Bahnhofsmission Leipzig kümmert sich auch um Ukrainische Flüchtlinge.

Mit Herzblut und Liebe

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Das Team der Ökumenischen Bahnhofsmission kümmert sich am Leipziger Hauptbahnhof auch um ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine. Dabei kommt es oft auf Spontaneität und Improvisationstalent an.


Marius Ciobanu (rechts) im Zelt der Johanniter, der zentralen ersten Anlaufstelle für die Ukrainehilfe am Leipziger Bahnhof.    Foto: Silvia Funke


Seit Februar hat die Leipziger Bahnhofsmission mit Sophie Wischnewski eine neue Leiterin: „Die ersten vier Wochen waren prima. Ich habe gemerkt, dass ich ein tolles Team habe und konnte mich auf die Einarbeitung konzentrieren. Dann ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen.“ Bereits in den ersten Kriegstagen begann der Verein „Leipzig helps Ukraine“ (Leipzig hilft der Ukraine) am Hauptbahnhof, ein Netzwerk für die erwarteten Flüchtlinge zu spannen und nahm dabei auch Kontakt zur Ökumenischen Bahnhofsmission auf. Zwei Tage später, an einem Freitagnachmittag, kündigte die Deutsche Bahn die ersten Busse mit Geflüchteten für den kommenden Tag an.
Jetzt musste es schnell gehen, so dass die Hilfe trotz des bevorstehenden Wochenendes, an denen die Bahnhofsmission für gewöhnlich geschlossen hat, schnell anlaufen konnte. Sophie Wischnewski setzte sich telefonisch mit dem Verein in Verbindung und gleich am Montagmorgen bot sie am bereits stehenden Hilfszelt weitere Unterstützung an: „Sie sollten sich sofort melden, wenn personelle Unterstützung gebraucht würde, Verpflegung, Medizin oder ein Raum zum Auftanken für die Helfenden.“ Da kam etwa der Anruf, dass viele der ankommenden Kinder an Reiseübelkeit litten. Also seien die Helfer zur nächsten Apotheke geeilt und haben Medizin aus der eigenen Spendenkasse vorfinanziert.

Konkrete Bedürfnisse einfach erfragen
Aufgefüllt wurden die finanziellen Mittel später durch Zuwendungen und Kollekten sowie Unterstützung des Dachverbands der Bahnhofsmission Deutschland. Auch direkt haben die Mitarbeitenden der Bahnhofsmission die Geflüchteten nach dem gefragt, was sie brauchen und kamen beispielsweise schnell der Bitte um Süßigkeiten für die Kleinen nach, weil das ein großer Trost für sie sei. Ein zentraler Teil der Hilfe bestand auch im eigentlichen Tagesgeschäft der Bahnhofsmission: „Unser Team war mit ganz viel Herzblut und Liebe für die Geflüchteten da“, so die Sozialarbeiterin. Es wurden Brötchen geschmiert, denn die Ankommenden wollten vor der Weiterreise eine kleine Pause machen. Außerdem begleiteten sie die Menschen beim Umsteigen oder auf dem Weg zum Zelt der Johanniter, das zur zentralen ersten Anlaufstelle für die Ukrainehilfe wurde. Dort erhielten die Ankommenden, vor allem Mütter mit ihren Kindern, nach einem Corona-Test einen kleinen Imbiss, bevor die Reise weiterging.

Bahnhofsmission im Ausnahmezustand
Bei der Ökumenischen Bahnhofsmission sind neben Ehrenamtlichen, einigen Praktikanten und einem FSJler vier Hauptamtliche tätig. Einer von ihnen ist Marius Ciobanu. Der ehemalige katholische Priester übernimmt auch seelsorgerische Aufgaben und vergleicht den Bahnhof mit einer Kirche im Alltag, in die alle so kommen, wie sie sind. „Viele Menschen hier haben ihr Päckchen oder eben ihren Koffer zu tragen. Genau damit werden sie angenommen und dürfen in der Not auf Unterstützung hoffen“, sagt er. So bietet die Bahnhofsmission nicht nur Hilfe bei der Durchreise, auch Menschen in akuten Krisen und existenziellen Notlagen wird unbürokratisch geholfen.

