Leipziger Stadtsynode vor Zieleinfahrt

Kirche für die Stadt

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Die Leipziger Stadtsynode ist ins Ziel eingelaufen. Sie will Kirche über die Pfarreigrenzen hinaus in der Stadtgesellschaft verorten und hat sich als geistlicher Prozess mit räumlich abgestecktem Rahmen bewährt.


Die Delegierten stimmen über die Texte der einzelnen Arbeitsgruppen der Stadtsynode ab.   Fotos: Vinzent Antal

„Ite, missa est“, das ist für Propst Gregor Giele auch ein passender Satz am Ende der Leipziger Stadtsynode. „‚Gehet hin, ihr seid gesendet!‘ Das heißt für Christen in Leipzig: Wir sind nicht zufällig hier, Gott hat uns mit einem Auftrag in diese Stadt gestellt. Bei der Stadtsynode ging es um die Stärkung des Bewusstseins, dass wir nach den Pfarreineugründungen im Rahmen des Strukturprozesses den Blick wieder über unsere binnenkirchlichen Themen hinaus auf unsere Stadt richten“, so der Impulsgeber für den geistlichen Prozess. Darin sieht er auch den zentralen Unterschied zum Synodalen Weg. Dabei fußt die erste Stadtsynode in den ostdeutschen Bistümern auf einer guten synodalen Tradition im Bistum Dresden-Meißen und wurde gestützt durch den Gedanken der Weltsynode, der während des geistlichen Prozesses in Leipzig groß geworden ist.

123 Messestädter hatten sich 2021 aufgemacht, ihren Blick zu weiten: Sie wurden aus ihren Gemeinden und kirchlichen Orten berufen, nach der Aufgabe der katholischen Kirche in und für ihre Stadt zu fragen. Am Ende waren noch 82 Delegierte zur finalen Abstimmung der Beschlussvorlagen dabei. „Leipzig ist eine bewegte Stadt. Einige ziehen weg, andere wenden sich ab und wieder andere waren nach der Rückkehr in die postpandemische Normalität wieder stärker andernorts eingebunden“, benennt Propst Giele einige der Gründe für den Delegiertenschwund.

Wunsch nach Vernetzung als roter Faden

In sechs Arbeitsgruppen rangen die Synodalen um den Willen Gottes für ihre Stadt. Dabei nahmen sie etwa Menschen in sozialen Schwierigkeiten, Einsame und Jugendliche ebenso wie die Bewahrung der Schöpfung oder Zugezogene in der stark wachsenden Messestadt als zentrale Themen wahr. Außerdem gab es den Wunsch, Begegnungsräume zu schaffen und sich als Christen stärker in die politische und soziale Zukunft der Stadtgesellschaft einzubringen.

Wie ein roter Faden zieht sich der Wunsch nach Vernetzung durch die Gespräche und Beschlussvorlagen. „Unser Zusammenkommen hat für die Delegierten zutage gebracht, dass in den Gemeinden deutlich mehr geschieht, als viele dachten“, bilanziert Giele. Der Austausch habe gezeigt: Man fange nicht bei null an und könne sich bestehenden Initiativen anschließen.

Das hat sich beispielsweise beim Thema Umweltschutz bewahrheitet: „Wir haben im Rahmen der Stadtsynode wichtige Schritte auf die Stadt zu gemacht. Dabei sind wir im Austausch mit verschiedenen Initiativen und engagieren uns etwa im ‚Forum Nachhaltiges Leipzig‘“, so Arbeitsgruppenleiter Christian Wilhelm. Außerdem regt die Gruppe die Definition von Umweltleitlinien auf Pfarreiebene oder thematische Gottesdienste an. „Hier kamen Menschen zusammen, die für die gleiche Sache brennen. Das setzt viel in Bewegung“, fasst Wilhelm das Arbeitsklima zusammen. Kritisch sieht er, dass die beschlossenen Dokumente der Stadtsynode in erster Linie binnenkirchlich orientiert und daher an Pfarreien adressiert sind. Damit sei seine Hoffnung, Kirche in die Stadtgesellschaft hinein zu öffnen, nicht erfüllt worden.

Die Kerze der Stadtsynode brannte bei jeder Vollversammlung.

Möglichkeiten zur Begegnung schaffen

Methodische Schwächen erkennt auch Michael Funke. Er brachte sich in der Arbeitsgruppe „Kirche in einer wachsenden Stadt“ ein und sieht dabei vor allem die zunehmende Vereinzelung als Ansatzpunkt für christliches Engagement. „Die Gefahr der Sy- node ist, dass es um theologische Detailfragen und weniger um konkretes Tun geht“, sagt er. Mit der Hoffnung, konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, hatte er an der Stadtsynode teilgenommen. „Gemeinden sollten sich vor allem dafür einsetzen, dass es nach dem Gottesdienst Möglichkeiten zur Begegnung gibt.“ Für ihn erweist sich Kirche im Tun, da, wo Gemeinden sich ins Leben einmischen. Einen Grund für den binnenkirchlichen Blick sieht er historisch verankert: In der ehemaligen DDR durfte Kirche nicht öffentlich wirksam werden.

In die Stadt geöffnet hat sich die Synode mit Blick auf erste Ergebnisse des geistlichen Prozesses etwa bei thematischen Diskussionsabenden unter dem Titel „Forum Stadtsynode“ und bei den Angeboten der „Offenen Kirche“ im Advent und in der Fastenzeit.

Regina Nothelle engagierte sich in der Gruppe, welche die Gebetszeit auf den Weg brachte und zieht ein positives Fazit zur Stadtsynode: „Es ist gelungen, Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen und geistlichen Ausrichtungen miteinander in den Austausch zu bringen. Das hat für mich viel mit dem Synodenprozess zu tun, in dem immer wieder das Wehen des Heiligen Geistes in den Fokus der Wahrnehmung gerückt wurde.“ Ihr sei die abschließende Erklärung zur Situation der Kirche wichtig gewesen, damit sie als mehr wahrgenommen werde, als als Organisation von Missbrauchstätern.

Beim letzten Treffen stimmten die Delegierten über die Ergebnistexte ab. Dabei wurde der Großteil der Dokumente angenommen. Die Erklärung zur Situation der Kirche sowie das Dokument mit dem Blick auf die Jugend erhielten das nötige Votum von 75 Prozent nicht.

Hochgekrempelte Ärmel für die Stadtgesellschaft

Die Stelle des Dekanatsjugendreferenten war in Leipzig lange Zeit unbesetzt – vielleicht ein Grund für die wahrnehmbare Sprachloslosigkeit, die schließlich in der Auflösung der Arbeitsgruppe zutage trat. „Mit Stefan Plattner bekommen wir ab Juni einen neuen Partner für unsere Jugendarbeit. Das Dokument ist eine gute Arbeitsgrundlage, auf der wir dann aufbauen können“, kündigt Propst Giele an. Auch um die gemeinsame Erklärung will man weiter ringen.

Die Stadtsynode, die vom Bonifatiuswerk mitgetragen wurde, war für ihn ein spannendes Lernfeld mit Ecken und Kanten, die sich vor allem da anbietet, wo ein gemeinsamer Identifikationsraum den Rahmen für die geistlichen Gespräche Vorort absteckt. Mit hochgekrempelten Ärmeln gehe es für die Delegierten nun im Sinne des „Ite, missa est!“ zurück in die Pfarreien und kirchlichen Orte und vor allem zu den Nachbarn raus in die Stadtgesellschaft.

Von Silvia Funke