Hilfe von außen

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Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen werden immer mehr in Anspruch genommen. In der Stadt Hanau und andernorts. Die Probleme der Ratsuchenden sind vielschichtig. Von Reinhold Schlitt.

Günter Rothenberg und Sabine Kollmeier von der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Hanau. Foto: Reinhold Schlitt
Günter Rothenberg und Sabine Kollmeier von der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Hanau. Foto: Reinhold Schlitt

Da war das junge Paar mit seinem einjährigen Sohn. Als das Kind zur Welt kam, hatte die Frau die Schule gerade hinter sich gebracht und eine Berufsausbildung begonnen. Der junge Mann hatte seinen Gesellenbrief bereits in der Tasche und damit begonnen, sich abends weiter zu qualifizieren. Sie hatten ihre gemeinsame Zukunft zu einem Zeitpunkt geplant, als von einem Kind noch keine Rede war. Doch dann wurde sie schwanger. Hastig zog das Paar in eine gemeinsame Wohnung und wechselte nun in eine noch völlig ungewohnte Elternrolle, in der beide aufgrund von Doppelbelastungen für sich selbst kaum noch Zeit fanden. Auseinandersetzungen nahmen zu, wurden mit der Zeit feindseliger und veränderten das Miteinander. Dabei waren sie sich einig, ihr Kind in einer behutsamen und liebevollen Atmosphäre aufwachsen zu lassen. Doch ohne fremde Hilfe fanden sie aus ihrer schwierigen Situation nicht heraus.

Der Fall stellt eine von vielen Konfliktsituationen dar, mit denen die Mitarbeiter der Hanauer Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) konfrontiert werden. „Gründe für einen Beratungswunsch gibt es sicher viele“, weiß EFL-Beraterin Sabine Kollmeier, „und deutlich ist, dass die Problematiken insgesamt zunehmen“.

Andere Sichtweisen und Ursachen kennenlernen

„Reden hilft“, lautet das Motto der katholischen Beratungsstellen im Bistum. Sich auszusprechen, andere Sichtweisen auf die eigenen Konflikte und deren Ursachen kennenzulernen und bei der Lösungssuche die Kompetenz Dritter einzubringen – darum geht es. Und das in allen Lebenslagen. Es kommen Jugendliche mit Bindungsängsten und junge Eltern, deren Paarbeziehung auf der Kippe steht.

Da sind auch Eltern, deren Kinder nun aus dem Haus sind und die mit dieser Situation nicht zurechtkommen. Wegen der schweren körperlichen oder seelischen Erkrankung des Ehemannes wechselt dessen Partnerin plötzlich auch in die Rolle einer ‚pflegenden Angehörigen‘. Im höheren Lebensalter wird eine jahrzehntelange eheliche Bindung infrage gestellt. Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, das Nichtverkraften des Verlustes eines lieben Angehörigen – all das sind Gründe, die Menschen Rat und Hilfe suchen lassen. „Bedenkenswert ist dabei, dass das Durchschnittslebensalter immer weiter ansteigt und mit ihm auch zusätzliche Konfliktpotenziale“, sagt der Hanauer EFL-Leiter Günter Rothenberg.

Auf ein fachliches Fundament der Beratungen wird stets Wert gelegt. In der EFL haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allesamt neben einem Hochschulstudium eine vierjährige Zusatzausbildung als „Ehe-, Familien- und Lebensberater“ absolviert. Und sie verfügen über zusätzliche individuelle Qualifikationen in unterschiedlichen psychotherapeutischen Verfahren. „Eine Psychotherapie bieten wir zwar nicht an“, sagt EFL-Leiter Günter Rothenberg, „aber in unserer Beratungsarbeit greifen wir auf verschiedene psychotherapeutische Verfahren zurück.“

Damit steht in der Hanauer Beratungsstelle, der nach Beratungszahlen größten von vier EFL-Beratungszentren im Bistum Fulda, ein multidisziplinäres Team zur Verfügung. EFL-Leiter Günter Rothenberg ist von Haus aus Diplom-Soziologe, Sabine Kollmeier hat Psychologie studiert und Petra Krahwinkel ist Religionspädagogin. Unterstützt werden sie von dem Theologen und Bergen-Enkheimer Pfarrer Uwe Hahner.

Kirchenferne werden erreicht

Alle haben sie sehr viel zu tun, denn die Zahl der Beratungen und der Neuanmeldungen steigt von Jahr zu Jahr an. Waren es 2012 noch 270 Ratsuchende, davon 170 Neuanmeldungen, so stieg ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 360 Ratsuchende, davon 211 Neuanmeldungen an. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres war die Neuanmelderzahl bereits so hoch wie im ganzen Jahr 2012. Hanau hat im Vergleich mit den EFL-Standorten Marburg, Fulda und Kassel den geringsten Anteil an Katholiken in der Bevölkerung, das säkulare Leben dominiert hier deutlich.

Umso mehr zeigen die Beratungszahlen, dass die fachlich fundierte Beratungsarbeit auch kirchenferne Menschen erreicht und hier viel Wertschätzung erfährt. Das gilt auch für die drei anderen EFL-Beratungsstellen: „Die Tendenz zeigt, dass das Beratungsaufkommen bistumsweit wächst und dass Beratung in persönlichen Fragen immer wichtiger wird“, weiß Barbara Straub von der Geschäftsstelle der Beratungsstellen im Bistum Fulda.

Ganz auf Linie des Papstes

Die Hanauer EFL-Berater sehen das Angebot der Ehe-, Familien und Lebensberatungsstellen im Bistum „ganz auf der Linie des apostolischen Schreibens von Papst Franziskus ‚Amoris laetita‘ über die Ehe und Familie“. EFL-Leiter Günter Rothenberg: „Christliches Handeln und Verantwortung besteht nicht nur darin, etwa das Sakrament der Ehe zu spenden, sondern die Menschen auch in Zweifeln und Krisen zu begleiten – ganz gleich, ob in der Partnerschaft, in der Familie oder in anderen Situationen des Lebens.“