Gut leben unterm Krummstab
Ganz im Westen von Mecklenburg liegt die Stadt Ratzeburg. So jedenfalls war es mehr als 200 Jahre lang. Der Verein für katholische Kirchengeschichte in Mecklenburg fühlte sich in seiner Tagung in Ratzeburg jedenfalls ganz zuhause.
War der Verein für katholische Kirchengeschichte in Mecklenburg zuletzt im äußersten Osten von Mecklenburg, in Friedland, gewesen, so traf er sich zu seiner Herbsttagung am Anfang des Monats Oktober im Westen, in Ratzeburg. Ratzeburg, so wird sich mancher fragen, ist das noch Mecklenburg? Antworten zu diesem Thema gab der Historiker und Publizist Dr. Reno Stutz in seinem Referat „Unter’m Krummstab ist’s gut Leben – das Ratzeburger Land, Mecklenburgs ungewöhnlicher Landesteil“.
Bei der Gründung des Bistums Ratzeburg im 12. Jahrhundert wurden Bischof und Kapitel vom Landesherrn, Heinrich dem Löwen, mit einem besonderen Gebiet des Bistums ausgestattet, in dem der Bischof Landesherr war, nämlich das Hochstift Ratzeburg. Als solcher war der Bischof im Reichstag vertreten. Um sich seine Einkünfte der Bauern zu sichern, kaufte er den Besitz der Adligen im Hochstift auf und gestattete den freien Bauern, ihren Besitz zu vererben.
Dieses Recht konnten die Bauern über die Jahrhunderte bewahren, über Reformation und Landesteilung hinweg bis 1918. Als reichsunmittelbares Fürstentum Ratzeburg wurde das Gebiet bei der Landesteilung von 1701 Teil von Mecklenburg-Strelitz. So kam es, dass sich dort ein kräftiger Bauernstand, dokumentiert durch die zum Teil noch vorhandenen stattlichen Bauernhäuser, entwickeln und erhalten konnte. Wenige Kilometer weiter, im übrigen Mecklenburg, fristeten die Bauern, teils als Leibeigene, ein eher ärmliches Leben.
Jesuiten im lutherischen Mecklenburg
Der Hamburger Christoph Flucke, studierter Lateinlehrer, hat die Jahresberichte der Jesuiten des 17. und 18. Jahrhunderts aus Lübeck übersetzt und ediert. Einiges wurde schon veröffentlicht, am Tag vor der Tagung wurde der neue Band in Lübeck präsentiert.
Flucke trug einige, Mecklenburg betreffende Episoden vor. Denn in dieser Zeit gab es im Adel und anderen bedeutenden Persönlichkeiten, auch im lutherischen Mecklenburg einige Katholiken. Die Darstellung der Schwierigkeiten die die Jesuiten bei der Seelsorge dieser Gläubigen erfuhren, war Gegenstand der Jahresberichte. Natürlich beobachtete die lutherische Pastorenschaft mit Argwohn die Aktivitäten der Jesuiten. Immer wieder kam es zu Anklagen und Übergriffen auf „die Unsrigen“, wie es der namentlich unbekannte Berichterstatter formulierte.
Am Nachmittag führte der Weg die Gruppe zum Dom. Dort wurden sie vom Kirchenführer Klaus Lankisch erwartet. Vor dem Gotteshaus gab er erste Einblicke in die Geschichte des Bistums. Ein erster Gründungsversuch in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts fiel einem blutigen Slawenaufstand im Jahre 1066 zum Opfer. Dabei kam auch Ansverus, der Obere der Benediktiner-Niederlassung, durch Steinigung ums Leben. Bei der hundert Jahre später erfolgten Neugründung wurde der Bischofsstuhl und das Domkapitel mit Prämonstratensern besetzt.
Zur gleichen Zeit begann man mit dem Bau des Domes. Er ist eine dreischiffige romanische Basilika mit einem gotischem Kreuzgang. Wie an vielen Kirchen, so wurden auch am Ratzeburger Dom immer wieder Veränderungen vorgenommen. Einen besonderen Einschnitt stellte die Reformation dar, sodass nur wenige mittelalterliche Einrichtungsgegenstände die Zeit überdauert haben. Dazu gehören das Chorgestühl, die Triumphkreuzgruppe, viele Bischofsgrabplatten, das Taufbecken und der Altaraufsatz.
In letzterem befindet sich eine aus Stein gehauene Platte mit Darstellungen der Passion Christi. In den Flügeln steht neben den Aposteln und weiblichen Heiligen auch eine Skulptur des hl. Ansverus. Mit einem Gang durch den Kreuzgang nahm die Gruppe Abschied vom Dom.
Die Tagung wurde im Gemeindesaal der katholischen Gemeinde St. Answer mit einem Ausblick beendet. Die Frühjarstagung 2023 soll im April in Bützow stattfinden.
Michael Berger