Chrisammesse am Gedenktag des heiligen Karl Borromäus
Kein Leben ohne Krisen
Bei der Ölmesse kommen Priester und Diakone des Bistums zusammen und erneuern ihre Bereitschaft zum Dienst – so wie am vergangenen Donnerstag. Erzbischof Stefan erinnerte an einen Erneuerer der Kirche im 16. Jahrhundert.
Gewöhnlich wird die Chrisammesse, in der der Bischof das Chrisam und die anderen heiligen Öle für das kommende Jahr weiht, am Montag der Karwoche gefeiert. Wegen Corona wurde der Termin auf den 3. November verschoben. Das war kein Zufallsdatum, der 3. November ist Gedenktag des heiligen Karl Borromäus (1538–1584). Der Italiener war ein bekannter Kirchenreformer nach dem Trienter Konzil. Carlo Borromeo stammte aus einem alten Adelsgeschlecht. Sein Onkel, Papst Pius IV. gab ihm einen einflussreichen Posten an der römischen Kurie. Der Tod seines Bruders aber führte ihn in eine persönliche Krise, worauf er sich zum Priester weihen ließ und sich ganz der Seelsorge im Bistum Mailand widmete. Das war nicht selbstverständlich zu einer Zeit, als kirchliche Posten unter Verwandten und Günstlingen vergeben wurden, die mit Luxus und Annehmlichkeiten verbunden waren.
„Es ist interessant, dass viele Heilige aus der Krise geboren wurden“, sagte Erzbischof Stefan in der Predigt der Chrisammesse. „Die Krise ist wie eine Wunde, eine Kerbe. Sie verändert Menschen.“
Nicht nur erleiden, sondern gestalten
Er selbst habe in den vergangenen sechs Monaten oft über Krisen nachgedacht. „Ein Leben ohne Krisen ist eine Illusion. Heilige haben das erlebt. Im Leben eines jeden, der Christus nachfolgt, gibt es Krisen. Wir glauben an einen, der vor der Krise nicht Halt gemacht hat.“ Das Beispiel des Karl Borromäus zeige aber, dass aus Krisen der Kirche etwas Neues entstehen könne. Erzbischof Stefan: „Die Krise ist nicht nur etwas, das ich erleide, sondern etwas, das ich gestalte.“ Und manchmal führe der Durchgang durch eine Krise zu neuen Einsichten und Verbesserungen, die es sonst nicht gegeben hätte.
So wie im Fall von Karl Borromäus. „Die Mailänder hatten ihren Bischof jahrzehntelang nicht gesehen. Jetzt war er da, er visitiert, er besucht die Gemeinden, er schraubt das Niveau höher. Der Kardinal etwa habe durchgesetzt, dass alle Priester seines Bistums Theologie studieren, er habe Synoden abgehalten und auch um ansteckende Kranke keinen Bogen gemacht. Man nannte ihn den „Engel der Pestkranken“. Im günstigen Fall führe die Krise weiter und bringe für alle einen Gewinn. Alle Christen seien Handelnde, wenn es um die Zukunft des Evangeliums gehe, sagte Erzbischof Stefan. „Wir können in die Zukunft gehen, sie prägen und gestalten. Uns ist die Frohe Botschaft anvertraut. Eine bessere gibt es ja nicht.“
Text: Andreas Hüser