Lara Lessing wurde ausgesandt

Ihr Auftrag: Beispiel sein

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Lara Lessing wurde – ähnlich wie die Jünger im Evangelium – ausgesandt: In Afghanistan sollte sie schwangeren Frauen und Müttern bei der Versorgung ihrer Babys helfen. Und als Christin von einem liebenden Gott erzählen.

Eine junge Frau ist unter einem blauen Schleier verhüllt.
Lara Lessing heißt in Wirklichkeit anders, unverhüllt will sie sich nicht fotografieren lassen. Wenn niemand weiß,
wer sie ist und wie sie aussieht, kann sie vielleicht noch einmal nach Afghanistan. Hofft sie.

Wer geht schon freiwillig nach Afghanistan, in ein von Kriegen schwer gebeuteltes Land? Wer lässt sich als junge Frau in ein streng muslimisches Land entsenden, in dem Christen verfolgt und kleine Mädchen an alte Männer zwangsverheiratet werden? Lara Lessing (31) hat es getan und würde es gern wieder tun. Ihr Name ist ein Pseudonym. Auch die Fotos, die sie zum Gespräch mitbringt, zeigen sie nur undeutlich von weitem. Eine Vorsichtsmaßnahme, um einen möglichen neuen Einsatz als christliche Entwicklungshelferin in Afghanistan nicht zu gefährden. 

Doch der Reihe nach. Lara, die aus einem Dorf im Allgäu stammt, hat schon immer ein Faible für fremde Menschen und exotische Kulturen – und dazu große Abenteuerlust. Als Kind fährt sie mit dem Finger über den Globus und stellt sich vor, wie die Menschen in den Regionen, in denen sie gerade unterwegs ist, wohl leben. Spannende Geschichten dazu findet sie in der Bibel. Sie fesseln sie bis heute. 

Kräftezehrende Jahre auf der Intensivstation

Mit 15 hört Lara von einem Entwicklungsprojekt in Kolumbien. Ihre Träume vom abenteuerlichen Leben nehmen Gestalt an. Langsam, denn erst macht sie eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester, bevor sie mit Anfang 20 als Freiwillige auf eine kolumbianische Insel geht, wo sie eine Krankenstation betreut. Für sie „eine schöne, herausfordernde und sehr gesegnete Zeit“. 

Zurück in Deutschland arbeitet Lara in der Münchner Haunerschen Kinderklinik, in der schwerstkranke Kinder aus aller Welt behandelt werden. Abenteuerlich ist das nicht, aber Lara hat das gute Gefühl, dass sie gebraucht wird. Nach vier kräftezehrenden Jahren auf der Intensivstation sucht sie eine neue Herausforderung. 

Über Umwege landet sie im Augsburger Gebetshaus, in dem junge Christen aller Konfessionen nonstop für die Erneuerung und Einheit der Kirche beten. Die „Incense“, eine zehnmonatige Glaubensschule, wird Lara nachhaltig prägen. „Ich habe so viel gelernt über Gott und seine selbstlose Liebe, die wir uns nicht verdienen müssen! Die wir als Geschenk erhalten. Wow, was für eine Botschaft!“ 

Doch was soll ihre Berufung sein? Ein Referent ermuntert sie, ihren Leidenschaften zu folgen. „Also noch mal ins Ausland! Ich hatte ein gutes Nervenkostüm und den passenden Beruf dafür, hatte schon einiges an Erfahrung, war noch jung und ungebunden. Ideale Voraussetzungen.“

Von der Herzlichkeit der Menschen überwältigt

Laras Ziel: Sie will Menschen helfen, denen sonst keiner hilft, die mit Armut, Hunger, Krankheiten, Vertreibung, Kriegen kämpfen müssen. Sie will in ein Land, in dem noch keine der großen Hilfsorganisationen unterwegs sind. Und sie landet in Afghanistan. Zunächst aber nur im Kopf.

Denn wer schickt schon eine junge, blonde, unverheiratete Frau ausgerechnet in dieses Land? Eine Missionsorganisation, die ebenfalls anonym bleiben will. Doch vor der Aussendung steht die Finanzierung – über Spenden von Familie, Freunden und Bekannten, die von Lara eingeworben werden müssen. Im September 2017 sitzt sie im Flieger nach Kabul, guten Mutes und mit leichtem Gepäck. So wie Jesus einst seine Jünger ausgesandt hat. Auch sie hat einen Auftrag. Lara soll als Kinderkrankenschwester mithelfen, die Mütter- und Kindersterblichkeit zu senken. Und als Christin soll sie ganz einfach ein gutes Beispiel abgeben für die Liebe Gottes, „die man geschenkt bekommt und sich nicht verdienen muss“.

Ein Jahr lang wird Lara in dem „schrecklich schönen“ Land bleiben, sie wird die Landessprache Dari lernen, wird Freundinnen gewinnen, wird sehen und hören, wie die Frauen in der Provinz leben, arbeiten und glauben. Sie wird mit ihnen feiern und sich von der Schönheit des Landes und der Herzlichkeit der Menschen überwältigen lassen. Bei ihrer Arbeit in den Dörfern klärt sie Schwangere und junge Mütter über Ernährung, über Hygienestandards und gesundheitsförderliches Verhalten auf. 

„Asterix“ auf Afghanisch als Abschiedsgeschenk

Auch wenn es immer mal wieder kritische Situationen und Explosionen gibt, wächst in ihr eine tiefe Liebe zu dem Land, in dem es aus westlicher Sicht oft chaotisch zugeht. Für Lara aber ist es der „ganz normale Wahnsinn, den ich über die Zeit hinweg lieben gelernt habe“. Die Enttäuschung ist riesengroß, als sie das Land schon nach einem Jahr wieder verlassen muss – wegen der angeblich nicht mehr gesicherten Finanzierung ihres Einsatzes. Sie wollte länger bleiben, denn „nach einem Jahr dort ist man eigentlich erst angekommen in der Kultur und kann was machen. Vorher versteht man vieles gar nicht“. Über ihre „viel zu kurze Zeit“ hat Lara Lessing einen Erfahrungsbericht geschrieben, der jetzt als Buch mit dem Titel „Jenseits der Fronten“ (Gerth Medien, 17 Euro) erschienen ist.

Inzwischen wohnt und arbeitet die Kinderkrankenschwester wieder in Augsburg. Sie packt Geschenke aus, die man ihr zum Abschied gemacht hat: einen Teekessel, Armreifen aus Glitzergold, bestickte Tücher, Henna, „Asterix“ auf Afghanisch, Kopftuch und Burka. Alles erinnert sie an die Herzlichkeit der geliebten Menschen. Laras Motto: „Um Menschen zu helfen, muss man sie erst einmal lieben – egal in welchen Umständen sie leben.“

Inzwischen ist Lara Lesssing wieder auf der Suche nach einer Organisation oder einer Gemeinde, die sie aussenden und die Finanzierung ihres Einsatzes übernehmen würde. Sie ist zuversichtlich. „Wenn Gott will, dass ich gehe, wird er Wege ermöglichen“, sagt sie gut gelaunt und packt ihre Schätze wieder ein.

Von Marilis Kurz-Lunkenbein