Weihnachten in der Corona-Pandemie
Liebe heißt jetzt Verzicht
Wir alle tragen an diesem corona-geprägten Weihnachten Verantwortung. Wenn viele ausreizen, was gesetzlich erlaubt ist, kann es zu einer Katastrophe kommen. Jeder muss helfen, sie zu verhindern. Die Feiertage können trotzdem schön werden.
Von Ulrich Waschki
Wir hatten auf ein fast normales Weihnachtsfest gehofft – als Lohn für den Lockdown light. Doch daraus wird nichts. Wenn wir nicht aufpassen, gerät die Pandemie außer Kontrolle. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und andere Politiker haben Recht, wenn sie daran erinnern, dass es für die Corona-Toten überhaupt kein Weihnachten mehr gibt.
Für viele Menschen scheint Corona nach wie vor eine abstrakte Bedrohung zu sein. Dabei geht es um Leben und Tod. Umso erstaunlicher ist es, wie sehr das Weihnachtsfest überfrachtet wird. Natürlich ist es schön, wenn sich die Familie trifft, zusammen singt und isst. Aber Weihnachten als Familienfest ist gleichzeitig eine romantische Überhöhung. Nicht nur im Corona-Jahr. Wie viele Menschen sind auch ohne Corona zu Weihnachten einsam?
In diesem Jahr muss alles eine Nummer kleiner sein. Das ist kein Weltuntergang. Natürlich soll man etwa als Familie – wie in den Jahren vor und nach Corona aber auch – dafür sorgen, dass an so emotional aufgeladenen Tagen Menschen nicht alleingelassen werden. Das geben die strengeren Regeln her. Das große Familien- oder Freundestreffen sollte aber auf den Sommer verschoben werden. Man kann ja auch im kleineren Kreis die Weihnachtstage besonders gestalten und sie nicht einfach wie ein langes Wochenende verstreichen lassen. Eine Hilfe sind die Entwürfe für Hausgottesdienste, etwa im Gotteslob und in dieser Zeitung.
Die Feiertage werden viel ruhiger, als den meisten lieb ist. Das ist der Preis, den wir zahlen müssen, um Menschenleben zu retten. Dazu gehört auch, darauf zu verzichten, den gesetzlichen Rahmen von Personen- und Haushaltszahlen auszuschöpfen. Die Regeln lassen theoretisch zu, sich an jedem Tag mit anderen Mitgliedern der Familie zu treffen. Doch genau das wäre falsch.
Hören wir auf die Experten, werden die Grenzen klar
Wir alle haben eine Verantwortung für die Menschen, mit denen wir uns treffen. Schon lange raten die Experten, dass man sich in der Pandemie so verhalten solle, als wäre man infiziert. Wenn man diesen Gedanken beherzigt, werden die Grenzen klar.
Wir alle tragen aber auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wenn viele die Regeln ausreizen, kommt es zu einer Katastrophe. Krankenhäuser werden überfordert, Menschen können nicht mehr richtig behandelt werden. Pflegepersonal und Ärzte stehen vor traumatisierenden Entscheidungen. Und der Lockdown würde verlängert. Kinder aus gewalttätigen Elternhäusern würden noch länger dem Horror im eigenen Heim ausgesetzt, kranke und alte Menschen in Pflegeeinrichtungen noch länger und stärker isoliert. Von den wirtschaftlichen Folgen ganz zu schweigen.
Weihnachten ist das Fest der Liebe. Liebe beweist man auch manchmal damit, dass man verzichtet.