Menschen sprechen über ihren Glauben
Gottsucher
Gibt es Gott wirklich? Wie können wir ihn finden? Geht das überhaupt? Diese Fragen beschäftigen viele Menschen. An dieser Stelle kommen sieben Gottsucher zu Wort: über ihren Glauben, ihre Zweifel und ihre ganz persönliche Beziehung zu Gott. Aufgezeichnet von Sandra Röseler
Gespräch mit Schwester Ursula Wahle vom Orden der Benediktinerinnen in Osnabrück
Schwester Ursula, Sie leben im Kloster. Ihr Motto dort lautet „Ein Leben lang Gott suchen“ – dauert es so lange, ihn zu finden?
Es dauert so lange ihn zu suchen. Bei Benedikt ist das Kriterium, ob jemand ins Kloster aufgenommen wird, ob er wahrhaft Gott sucht. Das ist Thema unseres Lebens. Meine Erfahrung ist, dass wir Gott nie endgültig finden. Es bleibt ein immer neues Suchen, weil wir uns als Person verändern. Ich bin mit 27 Jahren ins Kloster eingetreten und bin jetzt Mitte 50. Die Art meiner Suche hat sich im Lauf meines Lebens verändert.
Was hat sich verändert?
Ich bin nicht ins Kloster eingetreten, um Gott zu suchen. Mir ging es erst einmal um die persönliche Begegnung mit Christus. In ihm habe ich einen Menschen erahnt, der für mein Leben eine große Bedeutung hat. In den ersten Jahren war, ihm zu begegnen, sicher meine Hauptsehnsucht – Suchen hat ja auch etwas mit Sehnsucht zu tun. Die Person Jesu ist für mich auch nach wie vor zentral – aber inzwischen geht es mehr um die Verbundenheit mit ihm, mit der ich mein Leben lebe.
Sie finden Gott also über Jesus?
Jesus sagt „wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“. Er ist der Interpret oder der Weg, der uns den Zugang zu Gott eröffnet.
Sie sagen, Sie können nie endgültig wissen, ob Sie Gott gefunden haben. Woher wissen Sie, dass Ihre Suche überhaupt Sinn macht?
Was mir Mut macht, ist die Liturgie. Wenn wir Liturgie feiern, tun wir das nie als Einzelne, sondern wir sind mit der ganzen Kirche verbunden – nicht nur in der jetzigen Welt, sondern über alle Zeiten hinweg. Und da gibt es natürlich viele Glaubenszeugen. Da habe ich über all die Jahre hinweg durchgängig die Erfahrung gemacht, Gott in irgendeiner Weise zu begegnen. Das Osterfest zum Beispiel ist liturgisch und in der Art und Weise, wie wir das im Kloster feiern, so dicht, dass das fast mit Händen zu greifen ist. Da kann ich wirklich sagen „Gott ist für mich gegenwärtig.“
Und trotzdem suchen Sie weiter?
Ja. Weil sich mir trotzdem immer wieder die Frage stellt: Wer ist Gott? Wir benutzen diese vier Buchstaben viel zu selbstverständlich. Es gab auch eine Phase in meinem Leben, in der ich mich gefragt habe „Gibt es diesen Gott überhaupt? Haben wir ihn uns vielleicht nur eingebildet?“ In den Johannesbriefen steht „Gott ist Liebe“. Diese Formulierung ist für mich heute schlüssig. Jesus hat uns bis ins Letzte durchbuchstabiert, was Liebe ist, deshalb ist er derjenige, der uns Gott zeigen kann.
Aber Jesus könnte ja auch nur eine Einbildung sein, oder?
Diese Frage hat mich ziemlich geschüttelt, denn das ist ja kein Nebenthema in meinem Leben. Dass es Jesus als Mensch gegeben hat, ist historisch ziemlich sicher. Die Frage ist, was es heißt, dass er Gottes Sohn ist. Das kann er nur sein, wenn es Gott wirklich gibt. Wenn es Gott nicht gibt, habe ich also ein ziemlich existenzielles Problem.
Mein Patensohn ist Physiker. Er ist relativ früh in seinem Leben zu der Entscheidung gekommen: Es gibt Gott nicht. Er ist wissenschaftlich nicht beweisbar. Rational muss man sagen „Träumt weiter“. Im Gespräch mit ihm habe ich viel nachgedacht. Es ist nicht so, dass ich dann das Evangelium aufgeschlagen und gesagt habe: Hier, das ist der Beweis. Ich habe grundsätzlicher nachgedacht.
