Berliner Diözesanratsvorsitzende spricht über Katholikentag 2022

Leben teilen, nicht nur virtuell

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Am 25. Mai beginnt der Katholikentag in Stuttgart. Die Vorsitzende des Berliner Diözesanrats, Karlies Abmeier, sagt im Tag des Herrn-Interview, was sie sich von diesem Ereignis erwartet.

Echte Begegnungen mit vielen Menschen – das wird in Stuttgart nach langer Zeit wieder möglich sein – wenn auch wohl mit etwas größerem Abstand.    Foto: Katholikentag

 

Viele Christen schwanken gegenwärtig noch zwischen Sorge im Blick auf die anhaltende Pandemie und Sehnsucht nach echten Begegnungen. Sie werben dafür, zum Katholikentag nach Stuttgart zu fahren. Was sagen Sie denen, die noch unentschlossen sind?

Es ist einfach schön, sich nach der langen Zeit der Pandemie wieder persönlich zu treffen, mit anderen den Glauben zu feiern, zu diskutieren und das Kulturprogramm zu genießen – alles natürlich mit gebotenem Abstand und Hygienemaßnahmen. Ich freue mich auf die großen Open-Air-Gottesdienste und -Konzerte. Das Bild des Gottesdienstes auf dem vollen Leipziger Augustusplatz beim Katholikentag 2016 habe ich noch immer vor Augen. Solche Erlebnisse tun gerade uns Diaspora-Katholiken gut.

In Leipzig wurde der Diaspora-Standort auch als Chance auf einen Perspektivwechsel gesehen. Anstatt den Zeiten größerer Teilnehmerzahlen nachzutrauern, wollte man die katholische Identität verstärkt im Dialog mit anderen prägenden Kräften der Gesellschaft suchen. War bei den Vorbereitungen auf Stuttgart davon etwas zu spüren?

Diese Offenheit für andere kommt schon im Leitwort des Katholikentags zum Ausdruck: Leben teilen. Es geht darum, Erfahrungen zu teilen Was hat uns durch die Pandemie getragen? Wie kinder- und enkeltauglich ist unser Lebensstil? Was sind wir bereit, in Kauf zu nehmen, um Frieden und Freiheit in der Ukraine zu verteidigen? All diese und weitere Fragen werden wir in unterschiedlichen Formaten teilen. Aber wir werden uns auch durch kulturelle Angebote inspirieren lassen. Gespannt bin ich auf die Ausstellung im Diözesanmuseum, in der es um die Verletzlichkeit des Menschen geht und um die Stärke, die zuweilen in unserer Schwäche liegen kann. Das kann man auch auf unsere Relevanz als Christen für die Gesellschaft beziehen. Thomas Sternberg, der frühere Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, hat immer gesagt: „An den Zahlen kann es nicht hängen.“

Mit welchen Neuerungen können erfahrene Katholikentagsbesucher in diesem Jahr rechnen?

Das frühere, viele hundert Seiten starke Programmheft ist auf 80 Seiten geschrumpft. Es verweist auf eine App, die es erheblich erleichtert, sich im Veranstaltungsprogramm zu orientieren. Ich habe sie bereits auf meinem Handy installiert und dort begonnen, mein persönliches Katholikentagsprogramm zusammenzustellen.
Hilfreich finde ich besonders das Ampelsystem: Wenn eine Veranstaltung, die ich besuchen möchte, überfüllt ist, bekomme ich das angezeigt, mit dem Hinweis auf mögliche Alternativveranstaltungen in der Nähe meines jeweiligen Standorts. Neu ist auch, dass es bei den „Lebenswelten“ (früher Zentren) eine eigene für junge Erwachsene gibt, die im Gemeindeleben oftmals zu kurz kommen. Zur Lebenswelt „Frauen, Männer, Partnerschaft“ gehört auch   ein Zentrum „Regenbogen“. Geplant ist zudem eine „Gaming lounge“ für Jugendliche.

Vor einem Jahr musste der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt mit weniger Veranstaltungen ins Digitale verlegt werden. Auch das von Ihnen mit vorbereitete Podium wurde abgesagt. Trotzdem wirken Sie jetzt ganz zuversichtlich und unternehmungslustig ...

Niemand konnte etwas dafür, dass der Ökumenische Kirchentag nicht wie geplant stattfinden konnte. Das war hinzunehmen. Schließlich darf die Gesundheit so vieler nicht gefährdet werden. Bei anderen Dingen, die nicht gut laufen, fällt es mir schwerer, das zu akzeptieren. Da braucht es zuweilen einen langen Atem. Zunehmend scheint mir, dass man manches einfach ausprobieren sollte, auch wenn es kirchenrechtlich noch nicht zu hundert Prozent gedeckt sein mag. Als vor kurzem aus dem Vatikan die Nachricht kam, dass Frauen und Mädchen fortan als Ministrantinnen und Lektorinnen zum Einsatz kommen dürfen, hat mich das verwundert, zugleich aber in der Haltung bestärkt, weiteres auszuprobieren, im Vertrauen darauf, dass es irgendwann auch von Rom bestätigt wird. Das spricht etwa für Predigten von entsprechend ausgebildeten Frauen in Gottesdiensten.
Katholikentage sind auch ein Ort, Neues zu erproben. In Stuttgart werden wir uns sicher auch von den Experimenten der Co- ronazeit erzählen, und in Erfurt wird es 2024 wieder neue Herausforderungen geben. Doch jetzt erst einmal: Auf nach Stuttgart!

Interview: Dorothee Wanzek