Die Polizei im NS-Staat
Kein Freund und Helfer
Foto: Petra Diek-Münchow
Das Foto schmerzt. Da treiben im Juli 1935 SA-Männer eine junge Frau mit einem Schmähschild um den Hals durch Norden – weil sie eine Beziehung mit einem jüdischen Mann hat. Viele Menschen stehen bei dieser Demütigung am Straßenrand. Andere laufen mit, klatschen Beifall. Und die Polizei unternimmt nichts, um diesen Prangermarsch zu stoppen – sie bringen Elisa Extra danach in das Konzentrationslager Moringen.
Die Aufnahme gehört zu der Ausstellung „Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat“, die jetzt dauerhaft in der Gedenkstätte Esterwegen im nördlichen Emsland zu sehen ist. Sie resultiert aus einem Projekt der Deutschen Polizeihochschule und des Deutschen Historischen Museums – später erweitert um Ereignisse in Niedersachsen und jetzt im Besonderen um das Emsland. Die Infotafeln ergänzen damit den Gedenkort Esterwegen, der an die Geschichte der 15 Emslandlager und ihre zahlreichen Opfer erinnert.
Bei dem Terror hat die Polizei eine zentrale Rolle gespielt. Das zeigen Schriftstücke, Aktennotizen und Fotos ebenso nachdrücklich wie erschreckend. „Die Polizei war eines der maßgeblichen Machtinstrumente der Nationalsozialisten, um ihre Gewalt- und Vernichtungspolitik durchzusetzen“, sagt Gedenkstätten-Leiter Sebastian Weitkamp. Deutlich wird bei den Exponaten, dass viele Polizisten die Nazi-Ideologie teilten. Sie dulden nicht nur die frühe Demütigung und Verfolgung vermeintlicher und tatsächlicher Gegner des Regimes – sie beteiligen sich von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) über die Kripo bis zur Ordnungspolizei auch aktiv daran. Weitkamp zeigt auf die Tafel, die von der Deportation der jüdischen Einwohner aus Hildesheim berichtet. Und auf eine weitere über den Kommissar, der zuerst in Hannover als Ermittler arbeitet und später bei der Gestapo Menschen foltert und tötet.
Nur wenige Täter müssen sich nach Kriegsende für ihre Verbrechen verantworten
Auch für die Lager ist die Polizei zuständig. „Jeder, der von 1933 bis 1939 hier in die Emslandlager gekommen ist, ist von der Polizei verhaftet und verhört worden“, sagt Weitkamp. Zudem begleiten die Beamten zum Teil die Transporte – und in den Strafgefangenenlagern entscheiden sie, wer in Haft bleibt. Auch, wenn die Strafe verbüßt ist. „Machtmissbrauch und Willkür waren Tür und Tor geöffnet“, erklärt der Historiker. Wie bei Philipp Schreiber, 1940 Gefangener in Börgermoor. Nach der Strafzeit wird er als „asozial und arbeitsscheu“ eingestuft, kommt in „Vorbeugehaft“ und wird dann ohne Urteil oder Rechtsbeistand in ein KZ bei Paderborn transportiert. Dort stirbt er 1942 an den unmenschlichen Haftbedingungen.
Nach Kriegsende müssen sich nur wenige Täter vor Gericht für ihre Verbrechen verantworten. Viele Beamten bleiben im Dienst, können ihre Karrieren fortsetzen, stricken zum Teil mit an der Legende von der „sauberen Polizei“. Auch weil die bundesdeutsche Polizei über Jahrzehnte hinweg kaum Interesse daran hat, sich mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Sebastian Weitkamp begrüßt, dass sich das geändert hat. Seit mehreren Jahren arbeitet die Gedenkstätte mit der Polizei Niedersachsen und der Polizeiakademie zusammen. Im Zuge eines Kooperationsvertrages kommen jedes Jahr bis zu 1000 junge Polizistinnen und Polizisten nach Esterwegen. Gehen durch das Besucherzentrum und über das ehemalige Lagergelände, sitzen in Gesprächsgruppen zusammen. Für Weitkamp ist dieses pädagogische Programm wichtige Demokratiearbeit: mit einem Blick auf die Geschichte und den Lehren daraus.
Die Ausstellung „Die Polizei im NS-Staat“ ist in der Gedenkstätte Esterwegen (Hinterm Busch 1) dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr (ab November bis 17 Uhr) zu sehen. Der Eintritt ist frei.