Für mich sind die Wunder der Schöpfung das beste Beispiel dafür, dass es Gott gibt. Ich kann mir das Universum anschauen, reinzoomen und mir mit mikroskopischer Vergrößerung die kleinsten Lebewesen anschauen und diese faszinierende Schönheit bis ins Kleinste betrachten. Es widerspricht meinem gesunden Menschenverstand, zu glauben, dass das alles reiner Zufall ist. Und das hat noch nichts damit zu tun, was in der Bibel steht. Ich kann es nicht beweisen. Es bleibt Glaube.
Sie zweifeln nicht daran, dass es Gott gibt?
Doch. Was mich immer wieder zum Zweifeln bringt, ist das unermessliche Leid in der Welt. Der größte Zweifel an der Möglichkeit, dass es Gott geben könnte, war für mich immer der Holocaust. Das kriege ich nicht zusammen, das kann ich bis jetzt nicht begreifen. Aber auch heute gibt es unendlich viel Leid in der Welt, das ein solches Ausmaß hat, dass ich einfach nicht begreifen kann, wie Gott das aushält. Diese Fragen bleiben, deshalb bleibt auch die Gottsuche. Es kann sein, dass die Antworten, die ich jetzt für mich habe, noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden durch Erfahrungen, die ich mache. Dann muss ich wieder weitersuchen.
Bei der Gottsuche darf man sich also nicht von Zweifeln abschrecken lassen?
Das auf keinen Fall. Wenn Sie wirklich Gott suchen wird Ihnen der Zweifel nicht erspart bleiben. Und sie müssen auch einen langen Atem haben.
Muss man ins Kloster gehen, um Gott zu finden?
Man muss nicht ins Kloster gehen, um ihn zu suchen und man muss nicht ins Kloster gehen um ihn zu finden. Aber ich muss frei sein für Gott und ihm in meinem Leben einen Raum geben. Und ich muss mir Zeit nehmen, um Gott zu suchen. Ich finde ihn im Regelfall nicht mit der Chipstüte auf dem Sofa. Wobei auch das nicht unmöglich ist – bei Gott ist nichts unmöglich.
Was empfehlen Sie Menschen, die auch auf der Suche nach Gott sind? Wie startet man diese Suche überhaupt?
Die Suche nach Gott ist bei jedem Menschen verschieden. Ich persönlich würde sagen, dass Kirchen dafür ein guter Ort sind. In der Art und Weise, wie sie gestaltet sind, haben der Geist der Menschen und der Heilige Geist zusammengewirkt, um Gott zum Ausdruck zu bringen. Da kann ich mich einfach reinsetzen und sagen „Gott ich suche dich“. Das kann ganz einfach sein – die Gottsuche muss nicht kompliziert sein. Und ich brauche mir keine Sorgen machen, dass ich etwas falsch machen könnte.
Es gibt also keine Zehn-Schritte-Anleitung „So finden Sie Gott“?
Nein, die gibt es nicht. Es gibt viele Möglichkeiten: Ich kann in die Messe gehen und nachspüren, ob ich da etwas finde. Die Heilige Schrift kann ein Ausgangspunkt sein. Eine meiner Mitschwestern hat ihren Glauben über das Lesen der Bibel gefunden. Der Kontakt mit Menschen, die Gott auch suchen und schon etwas erfahren haben, ist glaube ich auch etwas sehr Wichtiges. Auf dem Büchermarkt gibt es ja viele Veröffentlichungen, in denen Menschen Zeugnis geben über ihre Glaubenserfahrungen. Als Einstieg ist das prima, einfach mal zu schauen: Wo finde ich jemanden, der so über Gott spricht, dass ich damit etwas anfangen kann?
Interview: Sandra Röseler
Alois Brinkschröder aus Hilter a.T.W:
Gott habe ich schon gefunden, da bin ich mir sicher. Das liegt daran, dass ich schon als Kind einen sehr starken Bezug zu ihm hatte – ich hatte von klein auf das Gefühl, Gott alles anvertrauen zu können. Deshalb bin ich auch nicht aktiv auf der Suche – für mich ist es dafür umso wichtiger, meine Verbindung zu ihm aufrechtzuhalten. Ihn nicht wieder zu verlieren, ist harte Arbeit.
