Trauerbegleiter Peter Rörsch hilft Menschen

Immer unterwegs

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Sterbe- und Trauerbegleiter Peter Rörsch
Nachweis

Foto: Michael Rottmann

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Der pensionierte Schulleiter Peter Rörsch aus Vechta ist ausgebildeter Sterbe- und Trauerbegleiter.

Trauerbegleiter Peter Rörsch hilft, wenn ein Todesfall Menschen in Verzweiflung stürzt. Nicht mit schlauen Tipps, sondern als geduldiger Zuhörer. Viel zu Fuß zu gehen, hilft ihm dabei – im Ehrenamt wie privat.

Trauer ist nicht das Problem. Trauer ist die Lösung“, sagt Peter Rörsch. „Trauer ist natürlich! Sowohl biologisch als auch spirituell.“ Diese Sätze sagt er oft, wenn er mit Menschen zu tun hat, die den Verlust eines Verwandten oder Freundes verarbeiten müssen. Er will ihnen deutlich machen: „Das, was du da gerade erlebst, ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist wichtig!“

Seit mehr als zehn Jahren führt der pensionierte Schulleiter als Trauerbegleiter im Hospizverein Damme (Kreis Vechta) Gespräche mit verzweifelten Menschen. Eltern, die ein Kind verloren haben, zum Beispiel, oder Angehörigen von Menschen, die sich das Leben genommen haben. Gut erinnert er sich an Weihnachten vor einigen Jahren. Er war auf einen Bauernhof gerufen worden. Ein Mann hatte sich im Stall erhängt. „Ich habe damals den Bruder begleitet, etwa über ein Vierteljahr.“ 

In solchen Situationen versucht er, den Menschen zu vermitteln: „Du bist mehr als deine Trauer.“ Bei langen Spaziergängen zum Beispiel. Und mit klaren Grenzen. „Ich bin kein Therapeut“, betont Rörsch. „Gefährdete Menschen vermittle ich an Experten.“

Beim Trauergespräch tut gehen gut

Anfragen erreichen ihn über den Dammer Hospizverein, ab und zu über das „Netzwerk Trauer“ der Caritas und auch mal von Angehörigen selbst. Mit etwa 50 Trauernden hatte Peter Rörsch schon zu tun, hat sich mit den Betroffenen über Monate, mit manchen auch über Jahre, getroffen, zuerst meist wöchentlich, dann in immer längeren Abständen. „Bis sie einen Platz für ihre Trauer gefunden haben. An einem Ort, in ihrem Herzen oder ihrem Kopf.“

Immer wieder mal haben ihm Begegnungen das Gefühl gegeben, im richtigen Moment am richtigen Platz gewesen zu sein. Etwa als eine Bekannte anrief: „Ich glaube, meine Nachbarin braucht Hilfe und traut sich nicht zu fragen.“ Tatsächlich war die „in Tränen aufgelöst“, sagt Peter Rörsch. Er sei mit ihnen im Moor spazieren gegangen und konnte spüren, wie sich die Verzweiflung nach und nach etwas löste.

Nebenherzugehen und da zu sein, wenn die Menschen ins Schwanken und Wanken kommen: In dieses Bild bringt der 73-Jährige seine Aufgabe als Begleiter. Er ist einfach da. Aber nicht, um schlaue Tipps zu geben. Sondern, um geduldig zuzuhören. Als Grundhaltung, nicht als Technik. „Das spürt der andere“, ist Peter Rörsch überzeugt. Es sei immer wieder erstaunlich zu erleben, „dass Trauernde unwahrscheinlich viel nachdenken und reden können – wenn ich ihnen geduldig Raum dafür gebe“. Angefangen hat er schon vor der Pensionierung beim Hospizverein Damme mit Sterbebegleitung. „Ich war neugierig auf das Thema“, sagt er. Seine Frau Christel hatte die entsprechende Ausbildung damals schon absolviert. Er selbst schob später die Ausbildung zum Trauerbegleiter nach. „Das Thema hat mich dann irgendwann gepackt. Und auf einmal war ich da drin.“

Ehrenamtlicher Einsatz gehörte für ihn immer dazu. Früher auch im Sport als Leichtathletiktrainer. „Ich glaube, ich war zeitweise sechsmal in der Woche auf dem Sportplatz“, sagt Rörsch und lächelt. „Wenn ich etwas mache, dann mache ich es intensiv.“ Auch in Sachen Spiritualität. So gingen Peter und Christel Rörsch den Jakobsweg, gemeinsam mit allen vier Kindern, jedes Jahr in den Ferien ein Stück, bis nach Santiago de Compostela. Und der Weg geht weiter: Derzeit sind Peter und Christel Rörsch etappenweise unterwegs auf der „Via Tolosana“ von Ost nach West durch Südfrankreich und parallel auf der „Via Jutlandica“ von der dänischen Grenze aus Richtung Süden. „Beim Gehen passiert wahnsinnig viel“, sagt Peter Rörsch und stimmt dem Satz zu, den er irgendwo gelesen hat: „Man kann nicht pilgern, ohne spirituell zu werden.“ 

Eine Erfahrung, die auch in der Trauerverarbeitung helfe. Der Hospizverein Damme, den er bis vor zwei Jahren als Vorsitzender führte, lade deshalb regelmäßig zu Trauergängen ein unter dem  Motto: „Die Trauer unter die Füße nehmen.“ Mit Impulsen zwischendurch. Aber das Entscheidende sei das Gehen.
„In Trauergesprächen gebe ich Menschen das Gefühl: Ich trage das mit Euch“, sagt Peter Rörsch. „Aber wenn ich nach Hause fahre, dann bin ich wieder Peter.“ Wie er das hinbekommt? „Wenn ich das wüsste! Vielleicht, weil ich ziemlich gut abschalten kann, zum Beispiel beim Sport.“

Er will einen kreativen Prozess in Gang setzen

Als Trauerbegleiter macht es ihm Freude, aus den Menschen etwas herauszuholen, „was weder er allein noch ich allein geschafft hätte“.  Und zu erleben, „dass ich Menschen dazu bringen kann, mir – einem bis dahin Unbekannten – zu vertrauen und bei sich einen kreativen Prozess in Gang zu setzen, der ihnen hilft“.

Wenn er so viel übers Trauern weiß – hat er sich schon auf seinen Tod vorbereitet? Einen Plan für seine Beerdigung hat er bisher jedenfalls noch nicht gemacht. „Höchstens, dass ich vor 30 Jahren mal gesagt habe, dass ich bei meiner Beerdigung keine Trauer-, sondern Jazzmusik haben möchte. Aber das war vor 30 Jahren …“

Er ist überzeugt: Richtiges Trauern lässt sich nicht trainieren. Sicher denke er mehr über Tod und Trauer nach als früher. „Aber wenn es mir selbst passiert, dann werde ich – so wie alle anderen auch – versuchen müssen, damit umzugehen.“ Vielleicht helfen ihm dann Gelassenheit und Gottvertrauen, wie er sie im Gedicht „Rezept“ von Mascha Kaléko so treffend in Worte gefasst gefunden hat: „Zerreiß deine Pläne. Sei klug und halte dich an Wunder.“

Buch: Tipps und Anregungen aus der langjährigen Praxis für Menschen und Gruppen, die sich in der Sterbebegleitung und in der Trauerarbeit engagieren.
Peter Rörsch: Resonanz in der Trauerbegleitung. Patmos. 248 Seiten, 28 Euro

 

Michael Rottmann