Marius Ciobanu und Sophie Wischnewski, die neue Leiterin der Leipziger Bahnhofsmission.    Foto: Silvia Funke


In den Wochen nach Kriegsbeginn kamen täglich mehrere hundert Geflüchtete am Leipziger Hauptbahnhof an. In dieser Zeit übernahm Ciobanu die Koordination der etwa fünfzig Ehrenamtlichen, die sich nach einem Aufruf über Diakonie und Caritas meldeten. „Man hat gespürt, dass sie unbedingt helfen wollten“, beschreibt er die Stimmung. „Da war zum Beispiel eine Russin, die sich, statt den Sonntag auf dem Sofa zu verbringen, für diejenigen einsetzen wollte, die unter dem Krieg besonders leiden. Oder es kam ein Mann, der in der ehemaligen DDR russisch lernen musste und das nun zum Einsatz bringen wollte.“ Oftmals behalfen sich die Freiwilligen auch mit der Übersetzungsfunktion auf dem Smartphone und konnten so dafür sorgen, dass die dringendste Not gelindert wurde. „Wir haben uns um die vielen kleinen Dinge gekümmert, die doch so wichtig sind, wenn es zum Beispiel an Babynahrung fehlte, Kleiderspenden benötigt wurden oder Hygieneartikel gekauft werden mussten“, erklärt Ciobanu.

Bis zur Registrierung mittellos gestrandet
In zwei Teams arbeiteten die Ehrenamtlichen an sieben Tagen die Woche in Sonderschichten. Ein Teil schmierte in der Bahnhofsmission Brötchen und vor allem diejenigen mit Sprachkenntnissen kümmerten sich am Hilfszelt um die Ankommenden. „Kommunikation war dabei aber nicht das Wichtigste, denn die Menschen kamen sehr erschöpft, bedrückt und oft traumatisiert an“, bemerkt Sophie Wischnewski. Das Team habe versucht, ihnen die Zeit am Bahnhof möglichst angenehm zu gestalten, wo es Bedarf gab, Gespräche anzubieten oder mit den Kindern zu spielen, so dass sie ihre Erlebnisse einen kurzen Moment vergessen konnten. Manche waren nur zum Umsteigen am Bahnhof, andere blieben, bis es weiter in die Erstaufnahmeeinrichtungen ging und einige kamen täglich für eine Mahlzeit wieder, denn bis zur Registrierung dauerte es oft mehrere Tage. „In dieser Zeit waren die Menschen mittellos gestrandet, weil ukrainisches Geld durch den Krieg wertlos geworden war“, erklärt sie.
Bei ihrer Arbeit am Bahnhof motivieren sie die Wertschätzung der Gäste und die Situationen, in denen die geleistete Hilfe Früchte trägt: „Man lernt ganz viele tolle Menschen kennen, hört ihre Geschichten und bekommt mehr zurück als man gibt, wenn es für jemanden in einer Notlage einen Schritt vorwärts geht.“ Aktuell ist es am Zelt der Johanniter eher ruhig, denn gerade kommen keine Sonderzüge mehr an.
Ihre ersten Wochen als Leiterin der Bahnhofsmission haben Wischnewski aber gezeigt, dass es jederzeit anders kommen kann, als erwartet. Deswegen sammelt sie bereits Kraftreserven für die Zeit, wenn es bei der Hilfe für die Geflüchteten auf den langen Atem ankommt. Auch wenn der nächste Sonderzug angekündigt wird, steht das Team der Bahnhofsmission gemeinsam mit den anderen Hilfsorganisationen bereit mit dem, was benötigt wird.

Von Silvia Funke