Manchmal hadere ich mit Gott, vor allem, wenn ich oder Mitglieder meiner Familie mit schwierigen Situationen zu kämpfen haben. Dann frage ich mich: Ist das jetzt eine Prüfung? Hat Gott das so vorherbestimmt, weil er weiß, dass wir gestärkt daraus hervorgehen werden? Bislang hat mich Gott aber noch nie so sehr enttäuscht, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.
Gott ist kein Lottogewinn. Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und darauf hoffen, dass ich den Jackpot knacke und alles von alleine gut wird. Ich muss viel dafür tun – das kann auch anstrengend sein. Ich gehe zum Beispiel regelmäßig in die Kirche und bete sehr viel. Das ist natürlich keine Verpflichtung – ich kann auch mal sagen, jetzt habe ich keine Lust, mit Gott zu sprechen. Aber ich glaube, um Gott nicht zu verlieren, hilft Beten einfach. Um meinen Kontakt zu Gott aufrechtzuhalten, gehe ich gerne auf Wallfahrten oder pilgern. Vor ein paar Jahren bin ich mit 70 Leuten auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gepilgert, das war ein tolles Erlebnis.
In diesem Jahr gehe ich wieder den Hümmlinger Pilgerweg mit, da sind wir vier Tage in ganz kleinen Gruppen unterwegs. Dabei kann ich gut zur Ruhe kommen und Gott nahe sein. Dabei helfen mir auch die Findlinge, die alle 200 Meter am Wegesrand stehen. Auf jedem Stein ist ein Sinnspruch über Gott eingraviert, die lese ich sehr intensiv und mache mir dann auf dem Weg meine Gedanken dazu.
Annika Hölscher aus Wallenhorst:
Die Gottsuche spielt in meinem Alltag definitiv eine große Rolle. Ich bin immer mal wieder auf der Suche und nutze dafür verschiedene Angebote. Ich bin zum Beispiel schon oft nach Taizé gefahren – das ist für mich ein typischer Gottsuche-Ort – oder auch der Marstall Clemenswerth in Sögel. Ich begleite dort Freizeiten als Teamerin oder besuche selbst Wochenenden für junge Menschen.
Ich nehme mir immer wieder mal Zeit für Begegnungen mit Gott – das geht sonst in meinem Alltag und in meinem Studium ein bisschen unter. Viele Kommilitonen, die in meinem Alter sind, verstehen nicht, warum ich Gott suche oder was ich am Glauben so besonders finde. Ich diskutiere gerne mit ihnen darüber. Aber oft merke ich in den Gesprächen, dass die Leute das eigentlich nur blöd finden und ihre Ablehnung unbedingt deutlich machen wollen. Das finde ich schwierig. Andererseits verstehe ich auch, dass jemand, der keinen Bezug zu Gott hat, skeptisch ist. Ich bin sehr christlich aufgewachsen, deshalb hatte ich immer das Gefühl, dass Gott von Anfang an in meinem Leben war. Natürlich habe ich mich schon oft gefragt: Würde ich auch an Gott glauben, wenn ich anders erzogen worden wäre?
Eigentlich hat meine Gottsuche erst nach meiner Firmung so richtig begonnen. Damals habe ich angefangen, meinen Kinderglauben zu hinterfragen und die Dinge, an die ich glaube, kritischer zu betrachten. Ich war bei meiner Suche nach Gott aber noch nie in einer existenziellen Krise. Ich glaube, das liegt daran, dass ich bisher ziemlich viel Glück in meinem Leben gehabt habe. Gerade deshalb kommen mir manchmal auch Zweifel – zum Beispiel, wenn ich mit einer Freundin spreche, die schon viele Schicksalsschläge verkraften musste. Da frage ich mich oft: Musste das jetzt schon wieder sein? Oder auch: Warum habe ich denn so viel Glück? Der Segen könnte ja auch ein bisschen gerechter verteilt sein.
Das ist für mich aber kein Grund, meine Suche nach Gott aufzugeben. Ich glaube, dass Gott nicht einfach offensichtlich da ist. Man muss ihn schon bewusst suchen, um ihn zu finden. Ich erlebe das vor allem bei den Freizeiten, die ich besuche. Da habe ich oft das Gefühl, Gottes Geist zu spüren, weil ich so ich so vielen begeisterten Menschen begegne, die das richtig ausstrahlen.
