Wort des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf
Keine Angst vor der Zukunft

Ein Jahr ist vergangen seit der Bischofsweihe von Professor Peter Kohlgraf. Im „Wort des Bischofs“ blickt er zurück auf diese bewegte Zeit – und voraus auf das Riesenunternehmen des pastoralen Wegs im Bistum.

Am 27. August konnte ich meinen ersten Bischofsweihetag feiern. Nicht nur ich persönlich schaue auf ein bewegtes Jahr zurück, sondern sicher auch viele Menschen in der Diözese Mainz mit mir. Es gab viele große Momente. Erinnern möchte ich zuerst an die Bischofsweihe selbst, an den Gottesdienst am 3. Oktober 2017, das 1000jährige Jubiläum des Wormser Doms mit vielen Höhepunkten und auch das Orgelkonzert zu vier Händen im Mainzer Dom. Zahlreiche Menschen haben sich mir persönlich vorgestellt, es gab viele Einzelgespräche und Begegnungen. Wichtige Personalentscheidungen sind getroffen worden.

Foto: Bistum Mainz
In dem einen Jahr konnte ich alle 20 Dekanate besuchen und mir ein Bild von der Vielfalt der Menschen und der Themen machen. Diese Begegnungen bilden eine wichtige Grundlage für den pastoralen Weg des Bistums Mainz, den wir in den kommenden Jahren gehen werden. Besondere Freude machten mir die Begegnungen mit jungen Menschen bei der Spendung der Firmung und auf der Ministrantenwallfahrt nach Rom. Die Sendungsfeiern und Weihen waren persönliche Höhepunkte.
Ich möchte nicht versäumen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Haupt- und Ehrenamtlichen ganz herzlich für die ersten gemeinsamen Schritte und ihr Engagement zu danken. Sie werden verstehen, dass ich namentlich nur einen nenne: unseren Weihbischof und Generalvikar, den ich in den anstehenden Fragen wirklich als mein „alter ego“ (das zweite Ich des Bischofs) erlebe, wie man sagt. Diese Zusammenarbeit hat mir vieles erleichtert. Die ersten Erfahrungen in der Deutschen Bischofskonferenz waren „interessant“. Eine emotional angefüllte Zeit waren die Monate der Krankheit unseres geschätzten Kardinals, die Tage seines Sterbens und schließlich die Beisetzung in Mainz. Nach dem einen Jahr fühle ich mich zu Hause in Mainz und freue mich auf viele weitere Wegstrecken.
Es gibt natürlich auch eine andere Seite der Medaille, die ich nicht verschweigen will. Die vorhandene und die kommende Situation in vielen Bereichen macht uns Sorge. Einen pastoralen Weg in einer Diözese zu beginnen, ist ein Riesenunternehmen. Ich spüre die Verantwortung, manchmal auch den Druck, dass jetzt etwas passieren muss.
Im ersten Jahr haben wir in einigen Fragen „Kassensturz“ gemacht und eine nicht rosige Situation erlebt. Die finanzielle Situation bringt uns dazu, klare Schwerpunkte setzen zu müssen. Viele Forderungen erreichen uns, die wir nicht erfüllen können.
Die Zahl der Priester und anderer Hauptamtlicher beginnt bereits jetzt, Probleme zu bereiten. Wenn irgendwo ein Pfarrer geht, kann eine nicht mehr zu füllende Lücke entstehen. Im Jahr 2030 werden wir noch ein Drittel der jetzigen Priester haben. Auch die Zahl der Gläubigen und der Aktiven geht zurück und wird weiter abnehmen.
Insgesamt wird die Gesellschaft in den nächsten Jahren älter, und es bleibt die Aufgabe, junge Menschen ins Gespräch zu bringen. Manche Immobilie heißt zu Recht so („immobil“ = unbeweglich).
Wir werden den Gläubigen nicht ersparen können, sich der vielfältigen Realität zu stellen. Auch in der Kirche gibt es wie in anderen Bereichen die Versuchung, nicht wahrnehmen zu wollen oder nur das eigene Interesse zu pflegen. Das werden wir uns nicht leisten können. Und wir werden noch stärker um die Frage ringen müssen, welchen Auftrag die Kirche heute hat.
Ich wiederhole hier gerne einen Gedanken, den ich immer wieder gesagt habe. Genau in diese Zeit mit diesen Herausforderungen hat uns Gott gemeinsam hineingestellt, es ist seine Zeit und wir bleiben seine Kirche. Deswegen habe ich keine Angst vor dem, was kommt. Die Gestalt der Kirche ändert sich, Christus aber bleibt. Ihn dürfen wir verkünden und bezeugen. Ich lade alle ein, sich an diesem großen Auftrag zu beteiligen.
Bischof Peter Kohlgraf