Polizeiseelsorgerinnen und -seelsorger in Niedersachsen
Immer ein offenes Ohr
unsplash.com, Leon Seibert
Polizisten erleben im Einsatz immer wieder kritische und auch emotional schwierige Situationen. Wie können Sie als Seelsorger helfen?
Grundsätzlich werden Polizistinnen und Polizisten intensiv auf solche Einsätze vorbereitet. Wir niedersächsischen Seelsorger sind in der Aus- und Fortbildung an der Polizeiakademie mit ihren Standorten Nienburg/ Weser, Oldenburg und Hann. Münden daran mitbeteiligt. Dazu gehört zum Beispiel die Vorbereitung auf den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Die Auseinandersetzung mit den Themen Einsatz- und Traumastress wird durch uns mit begleitet, sowie die ethische und emotionale Vorbereitung auf lebensbedrohliche Einsatzlagen.
Wie verarbeiten die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz erlebte schwierige Situationen?
Vieles, was im Dienst passiert, stecken die Kolleginnen und Kollegen mit ihren persönlichen Verarbeitungsmöglichkeiten weg. Es ist aber gut für sie zu wissen, dass es Unterstützungsmöglichkeiten für sie gibt, wenn sie mit ihren eigenen Ressourcen an Grenzen kommen oder diese überschritten werden. In diesem Netzwerk bieten wir als Polizeiseelsorge ein besonderes Angebot, indem wir durch die seelsorgliche Schweigepflicht und das staatliche Zeugnisverweigerungsrecht einen absolut geschützten Raum bieten. Hier können beispielsweise auch mögliche Fehler offen zugegeben werden. Oft ist es aber eine Mischung aus privaten und dienstlichen Gründen, die zu einem Gespräch mit uns führen. Und natürlich gibt es Einsätze, die alle belasten: Das ist immer der Fall, wenn Kindern etwas passiert. Die Gewalt im familiären Nahfeld sind für den Einsatz- und Streifendienst ein täglich herausforderndes Thema, für den Kriminalermittlungsdienst ist es der gesamte Bereich der Auswertung von kinderpornografischem Material. Hier geht es um Datenmaterial unfassbaren Ausmaßes. Als Polizeiseelsorge bieten wir für dieses besonders beanspruchende Arbeitsfeld eine ein- oder mehrtägige Praxisreflexionsmöglichkeit an.
Gerade auf den Weihnachtsmärkten gibt es nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 eine hohe Polizeipräsenz. Wie gehen Polizisten um mit dem Spagat von weihnachtlicher Stimmung und einer eventuellen terroristischen Gefahr?
Mit ihrer Präsenz vermitteln sie den Besuchern der Weihnachtsmärkte ein Gefühl von Sicherheit. „Du kannst dich hier auf Weihnachten einstimmen, wir passen auf, dass dir nichts passiert.“ Dabei halten sich die Beamtinnen und Beamten bei aller Offensichtlichkeit diskret zurück und beobachten. Aber auch solche Einsätze sind nicht ohne und es kann zu brenzligen Situationen kommen, die auch eskalieren können – besonders wenn Alkohol im Spiel ist.
Wo sehen Sie als Polizeiseelsorger ihren Platz?
Wir sehen uns an der Seite der Polizistinnen und Polizisten. Das gilt auch in besonderem Maße für die Bereitschaftspolizei, die wir – auch Länder übergreifend – bei Großlagen begleiten. Beim G-20 Gipfel in Hamburg, von dem uns die schlimmen Gewaltbilder aus dem Schanzenviertel in Erinnerung geblieben sind, waren wir mit fünfzig Bundes- und Landespolizeiseelsorgenden im Einsatz. Hinzufügen möchte ich noch, dass wir häufiger auch für Beerdigungen angefragt werden, auch im familiären Umfeld der Polizei. Die eine oder andere Taufe oder Trauung gestalte ich als Pastoralreferent
dann gemeinsam mit einem mir gut bekannten Priester oder Diakon.
Wie wichtig ist in der Polizeiseelsorge die ökumenische Zusammenarbeit?
Niedersachsen ist ein Flächenland. Das können wir vier katholischen Polizeiseelsorger in Osnabrück, Oldenburg und Göttingen/Hannover inklusiv unseres Bremer Kollegen aus dem Bistum Osnabrück nur zusammen mit unseren vier evangelischen Kollegen und einer Kollegin bewältigen. Ich empfinde unsere ökumenische Zusammenarbeit als beispielhaft. Wir sprechen uns in der ökumenischen Landeskonferenz ab, verweisen gegenseitig aufeinander, gestalten auch gemeinsam Seminare und vertreten uns im Berufsethischen Unterricht im Krankheitsfall. Neulich sagte eine Polizeianwärterin
muslimischen Glaubens zu mir: „Jetzt weiß ich, wo ich hingehen kann, wenn es einmal klemmt“. Die Rückmeldung hat mich gefreut. Wir sind somit auch interreligiös unterwegs, ohne zu vereinnahmen. Denn wir schauen immer, wo der betroffene Polizist oder die Polizistin die bestmögliche Unterstützung erfährt: bei internen Beratungsangeboten der Polizei, bei uns in der Polizeiseelsorge oder vielleicht auch im Raum einer anderen Religion oder Kultur.