Und ich bekomme auch immer wieder neue Inspiration für meine eigene Gottsuche. Vor Kurzem hat mir jemand bei einer Schulung vom portugiesischen Jakobsweg erzählt – den will ich nächstes Jahr unbedingt mal ausprobieren.
Peter Knödgen aus Bad Essen:
Eigentlich bin ich schon mein ganzes Leben lang Gottsucher. Ich hatte einfach schon immer ein unheimlich großes Gottvertrauen. Meine Eltern und meine Großeltern haben mir das von klein auf mitgegeben. Ich wusste: Egal, was passiert, egal worauf du dich einlässt, da ist jemand – auch wenn ich ihn mir nicht genau vorstellen kann. Woher mein Gottvertrauen kommt, weiß ich nicht.
Ich glaube, wenn man sich auf Gott einlässt, findet man ihn immer wieder. Auf einmal merkt man: da ist etwas. Dem nachzugehen finde ich ganz wichtig. Ich spüre Gott im persönlichen Gebet nach. Ich bete seit vielen Jahren jeden Morgen eine halbe Stunde. Das ist für mich ein wichtiges Ritual. In einer besonders intensiven Gebetszeit habe ich mich Gott schon oft sehr nahe gefühlt. Das gibt mit Frieden und Freiheit.
Natürlich gibt es Wochen oder auch Monate, in denen Wüstenzeit ist. In denen ich keinen Kontakt finde. In denen ich denke: Jetzt möchte ich aber doch mal irgendeinen Hinweis von Gott: Wo geht es hin? Diese Leere aushalten zu müssen, finde ich oft sehr schwierig. Ich vermute, dass Gott sich auch zurückzieht und dass er uns dadurch immer wieder herausfordert, an der Suche nach ihm dranzubleiben. Das ist frustrierend. Immer wieder kommen mir Zweifel. Macht meine Suche eigentlich Sinn? Gerade wenn ich eine Wüstenzeit durchlebe frage ich mich: Ist da wirklich etwas?
Wenn ich mich deswegen verloren fühle, bete ich und bitte Gott um seinen Segen. Ich möchte seinen Segen in meinen Alltag mitnehmen zu den Menschen, denen ich begegne. Ich glaube, dass das etwas ausmacht. Mit anderen im Gespräch sein, finde ich wichtig. Ich bin sehr viel mit Muslimen zusammen und wir diskutieren dann auch über Gott. Ich setze mich zum Beispiel gerne mit der Theodizee-Frage auseinander, der Frage, warum Gott Leid zulässt. Dann will ich wissen: Wie ist Gott? Ist er gut oder ist er böse? Sind das zwei Schöpfer? Der eine schafft das Gute, der andere das Böse? Wie kann ich mir das vorstellen? Solche Fragen stelle ich mir. Aufgegeben habe ich meine Gottsuche aber noch nie. Dieses Urvertrauen ist einfach da, von daher kann ich mir nicht vorstellen, aufzugeben.
Dass ich meine Suche nach Gott abbreche, wird nicht passieren. Wenn ich aufgebe, Gott zu suchen, wäre da ein riesiger Bruch in meinem Leben. Ich denke aber auch, dass Gott sich nicht konkret finden lässt. Er hat so eine Größe, dass wir ihn als Mensch nicht finden können. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen – zumindest nicht in diesem Leben.
Brigitte Dörenkämper aus Georgsmarienhütte:
Letzten Herbst habe ich einen Theologiekurs gemacht, um Antworten auf einige Fragen zu finden, die ich mir schon immer gestellt habe: Sind die Dinge, die in der Bibel stehen, wirklich so passiert? Kann es sein, dass es ein Leben nach dem Tod gibt? Ist es überhaupt möglich, dass Gott existiert? Ich zweifle nicht an meinem Glauben, trotzdem stelle ich mir diese Fragen immer wieder. Ich nenne das meine Aber-Geister. Ich glaube an Gott. Aber ich habe viele Fragen.
