Der Märtyrer im Zentrum der Verkündigung

Mein Stephanus

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Am zweiten Weihnachtstag geht der heilige Stephanus oft unter: zu viel Krippe, um an Märtyrer zu denken. An diesem Sonntag steht er ausnahmsweise mitten im Jahr im Zentrum der Verkündigung. Eine Gelegenheit, um vier Stephans und Stefanies zu fragen, was ihnen ihr Namenspatron bedeutet.

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Der heilige Stephanus mit Buch und Steinen: Schnitzerei
des Meister der Altöttinger Türen, um 1525.
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Durchhalten, nicht aufgeben

Stefanie Müllenborn von den Franziskanerinnen Salzkotten hieß früher Anna-Maria. „Als ich in den Orden eintrat, konnte man seinen Namen noch nicht behalten oder einen Namen auswählen“, sagt sie. „Ich habe ihn am Tag meiner Einkleidung bekommen.“ Kurz zuvor war ihr Neffe auf die Welt gekommen. „Ich habe allen davon erzählt, dass er Stephan heißt und dass das ein schöner Name ist“, sagt sie. „Als ich dann bei der Einkleidungsfeier den Namen Stefanie bekommen habe, war ich ganz glücklich.“
Zu ihrem Namenspatron hat Schwester Stefanie seitdem eine enge Beziehung. „Stephanus zeigt mir, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus Konsequenzen hat“, sagt sie. „Stephanus schickt uns schon an Weihnachten aus der Idylle zurück in den Alltag, in die Realität.“ Eine kleine Krippe auf ihrem Schreibtisch erinnert sie das ganze Jahr über daran.
Seit vielen Jahren kümmert sich Schwester Stefanie im westfälischen Herten um Flüchtlinge. „Wenn es richtig schwierig wird, wenn ich nicht weiterweiß, dann bekomme ich manchmal mehr Kraft als vorher.“ Der Gedanke an Stephanus motiviere sie, durchzuhalten, nicht aufzugeben, noch einen Brief zu schreiben, noch einen Antrag zu stellen, noch einen Unterstützer zu suchen. Manchmal mit Erfolg. Manchmal vergebens. Aber auch daran erinnert die Person des Stephanus: dass irdischer Erfolg nicht alles ist. (kamp)


Hoffen, wenn Steine fliegen

„Den Himmel offen sehen, wenn die Steine fliegen“ – das ist für Stephan Wahl (58) die Kurzformel für seinen Namenspatron. Der Priester und Buchautor, der unter anderem durch das „Wort zum Sonntag“ im Ersten bundesweit bekannt wurde, leitet heute in Jerusalem das Paulushaus des Deutschen Vereins vom Heiligen Land – nur einige hundert Meter von dem Ort, an dem Stephanus gesteinigt wurde. „Gebildet, redegewandt, ohne Scheu vor Konflikten“ sei Stephanus gewesen: ein Vorbild. Wenn die sprichwörtlichen Steine fliegen – mit den großen Schicksalsschlägen und auch die „Steinsplitter des Alltags“, wie er sie nennt: „die kleinen, spitzen, scharfkantigen Steinchen, gezielte Worte, Verachtung, süffisante Ironie, Geschwätz“. Dann „von der Hoffnung reden, die all unser Begreifen übersteigt – mit Selbstbewusstsein, Mut und Widerspruch, mit eigenen Schwächen und mit Lebenslust. Mit beiden Füßen auf dem Boden und dem Vertrauen auf die Kraft von oben, die den Rücken stärkt“. Das ist für Wahl aus eigener Erfahrung „den Himmel offen sehen, wenn die Steine fliegen: nicht nur dann, aber dann auch noch.“
(mk)


Mutig sein und vergeben

Stefanie Wahl (35) – nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem nebenstehenden Stephan Wahl – ist seit Oktober 2018 Bundesvorsitzende der internationalen katholischen Friedensbewegung „Pax Christi“. Ihrem Namenspatron Stephanus hat sie sich immer verbunden gefühlt. „Es hat mir immer gefallen, am 2. Weihnachtstag seine Geschichte in der Kirche zu hören. Ich fand es beeindruckend, wie mutig er war.“ Für seine Überzeugungen einzustehen, darin sei er für sie als „politisch engagiertem Menschen“ ein Vorbild. „Wenn wir von Pax Christi für Abrüstung eintreten oder gegen Waffenexporte, dann gefällt das auch nicht jedem. Mir hilft es dann, Stephanus vor Augen zu haben, um aus dem Glauben heraus standhaft zu bleiben.“
Und noch eine Eigenschaft findet sie an Stephanus bleibend aktuell. „Als er gesteinigt wurde, hat er für seine Mörder gebetet. Er hat nicht Hass mit Hass beantwortet.“ Das sei gerade heute wichtig, wo sich viele kleine und große Konfliktparteien hasserfüllt begegnen. „Menschen, die mir Unrecht tun, vergeben zu können, das ist ein zentraler Punkt in der christlichen Friedensarbeit“, sagt Stefanie Wahl. „Und da können wir uns gut an Stephanus orientieren.“ (kamp)


Die Sprache der Liebe sprechen

Der heilige Stephanus, sagt der Hamburger Erzbischof Stefan Heße (52), hat viele Seiten, die ihm persönlich etwas bedeuten. Er habe bewusst einen Satz von Stephanus als Primizspruch gewählt. „Er lautet: ‚Herr, auf dich vertraue ich. In deine Hände lege ich mein Leben.‘ Ich dachte mir: Etwas Besseres kann es gar nicht geben.“

Als Erstes, sagt Heße, denkt man bei Stephanus an sein Martyrium. „Im Tod sieht er den Himmel offen. Das zeigt mir, dass wir eine Perspektive haben, dass wir auf große Ziele zugehen.“ Doch es gibt noch mehr, was er an seinem Namenspatron schätzt. „In den Werktagsmessen wurde jetzt die gesamte Predigt des Stephanus gelesen. Die ist wirklich bemerkenswert.“ Ein wortgewaltiger Prediger muss er gewesen sein. „An einer Stelle heißt es, er habe dabei ‚ein Gesicht wie das eines Engels‘ gehabt. Das heißt doch: Er hat so verkündigt, dass Gott durch ihn durchscheint.“ Genau das sei auch die Herausforderung für ihn als Prediger. Nicht nur „große und schöne Worte machen“, sondern wie Stephanus „so predigen, dass ein anderer durchscheint“.

Und noch etwas ist wichtig. „Stephanus war einer der ersten Diakone der Kirche, das vergisst man leicht.“ Dabei sei das Diakonische genau das, was heute zählt. „Unsere Glaubenssätze muss man übersetzen, die Sprache der Liebe versteht jeder.“ Deshalb ist Heße froh, dass ihm in der Bischofskonferenz die Aufgabe des Flüchtlingsbischofs „zugefallen“ sei, wie er sagt. Denn auch als Erzbischof bleibe er Diakon. „Das Feld der Diakonie ist riesig“, sagt Stefan Heße. Jeder müsse für sich selbst die Frage beantworten, wo und wer sein Nächster ist. „Und bei mir sind es jetzt eben besonders die Menschen, die flüchten müssen.“ (kamp)