Hinfallen, die Krone richten, wieder aufstehen

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JVA Waldeck: Ursula Soumagne-Nagler, Kirstin Boeker
Nachweis

Foto: Matthias Schatz


 

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Könige in der Justizvollzugsanstalt Waldeck. V.li.: Seelsorgerin Ursula Soumagne-Nagler und Anstaltsleiterin Kirstin Boeker haben die Figuren dort aufgestellt, wo jeder mal vorbeikommt.   

Hölzerne Könige sind auf der Reise. Die Skulpturen sollen dazu anregen, über die königliche Würde aller Menschen nachzudenken. Am Ende ihrer Tour durch den Norden sind sie im Gefängnis gelandet. Was passiert da?

Waldeck/Hamburg. „Wo darf ich König sein? – Die Frage könnte auch lauten: Wo darf ich ,Ich‘ sein?“ Diese Frage stellt ein Strafgefangener der Justizvollzugsanstalt Waldeck in einem Brief. Im Gefängnis ist niemand König. Es ist, so schreibt der Häftling, ein rauer Ort, „der eigentlich furchterregend ist.“ So wie viele Menschen und so wie der Briefautor selber. „Ich bin rau geworden in manchen Lebenslagen, genau wie der Ort, an dem ich mich befinde.“ Man trifft in so einer Situation auf verschiedene Menschen. Auf Rechtsanwälte, auf Richter (die nicht vergessen dürfen, „dass auch auf sie ein Richter wartet“). Man trifft auf Anstaltspersonal und vor allem auf Gefangene. Einige von ihnen möchten zwar „der King“ sein. Aber König? König ist keiner von ihnen. 

Aber seit einigen Tagen gibt es Könige in der Justizvollzugsanstalt Waldeck nahe Rostock. Maximal 382 Männer sind hier inhaftiert, teils als Untersuchungshäftlinge, teils mit Strafen von sechs Jahren bis lebenslänglich. 

Die Könige kamen aus Hamburg. Die katholische Gefängnisseelsorgerin Ursula Soumagne-Nagler hat sie aus dem Mariendom abgeholt. Jetzt stehen sie vor dem Konferenzraum des Gefängnisses, da, wo viele Menschen vorbeikommen. Bei diesen Königen handelt es sich um gekrönte Holzfiguren, geschaffen von dem Bonner Tischler und Theologen Ralf Knoblauch. Die Gesichter dieser Figuren sind die Gesichter einfacher Menschen, die zufrieden und träumend vor sich hinblicken – nur die Krone auf ihrem Kopf sagt, dass es Könige sind. 

Unter Freunden ist man König unter Königen

Knoblauch wollte die Betrachter anregen, mit Hilfe dieser Könige über die Menschenwürde nachzudenken. Im Mariendom in Hamburg gab es dazu eine ganze Veranstaltungsreihe. 

Königswürde aller Christen, das lässt sich in der Kirche leicht sagen. Im „Knast“ blickt man auf die Würde aus einem anderen Blickwinkel. „Die Figuren sind hier ein wichtiger Impuls, für die Gefangenen wie für die Verantwortlichen der Justiz“, erläutert Ursula Soumagne-Nagler. Was ist die Botschaft? Die Seelsorgerin sagt es kurz: „Hinfallen, Krone richten – und weitergehen.“ Das war auch Thema der Gottesdienste in der Anstalt. Alle Menschen sind gekrönt mit Güte und Barmherzigkeit (Psalm 103). Alle sind Ebenbild Gottes.

Diese Botschaft ist angekommen. Davon spricht der oben zitierte Brief – von einem, „der immer gedacht hat: Ich bin nichtgläubig, und ich muss gläubig sein, um bei Gott zu sein, erkennend, dass es nicht so sein muss. Wer ist Gott eigentlich? Gott ist doch die Liebe, die Freude im Leben, der Vater, den ich mir gewünscht hätte als Kind.“ Selbst König sein? Ist das nur ein Traum? Unter den eigenen Freunden, „dort bin ich König unter Königen und Königinnen. Mein Herz lacht bei den Gedanken an meine Freunde. Es gibt sie, die Menschen, bei denen ich lieber bin als an diesem Ort.“   

Die Könige aus Fleisch und Blut können nicht weg. Die Könige aus Holz sind inzwischen weitergewandert. Vom Gefängnis Waldeck zum Gefängnis Bützow, wo sie die gleiche Botschaft zu verkünden haben: „Krone richten, weitergehen!“ Ein König allerdings wird nicht weitergehen. Er bleibt der JVA Waldeck erhalten – sozusagen lebenslänglich.  

Andreas Hüser