Impuls zum Fest Verklärung des Herrn

Klar oder verklärt?

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Mit einem Abzieher wird ein feuchtes Fenster gereinigt
Nachweis

Foto: imago/Pond5

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Fensterputzen sorgt dafür, dass man alles glasklar so sieht, wie es wirklich ist.

An diesem Sonntag feiern wir das Fest Verklärung des Herrn. Aber was bedeutet Verklärung? Wollen Sie gerne verklärt werden? Verklären Sie jemanden? Oder kann es sein, dass die deutsche Sprache uns ein bisschen aufs Glatteis führt?

Verklärung ist im Deutschen kein besonders positiver Begriff. Wenn jemand etwas oder jemanden verklärt, dann ist meist das Gegenteil von Klarheit gemeint. Dann wird jemand oder etwas idealisiert, beschönigt, besser dargestellt, als es der Realität entspricht. Und auch das sprichwörtlich „verklärte Lächeln“, ein nahezu glückseliger Zustand, rückt leicht in die Nähe von Unvernunft und Überschwang der Gefühle. Ist die Vorsilbe „Ver-“ nicht eher gegenteilig gemeint? Laufen – verlaufen; klären – verklären?

Tatsächlich ist es ja auch in der Bibel ein wenig so. Petrus, Jakobus und Johannes sind als einzige auserwählt, um mit Jesus einen Tag auf dem Berg zu verbringen. Da sind sie sicher schon gut gelaunt losgezogen ob dieser Auszeichnung. 

Und dann passiert auf diesem Berg etwas Seltsames, Wunderbares – die drei sehen ihren Meister noch einmal mit leuchtenderen Augen als ohnehin schon. So geflasht ist Petrus, dass er gleich Hütten bauen will. Von Überschwang der Gefühle kann man wohl sprechen. Verklärt er die Situation vielleicht etwas?

Gemeint ist aber natürlich etwas anderes. Gemeint ist Klarheit über Jesus. Der zweite Petrusbrief – der nicht von Petrus, aber sozusagen in seinem Namen geschrieben wurde – formuliert es sehr deutlich: Wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten über Jesus gefolgt, sondern wir sind Augenzeugen. „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren“, heißt es dort. Also: Wir waren da und haben Klarheit darüber gewonnen, wer dieser Jesus, dem wir seit einiger Zeit hinterherlaufen, tatsächlich ist. 

Diese Klarheit kommt aber erst im Nachhinein. Erst mal, so erzählt es Matthäus, waren Petrus, Jakobus und Johannes verwirrt. Und hatten Angst. Weshalb ihnen Jesus auf dem Rückweg verbot, über ihre Erlebnisse zu sprechen, „bis der Menschensohn von den Toten auferweckt ist“. Weil sie dann erst verstehen würden. Und die anderen Menschen auch.

Vorwärts leben, rückwärts verstehen

Übersetzt man diese Erlebnisse in unser Leben, fällt manches auf. Zum Beispiel, dass es Momente gibt, in denen wir Erfahrungen machen, nach denen wir die Welt oder einen bestimmten Menschen mit anderen Augen sehen. Diese Erfahrungen können das Leben verändern.

Aus der Geschichte können wir aber auch lernen, dass es tatsächlich nicht immer hilfreich ist, über Erlebnisse, von denen man selbst so tief beeindruckt ist, dass man sie geradezu verklärt, gleich zu reden. Auch weil andere sie vermutlich schnell zerreden würden: Kann nicht sein! Das bildest du dir ein! Komm mal runter! 

Deshalb hat drittens Jesus recht, wenn er den Jüngern rät, erst mal Abstand zu gewinnen. Durchblick in einer schwierigen Frage bekommt man ja tatsächlich meist eher durch einen klaren Kopf als durch einen hohen Puls. Was das wunderbare Erlebnis nicht abwerten will. Aber Abstand hilft beim Einordnen.

Das gilt für schöne wie für schlimme Ereignisse. Es gilt etwa für erste Verliebtheit, die dafür sorgen kann, dunkle Wolken am Horizont lange zu ignorieren. Es gilt aber umgekehrt auch beispielsweise für eine üble Diagnose: Der erste Schock kann verhindern, Hoffnungsstrahlen überhaupt wahrzunehmen. Erst mit der Zeit, mit einem gewissen emotionalen Abstand gewinnt man einen realistischen Blick und klare Perspektiven.

Der dänische Philosoph und Theologe Søren Kierkegaard (1813-1855) sagt: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ Das meint er zunächst ganz irdisch, wie ja auch Petrus, Jakobus und Johannes erst nach Ostern richtig verstanden haben, was Monate zuvor auf dem Berg geschehen ist. Aber vielleicht geht es ja auch über das Erdenleben hinaus.

Denn es gibt da noch einen anderen ganz interessanten Aspekt: Bekanntlich hat die Bibel ja viele kulturelle Bezüge zum übrigen Alten Orient. Spannend ist nun, dass es auch bei den Ägyptern den Begriff der Verklärung gab. In ihrer Kultur stammt das Wort aus der Totenliturgie und beschreibt die Seelenumwandlung eines Toten, die nötig ist, um in das Jenseits übergehen zu können.
Verklärter Leib – schon mal gehört, oder? Hat auch im Christentum etwas mit dem Tod zu tun und dem Übergang ins ewige Leben. Kann es sein, dass sich bei diesem Übergang einiges klärt? Dass uns selbst klar wird, was richtig und was falsch war in unserem Leben? Ein schönes Bild, finde ich, diese Seelenumwandlung, der Moment, wenn sich das Durcheinander des Lebens ordnet, wenn die eigene Seele Klarheit gewinnt über alles, was wir getan und unterlassen haben.

Gute Aussichten für die Zukunft

Was uns aber nicht beunruhigen muss. Denn was geschieht eigentlich bei der Verklärung Jesu? Sein Gesicht leuchtet wie die Sonne, seine Kleider sind weiß wie Licht und er begegnet längst verstorbenen Propheten, so erzählt es Matthäus. Und das Wichtigste: die Stimme Gottes, die sagt „Du bist mein geliebter Sohn“.

Und das sind doch gute Aussichten für unsere eigene Verklärung. Dass sich nicht nur buchstäblich alles klärt, sondern dass uns trotz aller Fehlbarkeit und Schuld am Ende die Stimme Gottes entgegenschallt: Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.
So ist die biblische Geschichte von der Verklärung Jesu mehr als eine der vielen wunderlichen Erzählungen, die wir teils staunend, teils skeptisch, teils einfach routiniert im Gottesdienst entgegennehmen. Es ist eine Erfahrung, die wir hier und jetzt teilen, und eine Hoffnung, auf die wir setzen können

Susanne Haverkamp