Ich diskutiere darüber auch oft mit meinem Mann. Für ihn ist Gott Tatsache. Da zweifelt er nicht dran und er stellt sich auch keine Aber-Fragen. Er sagt immer, wenn er verstandesgemäß an das Thema herangehen und alles hinterfragen würde, könnte er auch gleich Atheist werden. Ich sehe das anders. Einerseits will ich Gott mit meinem Verstand begreifen, andererseits geht bei mir auch viel über die Gefühlsebene.
Manchmal ist Gott ganz nah bei mir und dann ist er mal wieder fern. Ich bin zum Beispiel in der Hospizarbeit tätig. Da habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich ganz viele Menschen zum Schluss auch diese Fragen nach Gott stellen. In diesem Moment bin ich immer ganz überzeugt und kann meinen Gott vertreten. Manchmal fahre ich dann nach Hause und denke: Du warst vorhin so sicher und jetzt ist da wieder ein Aber.
Trotzdem glaube ich, dass ich Gott schon ganz oft erfahren habe. Wenn ich bei Sterbenden bin und diese Menschen ganz friedlich weggehen, denke ich immer mal wieder: Da war er. Bei mir hat auch immer zur richtigen Zeit der richtige Mensch vor der Tür gestanden oder ich hab immer das richtige Buch aufgeschlagen mit der richtigen Seite, die mir geholfen hat. In diesen Situationen denke ich mir immer wieder: Steckt er dahinter?
Gott gibt mir ein total frohes Herz. Wenn ich versuche, ihn weiterwegzuschieben, fehlt er mir. Manchmal probiere ich aus, ob es auch ohne ihn geht. Ich sage mir dann „Selbst wenn es ihn nicht gibt, ist das Leben ja auch schön“. Aber dann merke ich, dass das nicht geht. Da ist etwas in meinem Herzen, das sagt: Nein. Der ist ganz sicher da und das macht mein Leben froh.
Trotzdem geht meine Suche weiter. Ein Mensch wie ich hört nie damit auf, weil da immer wieder die Aber-Geister kommen. Ich glaube, die Abers werden nie weggehen. Wenn ich ehrlich bin, will ich den Beweis. Ich will Gott bewiesen haben und das geht nicht. Im Theologiekurs habe ich gelernt, dass es einige Kenntnisstände gibt, über die man einfach nicht hinausgehen kann. Wir können nicht alles wissen. Diese Erkenntnis hat mir viel Freiheit gegeben. Viele Antworten kann man einfach nicht finden. Und wenn man noch so viel in der Bibel liest. Gott zu finden ist und bleibt ein langer Weg.
Michael Schikora aus Lingen:
Meine Eltern waren gläubig aber sie haben mich nie zur Kirche gedrängt. Ich habe als Kind selbst den Zugang zu Gott gesucht. Aufgewachsen bin ich einem kleinem Dorf bei Lingen – kirchliche Jugendarbeit hat dort einfach dazugehört. Ich war da sehr engagiert, deshalb habe ich später auch soziale Arbeit studiert. Während meines Studiums bin ich krank geworden. Ich hatte eine psychische Erkrankung, das war eine heftige Angelegenheit.
Später bin ich auch suchtkrank geworden – Alkohol- und Spielsucht. Ich habe 25 Jahre lang jeden Tag gespielt und Geld im Wert eines Eigenheims, verloren. Ich habe immer gedacht: Morgen hörst du auf. Aber ich habe es nicht geschafft. Irgendwann, während einer Therapie, hatte ich einen ganz besonderen Punkt erreicht: Ich habe mir gesagt, dass ich endlich richtig leben möchte. Das war vor 19 Jahren. Seit diesem Moment bin ich spielfrei und trocken. Dass ich das geschafft habe, ist nicht mein Verdienst, da hatte Gott seine Finger im Spiel, da bin ich sicher.
Wenn Leute mich heute fragen „Warum glaubst du?“ sage ich: Würde es Gott nicht geben, wäre ich längst im Knast, in der Langzeitpsychiatrie, auf der Parkbank oder schon unter der Erde. Wenn ich weitergemacht hätte, wäre das nicht gut ausgegangen. Ich bin zutiefst dankbar dafür, dass ich mit diesem Wahnsinn aufhören konnte.
