Impuls zum Sonntagsevangelium am 10.03.2024
Gutes tun kann guttun
Foto: kna/Harald Oppitz
Schule des Friedens für Kinder
Sie war 19, als einer ihrer Klassenkameraden an einer schweren Krankheit gestorben ist. Plötzlich war ihr bewusst, dass auch ihr Leben jederzeit zu Ende gehen könnte. Doch falls das so kommt, wie wollte sie dann gelebt haben?
Kateryna Müller stammt aus der Ukraine und lebt mit ihrem Mann in Berlin. Sie arbeitet als Erzieherin in einem Kindergarten und engagiert sich bei der Gemeinschaft Sant’Egidio. Schon während ihres Lehramtsstudiums in Kiew hat sie die katholische Friedensbewegung bei der Essensausgabe für Obdachlose unterstützt. In Berlin hat Sant’Egidio keine Essensausgabe, dafür aber die Schule des Friedens. Hier engagiert sich die 28-Jährige jeden Sonntag. Zusammen mit anderen jungen Leuten organisiert sie das zweistündige Nachmittagsprogramm für bis zu 20 Grundschulkinder im Alter von fünf bis elf Jahren. Sie helfen den Kindern bei Lernaufgaben, überlegen gemeinsam, was sie für ein friedliches Miteinander tun können, basteln und singen.
Dabei hat Müller nicht den Eindruck, dass sie es ist, die etwas für die Kinder tut. Sie merke, sagt sie, dass es die Kinder seien, die Sehnsucht nach Freundschaft, nach Begleitung haben. Und wie viel den Kindern diese zwei Stunden in der Woche bedeuten.
In der Schule des Friedens kommen Kinder zusammen, die es oft nicht leicht haben. Manche haben eine Fluchtgeschichte hinter sich, leben mit ihren Familien in Armut oder sind von Abschiebung bedroht. Die jungen Leute von Sant’Egidio sehen sich nicht als Helfer, sondern als Freundinnen und Freunde fürs Leben. Denn die Kinder sollen lernen, dass auch sie füreinander Freundinnen und Freunde sein können. Das Motto: Niemand ist zu klein, um für andere da zu sein.
Müller schätzt an der Gemeinschaft, dass einem dort nicht wie so oft gesagt werde, man solle für sich selbst leben. Stattdessen hat sie „Freunde, die den gleichen Weg mitgehen und an demselben Traum, den Frieden aufzubauen, arbeiten“. Das erfülle sie mit Sinn, erklärt sie.
Sant’Egidio ist für sie mehr als Ehrenamt. „Wir treffen uns auch zu Gebeten“, sagt sie. Dabei wird das Evangelium vorgelesen, das sie herausfordernd findet. Denn wenn man nach dem Vorbild Jesu leben will, bedeutet das aus ihrer Sicht, für ihre Mitmenschen da zu sein. Und bei SantEgidio erlebt sie, wie sie sich inspirierten, aufeinander hörten und sich dazu ermutigten, „das Herz größer zu machen“.
Barbara Dreiling
Besuche bei einer Sterbenden
„Würde es Sie stören, wenn die Person im Sterben liegt?“ Plötzlich war da diese Frage. Vor zwei Jahren habe ich mich entschlossen, dass ich wieder ehrenamtlich tätig sein möchte – am liebsten mit Seniorinnen und Senioren. Also saß ich an einem sonnigen Tag einer Frau gegenüber, die mich an ein Seniorenheim in Osnabrück vermitteln wollte. Als sie mir diese Frage stellte, war ich irritiert. Irgendwie hatte ich eher an gute Gespräche bei Kaffee und Kuchen als an Sterbebegleitung gedacht. Davor hatte ich Respekt, ich wusste aber auch: Ja, das kann ich mir vorstellen.
So lernte ich kurz darauf eine wundervolle Frau kennen. Schon über 90 Jahre alt. Und tatsächlich, alles begann mit Kaffee und Kuchen. Obwohl sie stark dement und etwas dickköpfig war, haben wir uns gut verstanden. Ich ahnte nicht, wie kurz unsere gemeinsame Zeit sein würde.
