Hilfe für „Ortskräfte“

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Die Caritas in Hamburg berät Afghanen, die in ihrer Heimat für die Bundeswehr arbeiteten, die Rache der Taliban fürchten und nach Deutschland wollen. Die Beratung ist auch Seelsorge – zumal, wenn keine Aussicht auf Erfolg besteht.

Hadis Moussavi, Beraterin der Hamburger Caritas
Hadis Moussavi berät Afghanische Ortskräfte und ihre Familien, die nach Deutschland ausreisen möchten. Foto: Andreas Hüser

August 2021: Nach dem Rückzug der westlichen Militärs aus Afghanistan übergibt die afghanische Regierung das Land den radikal islamistischen Taliban. Ausländer und westlich orientierte Afghanen versuchen, aus dem Land zu fliehen. Es kommt zu chaotischem Gedränge am Flughafen von Kabul. Vor allem diejenigen Afghanen, die mit den NATO-Truppen und zivilen Organisationen zusammengearbeitet haben, fürchten die Rache der Taliban. Viele können ausfliegen, aber längst nicht alle. Die Bundesregierung stellt diesen „Ortskräften“ Visa aus und gibt ihnen Aufenthaltsrecht.

Zur gleichen Zeit in Hamburg, der Stadt mit den meisten Exil-Afghanen in Europa. Die Telefone laufen heiß. Was passiert in Afghanistan? Wie können unsere Angehörigen herauskommen? Viele Afghanen wenden sich an die Caritas, die mit der Härtefallberatung und anderen Aktivitäten einen guten Ruf hat. „Die vorhandenen Beratungsstellen waren mit diesem Ansturm und der ganz neuen Situation überfordert“, sagt Pia Heyne, Leiterin des Fachdienstes Migration der Caritas Hamburg. 

Aber es gab eine Lösung: Mit Hadis Moussavi stellte die Caritas eine Beraterin ein, die sich ausschließlich um das Thema „Af­ghanistan“ kümmern konnte. Hadis Moussavi lebt seit dem ersten Lebensjahr in Hamburg. Aber Persisch ist ihre Muttersprache, und da in Afghanistan Persisch oder dem Persischen verwandte Sprachen gesprochen werden, gab es keine Sprachprobleme. 

Es gibt für Menschen, die zu den „Ortskräften“ gehören, Wege, aus dem Herrschaftsgebiet der Taliban herauszukommen. Aber diese sind mit Schwierigkeiten gepflastert. „Die Anträge laufen über die Firmen, bei denen die Ortskräfte angestellt waren“, berichtet Hadis Moussavi. Denn die meisten haben nicht direkt bei der Bundeswehr oder anderen westlichen Streitkräften gearbeitet, sondern für Institutionen und Unternehmen, etwa Versorger oder Transportunternehmen. Pia Heyne: „Es reicht aber nicht nachzuweisen, dass jemand für diese Firmen tätig war. Man muss beweisen, dass man deshalb bedroht wird. Etwa durch Drohbriefe, Krankenhausberichte  – oder wenn Angehörige wegen der Tätigkeit für westliche Nationen umgebracht wurden.“ 

Diese Beweise sind nicht nur schwer zu erbringen – es ist auch gefährlich, sie zu übermitteln. „Einige Klienten löschen sämtliche E-Mail-Verläufe, damit sie nicht zurückverfolgt werden können“, berichtet Hadis Moussavi. Fliegt der „Fluchtversuch“ auf, dann wird die Gefahr noch größer. Ohne Visum, sagt Hadis Moussavi, ist es fast unmöglich, aus Af­ghanistan herauszukommen. Die Grenzen sind weitgehend dicht. Und selbst mit Visum gibt es Probleme. „Jemand hat geschrieben: Ich sitze hier in einem Dorf fest, ich komme gar nicht nach Kabul. Besonders schwierig ist es für Frauen. Sie dürfen ihr Haus gar nicht ohne männliche Begleitung verlassen. Und sie leben in der Angst, zwangsverheiratet zu werden.“

Stelle ist nur bis Mitte Februar finanziert

Hoffnung, die Taliban würden nach der erneuten Machtübernahme einen gemäßigteren Kurs einschlagen als vor der Invasion internationaler Truppen, hat in Afghanistan kaum jemand. „Die meisten haben keinen Zweifel daran, dass die Taliban sich ideologisch nicht verändert haben und genauso gefährlich sind wie vorher. Nur sind sie professioneller organisiert und vernetzt“, sagt Pia Heyne. Dazu kommt: Die vom Westen gestützte Regierung wurde ebenfalls als korrupt erlebt und genoss wenig Vertrauen. Und die Erinnerung an die Taliban-Massaker der Vergangenheit ist verblasst.

So hört Hadis Moussavi auch heute noch per Mail und Telefon Schicksalsberichte und Hilferufe. Einigen kann sie tatsächlich helfen: Wer als gefährdete Ortskraft anerkannt ist, bekommt Visa, Aufenthaltstitel oder kann Asyl beantragen. Vielen aber muss die Hamburgerin sagen: Ihr werdet keinen Erfolg haben. „Auch wenn ich nicht helfen kann, kann ich die Anrufer zumindest in der Muttersprache ein bisschen emotional auffangen. Diese Beratung ist auch Seelsorge“, sagt Hadis Moussavi. „Und zumindest haben die Leute dann Klarheit.“ 

Auf dem aktuellen Stand bleiben, das ist ein weiterer Teil der Arbeit. Ständig werden aktuelle Informationen aus der ganzen Welt gesammelt und per Newsletter weitergegeben – nicht nur die aktuelle Lage in Deutschland, sondern auch in anderen ­Ländern von Australien bis zu den USA. Das führt dazu, dass sich inzwischen nicht nur Betroffene, sondern Hilfsorganisationen an die Hamburger Caritas wenden. „Für das Thema Afghanistan ist die Caritas Hamburg die beste Informationsquelle – ein Aushängeschild für uns“, sagt Diakon Andreas Petrausch, Flüchtlingsseelsorger. „Das Problem ist: Die Stelle ist nur noch bis Mitte Februar finanziert.“ Auch diese Hilfe ist nun auf Hilfe von außen angewiesen. Die Caritas hat dazu einen Spendenaufruf gestartet (www.caritas-hamburg.de – Stichwort: Migration und Flucht) 

Text u. Foto: Andreas Hüser

Die Kontoverbindung für Spenden für dieses Projekt ist:
Spendenkonto der Caritas: IBAN: DE34 4006 0265 0202 0208 00
Verwendungszweck: Härtefallberatung / Afghanistan Beratung