Während meiner Sucht war mein Verhältnis zu Gott sicherlich gebrochen. Aber ich glaube fest daran, dass Gott mir in diesen Krisen beigestanden hat. Durch sie habe ich ihn erst richtig gefunden. Ich sage immer: Gott ist mein spezieller Krisenmanager. Ich spüre, dass Gott mich immer wieder auffängt. Er lässt mich nie so tief fallen, dass ich alleine nicht mehr hochkomme. Letztendlich hat er aber immer seine Hand über mich gehalten, er hat mir Halt gegeben, um das zu überleben. Das sind meine Gotterfahrungen. Ich glaube, dass Gott im Alltag für mich wirkt. Er fordert mich aber auch heraus: Gott löst meine Probleme nicht für mich, das muss ich alleine schaffen.
Wenn ich den Kontakt zu Gott suche, gehe ich in die Kirche. Dort kann ich zur Ruhe kommen, mich zentrieren und mich auf das Wesentliche besinnen. Ich gehe zweimal die Woche zum Gottesdienst und jeden Tag in die Kirche. Gebet, und Meditation sind existentiell wichtig für mein Leben. Ich glaube, dass Gott mir zuhört, wenn ich ihn anspreche. Ich bete dann, dass er mich annimmt mit meinen Stärken und meinen Schwächen.
Martina Jeßnitz aus Osnabrück:
Ich würde mich selbst eher als Gottfinder bezeichnen. Ich habe schon viel Vertrauen gefunden und bin immer wieder überrascht, wenn ich in Zufallsbegegnungen oder Alltagsmomenten etwas Göttliches erlebe. Auch in Momenten, in denen ich an meine Grenzen stoße, merke ich: Da gibt es etwas, was mich trägt und hält, das größer ist als mein Verstand. Ich mag Logik, es reizt mich, Dinge zu durchdenken und zu verstehen. Aber ich habe gelernt, dass ich bei Gott nicht alles verstehen kann und verstehen muss. Und dass es auch gut ist zu sagen: Ja, ich vertraue da auf etwas, das ich nicht verstehe.
Vor zwei Jahren war ich eine Woche lang für Exerzitien auf Juist. Ich habe das nicht gemacht, um Gott zu suchen, aber ich bin ihm dadurch wieder näher gekommen. Ich habe mein Handy zu Hause gelassen und auch kein Bücher dorthin mitgenommen. Außer meiner geistlichen Begleiterin habe ich fast mit niemandem gesprochen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, mich von dem ganzen Kommunikationsrauschen, Handy und Internet und Co. zurückzuziehen. Es war wichtig, den Trubel – nicht nur das äußerliche Chaos, sondern auch die Gedanken und Monologe in meinem Kopf – mal zur Ruhe zu bringen. Vor allem durch die Stille bin ich Gott näher gekommen.
Während der Exerzitien hatte ich kein Programm, nichts war vorgeschrieben. Ich habe dann oft Spaziergänge am Meer gemacht oder einfach aufs Wasser geschaut. Die Natur ist für mich ein besonderer Verbindungspunkt zu Gott. Ich kann da sehr gut abschalten und auch den größeren Sinn von allem spüren – in der Stadt oder in Räumen gelingt mir das nicht so gut.
Ich habe gemerkt, da ist etwas, das mich hält und worauf ich vertrauen kann, auch wenn ich gerade nichts tue oder nichts leiste. Der innere Kern. Dieses Gefühl wird manchmal durch meinen Alltag einfach übertönt. Immer wieder gibt es Phasen, in denen ich merke, dass alles ein bisschen viel wird. Dann versuche ich, diese innere Ruhe, die ich während der Exerzitien aufgebaut habe, zurückzubekommen. Natürlich ist es auch schwierig, mir im Alltag die Zeit dafür zu nehmen. Ich bin gerne mit Menschen zusammen und es gibt so viele Dinge, die ich erleben möchte. Oft fängt mich der Trubel wieder ein.
Dann sage ich mir, dass ich mir Zeit für mich und für Gott nehmen muss. Ich mache dann zum Beispiel Yoga, um zu mir selbst zu finden und verschaffe mir eine innere Leere – wenn mir dabei Gedanken kommen, versuche ich sie wegzudrängen. Dieser Weg nach innen ist für mich das Ausschlaggebende, um Ruhe und Vertrauen in Gott zu finden. Ich finde es wichtig, mir das zu bewahren: zu wissen, dass ich einen Halt habe, auf den ich vertrauen darf.