Junge Deutsche knüpfen Kontakte
"Ich denke jeden Tag an Ghana"
Foto: BDKJ
Zum Abschied gab es Tränen. Als am letzten Abend einer 14-tägigen Bildungsreise von jungen Erwachsenen aus dem Bistum Osnabrück nach Ghana eine der Gastgeberinnen aufsteht, um den deutschen Gästen ein großes Kompliment zu machen, ist es erst still, dann kommen die Emotionen hoch. Die 27 Jahre alte Ghanaerin dankt den Gästen. Zum ersten Mal hätten sich Besucher aus Europa für ihr Land, für ihre Kultur und letztlich für sie selbst interessiert. Und das auf eine ehrliche und überzeugende Art und Weise. Das lässt die jungen Gäste nicht unberührt.
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat die Reise ausgeschrieben, 15 junge Leute fahren mit. Der Fokus liegt auf „kultursensiblen Begegnungen im Kontext globalen Lernens“, wie es heißt. Die jungen Leute erfahren vor der Reise viel über die Geschichte des Landes, über dessen Kultur und Entwicklung. Die Folgen des Kolonialismus spielen dabei eine wichtige Rolle.
In Kultur und Geschichte des Landes eingetaucht
Zu den Reisenden gehört Pia Thater, aus Dalum stammende Lehrerin, die jetzt in Gelsenkirchen lebt. Sie wollte dabei sein, um nicht die oberflächliche Position einer Touristin einzunehmen, sondern richtig ins Land einzutauchen. Begleitet von einigen Gastgebern ging es quer durchs Land, um einheimischen Gruppen und Kirchenvertretern zu begegnen. Von der Haupstadt Accra aus war der Norden des Landes das Ziel. In Damongo sprachen die Deutschen zum Beispiel mit Bischof Pater Paul Yelezuome Angkyier über die Herausforderungen des Klimawandels. Was nimmt die 30-Jährige mit für ihren Alltag? „Ich habe die Situation der Kirche ganz anders erlebt als in Deutschland“, sagt sie und erzählt von Gottesdiensten, in denen ständig geklatscht und gesungen wurde. „Auf die Frage, warum wir das nicht so machen, fiel mir nur der Vergleich ein, dass der Glaube wie ein Vogel ist, den man nicht erschrecken darf, sonst fliegt er weg“, sagt sie. Sie möche diese Lebensfreude mit in ihren Alltag herüberretten – zum Beispiel, wenn es mal nicht nach Plan läuft.
„Wir wollten nicht als privilegierte Urlauber anreisen“
Anna Sobolewski sieht sich als Bildungsreisende grundsätzlich auf einem schmalen Grat. „Wir wollten nicht als privilegierte Urlauber anreisen“, sagt sie. Und das habe gut geklappt, die Gespräche, der Austausch – alles sei sehr in die Tiefe gegangen. „Als normale Touristin hätte ich das so nicht erlebt“, sagt die 23 Jahre alte Psychologiestudentin, die sich ehrenamtlich als Diözesanleiterin der Katholischen Junge Gemeinde (KjG) engagiert und ebenfalls aus Dalum stammt. „Ich denke jeden Tag an Ghana“, sagt sie und lächelt. Die Gelassenheit der Menschen, die sie dort erlebt habe, habe sie sehr beeindruckt. Zugleich spüre sie, wie sehr die Folgen des Kolonialismus noch heute zu spüren seien. „Das ärgert mich richtig“, sagt sie.
Auch Edda Hagemann muss seit ihrer Rückkehr oft an Ghana denken – und zwar meist, wenn sie unter der warmen Dusche steht. „Ich habe gemerkt, dass das dort nicht selbstverständlich war“, sagt die 24-Jährige, ebensowenig wie überhaupt fließendes Wasser. Und auch andere Annehmlichkeiten der hiesigen Lebensweise wolle sie in Zukunft bewusster genießen: „Für uns ist es normal, dass wir uns mal eine Cola kaufen oder ein Eis. In Ghana geht das nicht“, sagt die Bissendorferin. Einig ist sie sich mit den übrigen Teilnehmern in einem wichtigen Punkt: „Meine Reflexion der Reise ist noch nicht abgeschlossen. Das wird auch noch dauern.“
Autos mit Aufschriften aus Westeuropa
„Ich bin ein richtiger Fan von Bildungsreisen“, sagt Timo Merten aus Oldenburg. „Allerdings wäre Ghana jetzt nicht unbedingt mein erstes Reiseland gewesen“, fügt er mit einem Lächeln hinzu. Aber persönliche Kontakte sorgten schließlich dafür, dass er dabei war. Obwohl er evangelisch-lutherischer Christ ist und mit der „Institution Kirche“, wie er sagt, nicht viele Berührungspunkte hat. Was ihm auf der Reise besonders aufgefallen ist? „Zum ersten Mal bin ich so stark mit meiner weißen Hautfarbe konfrontiert worden.“ Immer wieder hätten Einheimische auf die Gruppe gezeigt, „wir wurden krass angeguckt“. Aber dadurch sei ihm bewusst geworden, wie sich ein Mensch aus Afrika in Europa fühlen müsse. Geguckt hat der 25-Jährige auch – allerdings mehr auf die vielen Kleinbusse, die im Land herumfahren. „Da war dann mal die Werbeaufschrift von ,Malermeister Schmitz‘ zu entziffern, die Autos stammten nämlich oft aus Westeuropa.“ Was er in seinen deutschen Alltag mitnimmt? Einen bewussteren Umgang mit der Mobilität. Denn: „Die Ghanaer können nicht mal eben irgendwo hinfliegen oder sich schnell mal ins Auto setzen.“
Einen Reisebericht von BDKJ-Bildungsreferent Paul Vartmann finden Sie auf der Homepage des BDKJ: www.bdkj-osnabrueck.de