In Löcknitz greifen junge Leute ganz legal zur Sprühdose.

Graue Wände lebendig machen

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Im vorpommerschen Löcknitz wird es bunt. Unter professioneller Anleitung greifen Kinder und Jugendliche ganz legal zur Sprühdose und versehen Wände mit Bildern und Schriftzügen. Dahinter steckt ein Projekt des Begegnungszentrums Mia.


Schon nach wenigen Treffen können sich die Ergebnisse sehen lassen. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Programms „AUF!leben – Zukunft ist jetzt“ der deutschen Kinder- und Jugendstiftung.    Foto: Ewelina Lipinska

„Graffiti machen graue Wände lebendig – ich wünschte, ich könnt‘ das auch“, singt die bekannte Musikgruppe „Keimzeit“. Doch so beliebt ihr Song „Kling Klang“ bei Festlichkeiten in Städten und Dörfern auch sein mag, so wenig beseelt fallen in der Regel die Reaktionen aus, wenn zumeist junge Menschen zur Dose greifen und versuchen, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Zu unästhetisch, zu krakelig erscheinen die Resultate der meist nächtlichen Ausflüge, zu ungeeignet die Projektionsfläche.
Die Debatte ist nicht neu: Während junge Menschen sich gern kreativ ausleben möchten, will die übrige Bevölkerung in einer sauberen Umgebung wohnen. Beides miteiander in Einklang zu bringen, das versucht seit Mitte März das Graffiti-Präventions-Kunstprojekt „Schau in die Zukunft – aktive Freizeitgestaltung in Löcknitz“ im Begegnungszentrum Mia, das von Erzbistum Berlin und Caritas getragen wird.
Sprühereien mit der Dose können auch gut aussehen
„Ziel des Projektes ist es unter anderem, Schmierereien mit Graffitis zu verringern und jungen Menschen aus Löcknitz und Umgebung mehr Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung zu geben“, sagte Ewelina Lipinska, die als Sozialarbeiterin die Jugendseelsorge im Pastoralen Raum Hoppenwalde/Pasewalk unterstützt. Zugleich gehe es darum, dass Jung und Alt Graffiti nicht nur als Schmierereien begreifen, sondern auch als Kunstform kennen- und schätzenlernen.
30 deutsche und polnische Kinder und Jugendliche, Jungen wie Mädchen, haben sich beim Projekt angemeldet. Einmal wöchentlich treffen sie sich nun bis Ende August mit Betreuern und Mitwirkenden. Bevor die jungen Künstler zu den Dosen greifen durften, standen noch ein paar Lektionen an. Was sind Graffiti überhaupt? Woher kommen sie, wo liegen ihre Ursprünge? Schließlich bemalten Vorgänger des Homo Sapiens vor über 30 000 Jahren Höhlenwände, die Malereien gelten heute als wertvolle Kulturzeugnisse.
Auch die Polizei Löcknitz begleitet das Projekt. „Kunst endet dort, wo sie illegal als Schmierereien an Häuserwänden landet. Dann sind es Sachbeschädigungen“, erklärten die Beamten.

Irritierte Blicke und Nachfragen bei ersten Versuchen
Nachdem das geklärt war, lernten die angehenden Künstler von professionellen Straßenkünstlern des Greifswalder Vereins „Urban Art MV“ ihre ersten Fertigkeiten und Techniken im Umgang mit der Sprühdose. Danach ging es an die Wand der Löcknitzer Sporthalle für die ersten Feldversuche, in Form von Buchstaben und Schriftzügen, alles in bunten Farben. Permanent klickerte und zischte es, als die Talente mit den Sprühkannen zur nächsten Linie ansetzten oder eine Fläche ausfüllten. Der Geruch von Sprühfarbe lag in der Luft.

 
Zu Beginn eines Straßenkunstwerks steht meist eine Skizze.    Foto: Ewelina Lipinska  


Das ungewohnte Treiben sei nicht lange unbemerkt geblieben, sagte Ewelina Lipinska. „Bei Passanten hat das natürlich erst einmal zumindest für Verwunderung, bei einigen gar für Unmut gesorgt“, so die Sozialarbeiterin. Den Vorbeigehenden habe sie aber direkt versichert: Alles sei mit den Eigentümern abgesprochen, hier würden gerade legale Flächen für Sprühkunst geschaffen. „Im Laufe der Zeit sollen sich aus diesen Übungen noch richtige Kunstwerke entwickeln.“ Geplant sei die Gestaltung von Wänden bei den Löcknitzer Sporthallen und der Badeanstalt.
„In der Pandemie waren junge Leute in ihrer Freizeit sehr stark eingeschränkt“, sagte sie. „Wir möchten ihnen dabei helfen, ihre Alltagsstrukturen, ihr normales Leben zurückzugewinnen.“ Auch das soziale Miteinander soll gefördert werden, durch das gemeinsame Lernen und die Zeit draußen an der frischen Luft.
Katholikin Lipinska freute sich zudem über die Reaktion der jungen Leute bei ihrem ersten Besuch im Begegnungszentrum Mia. „Als sie bemerkten, dass sie praktisch in einer Kirche gelandet sind, waren sie erstaunt und positiv überrascht, dass wir auch bei so etwas mitmachen. Das hatten sie nicht erwartet.“

(el/schi)

Wer mitmachen möchte, kann sich bei Projektkoordinatorin Ewelina Lipinska melden: 01 60 / 96 20 18 30 oder ewelina.lipinska@erzbistumberlin.de