Schon bei einem meiner nächsten Besuche konnte ich die Frau nur noch am Krankenbett sehen. Die Pfleger sagten mir, dass es nun bald so weit sein würde. Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Doch ich wollte auch unbedingt an ihrer Seite sein.
Fast täglich war ich nach der Arbeit bei ihr. Ich saß an ihrem Bett, habe ihre Hand gestreichelt, ihr zu trinken gegeben, gesungen, gebetet, leise Klaviermusik angemacht – wobei ihr manches davon nicht so gut gefallen hat. Dann hat sie das Gesicht verzogen. Ihren Sturkopf hat sie sich bis zuletzt bewahrt. Das hat mich immer amüsiert. Ich habe mich unendlich geehrt gefühlt, dass ich diese betagte Frau an ihrem Lebensende begleiten durfte. Und ich wollte es ihr ein bisschen leichter machen, Abschied zu nehmen und loszulassen.
Es klingt komisch: Aber jedes Mal, wenn ich das Seniorenheim nach einem dieser Besuche verlassen habe, fühlte ich mich sehr lebendig. Ich spürte, wie wertvoll es ist, dass ich am Leben bin. Dass die Sonne scheint. Ich denke noch oft an diese Frau und ihr Vertrauen zu mir. Das Ehrenamt möchte ich an meinem neuen Wohnort wieder aufleben lassen.
Theresa Brandl
Deutschunterricht für Geflüchtete
Jutta Beitz hat gut zu tun. „Am Donnerstag können wir uns treffen“, sagt sie. „Um 17 Uhr nach dem Seniorenkreis.“ Um den kümmert sie sich ehrenamtlich. Also, eigentlich um zwei Seniorenkreise. Und dann ist sie noch im Pfarrgemeinderat, Lektorin und in ein paar anderen Gruppen. „Manche sagen: Du bist ja ständig unterwegs! Aber ich war schon immer so“, sagt sie und lacht. Lachen – das ist schon der erste Vorteil des Ehrenamtes: Alleine macht man das nicht so oft.
35 Jahre unterrichtete Beitz Französisch und Religion an einer Gesamtschule. Als sie 2018 in den Ruhestand ging, war sie in ihrer Pfarrei präsent, aber nicht so engagiert wie heute. „Eher zufällig wurde ich gefragt, ob ich jemanden kenne, der über die Caritas eine syrische Familie begleiten kann“, sagt sie. Sie kannte niemanden – außer sich selbst.
Gerade war die syrische Ehefrau mit zwei kleinen Kindern nachgezogen. „Ich habe am Anfang bei allem geholfen: Anträge, Kita-Eingewöhnung, Deutsch üben.“ Sie habe ja eine Fremdsprache unterrichtet, sagt sie. Dass ihre Kompetenzen hier noch mal gefragt waren, findet sie gut. „Wenn man in Pension geht, fällt man in die Bedeutungslosigkeit“, sagt sie. „Es ist doch schön, im Ehrenamt Wertschätzung zu bekommen.“ Und viele neue Eindrücke. „Das ist etwas, das mich lebendig hält.“
Fast sechs Jahre kennt sie die syrische Familie nun, die inzwischen auf vier Kinder angewachsen ist. „Das ist jetzt auch meine Familie“, sagt Beitz und erzählt vom Besuch am letzten Wochenende. „Die Älteste, jetzt fast elf, hat eine Pippi-Langstrumpf-Geschichte geschrieben, gemalt und gebastelt. Ich war richtig gerührt, wie weit sie nach dem schweren Anfang gekommen ist.“ Gastfreundschaft, Zuneigung, Dankbarkeit – das ist es, was Jutta Beitz jedes Mal bekommt. „Und etwas Leckeres zu essen!“
Gutes tun ist für Beitz kein Opfer. Im Gegenteil macht es das Leben erst richtig schön. Und nur zu Hause rumsitzen – das wäre sowieso nichts für sie.