen und dann ausgießen. Niemand wird reich werden, wenn du dabei leer wirst.“
Überfordert hat auch die Radstrecke in Henstedt-Ulzburg keinen Radfahrer, egal welchen Alters. War es anstrengend? „Nöö, war gar nicht schwer“, sagt Johannes. Mit fünf Jahren war er nicht nur der Jüngste im Feld, sondern hat mit seinem Kinderrad auch viele Größere überholt. „Alles gelingt, alles wird leicht!“, singen die Radfahrer auf einer Radstation, begleitet von der Stimme und Gitarre des Musikers Thomas Raab. Er radelte mit der Gitarre auf dem Rücken und einem Verstärker in der Satteltasche. Aber: keine gelungene Liturgie ohne gute Musik! Raab war nicht allein. „Jeder von uns hat ja ein Instrument dabei“, hatte Gemeindereferentin Katharina Hochhaus schon am Anfang angekündigt. Richtig: die Fahrradklingel. Zum Glorialied „Ich lobe meinen Gott…“ bildeten 35 Fahrradklingeln die Perkussion im Hintergrund.
Der Fahrradgottesdienst war eine Premiere. Aber schon im vergangenen Jahr zu Pfingsten hatten beide Pfarreien einen ähnlichen Gottesdienst im Grenzgebiet gefeiert, damals als Wanderung. „Es ist etwas anderes als in der Kirche“, sagt Katharina Hochhaus. „Allein weil man gemeinsam unterwegs ist. Man muss beim Fahren aufeinander achten und das Tempo aufeinander abstimmen.“ Die ungewöhnliche Gottesdienstform ist auch eine Folge der Corona- Jahre. „Wir haben seitdem vielmehr Veranstaltungen unter freiem Himmel, für mich ist es der dritte Open-Air-Gottesdienst hintereinander“, sagt Pastoralreferent Sebastian Fiebig. Die Vorbereitung koste natürlich sehr viel Zeit. Die Strecke muss abgefahren werden, die Gottesdienst- Elemente und die Rastplätze müssen passen. Die Aktionen aber ziehen Menschen an, die sich sonst nicht begegnen. „Da entsteht eine Nähe in der großen Weite unserer Pfarreien“, sagt Sebastian Fiebig.
Für Kerstin Wiese, die mit ihrer siebenjährigen Tochter Finja dabei ist, hat die Grenztour einen besonderen Reiz. „Ich komme aus Quickborn und wohne jetzt in Norderstedt. Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Aber ich fand diesen Gottesdienst total toll. Radfahren ist sowieso super.“ Sie war nicht die einzige, die so denkt und die Begeisterung für das Rad und den christlichen Glauben teilen. Der Abschlusssegen war für Finja und Kerstin Wiese aber noch nicht das Ende der Aktion. Sie waren mit dem Rad von Norderstedt nach Henstedt-Ulzburg gekommen und mussten nun auch noch zurückfahren.
VON ANDREAS HÜSER