Marx: Musste das sein?
Was fängt man nach dem Ende des DDR-Regimes mit einem Karl-Marx-Denkmal an, das einst mitten im Zentrum der Stadt stand? Das ist keine einfache Frage, wie es sich in Neubrandenburg zeigte.
Etwa 17 Jahre wurde in der ehemaligen DDR-Bezirksstadt über den Umgang mit dem 2,20 Meter hohen Bronze-Kunstwerk gestritten. Dabei brachten sich auch die Christen in die Debatte ein. Die jetzt gefundene Lösung ist akzeptabel“, sagte der Vorsitzende des Neubrandenburger Dreikönigsvereins Rainer Prachtl der Neuen Kirchenzeitung. Das Marx-Denkmal steht nicht mehr im Zentrum, sondern am Schwanenteich. Das ist ein kleiner Park, dicht am dreispurigen Friedrich-Engels-Ring. „Der Engels-Ring liegt inhaltlich am nächsten zu Marx“, hatte der parteilose Oberbürgermeister Silvio Witt die Standortwahl am Ende begründet – auch wenn Witt und Prachtl eine andere, eine schwebende Lösung favorisiert hatten.
Der junge Witt hatte vorgeschlagen, das mehr als eine Tonne schwere Denkmal „waagerecht schwebend“ im Zentrum aufzustellen. Die Lokalzeitung schrieb, „Marx solle flachgelegt werden.“ Es gab Proteste, vor allem von Linken. Die Variante hätte auch überregional für Debatten gesorgt, wie allein die Veröffentlichung des Vorschlages zeigte. Sogar das „Zeitmagazin“ berichtete.
Der Hintergrund: Das Auftragswerk des Berliner Bildhauers Gerhard Thieme (1928–2018) stand von 1969 bis nach 1990 auf dem Marktplatz, dem damaligen Karl-Marx-Platz. Nach kurzer Versetzung musste das DDR-Denkmal 2001 aus Standsicherheitsgründen eingelagert werden.
„Ich achte Marx als Wissenschaftler und Philosophen“, sagte Prachtl. Doch wenn man bedenkt, wie seine Lehre in DDR missbraucht worden sei, falle es schwer, überhaupt so ein Denkmal zu akzeptieren. Eine „schwebende Lösung“ hätte diesen Missbrauch gut darstellen können.
Doch nun steht das Denkmal wieder und schaut in Richtung Osten, nur wenige Hundert Meter von der katholischen Kirche entfernt. Links von Marx aus, steht eine Werbetafel, im Hintergrund kann man eine Kirchturmspitze erkennen. Es ist die Konzertkirche, früher St. Marienkirche, die schon der Maler Caspar David Friedrich gemalt hatte.
Text u. Foto: Winfried Wagner