Vorlese-Umfrage
Mit Märchenbuch unter die Bettdecke
Foto: Anja Sabel
Holger Berentzen, Dekanatsreferent im Dekanat Emsland-Süd:
Ich habe als Kind mit Freude und kindlicher Spannung alle „Urmel-Bücher“ gelesen, die es damals gab. Besonders aufregend fand ich die Bücher „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner und „Momo“ von Michael Ende. „Momo“ war besonders prägend. Ich habe die Geschichte einige Jahre später mit einer Jugendtheatergruppe der Kirchengemeinde St. Maria zum Frieden in Meppen als Theaterstück auf die Bühne gebracht.
Dass mir jemand vorgelesen hat, kam eher selten vor. Aber wenn, dann waren es meine Eltern und meine große Schwester.
Später, in der eigenen Familie, hat meine Frau unseren drei Kindern den Tag über immer viel vorgelesen. Abends vor dem Schlafengehen war das Vorlesen ein schönes Ritual, sowohl für unsere Kinder als auch für meine Frau und mich. Ich hätte das gerne auch noch viele Jahre lang fortgesetzt. Unsere Töchter sind dann später selbst gerne in „ihre“ Bücher eingetaucht.
Kerstin Schröder, Grafik Dom Medien, Osnabrück:
Ich mochte besonders einen Märchen-Sammelband der Gebrüder Grimm und die Petzi-Pixi-Bücher. Vorgelesen hat mir meine Mutter, manchmal auch mein Vater, während meine Schwester und ich uns ins Bett gekuschelt haben. Meinen eigenen Kindern – sie sind heute 22, 20 und 16 Jahre alt – habe ich jeden Abend vor dem Einschlafen vorgelesen. Oft waren das Geschichten, die Mut machen. Wir haben dann auch ein Familienritual entwickelt, uns immer ein Buch für den Urlaub ausgesucht und uns gegenseitig vorgelesen, zum Beispiel an Regentagen. Dieses Ritual pflegen wir manchmal heute noch. Die Lieblingsvorlesebücher meiner Kinder habe ich übrigens in Erinnerungskisten gepackt, sodass sie später wissen, welche das waren – und sie vielleicht auch selbst verwenden.
Annette Prevot, Leiterin der St.-Antonius-Grundschule in Bremen:
Als Kind habe ich alles gelesen, was zur Verfügung stand. Dadurch hatte ich früh Kontakt zu Büchern wie "Nesthäkchen" (bei meiner Omi) und den Kinderbüchern unserer Schulbibliothek. Erinnern kann ich mich besonders an „Hanni und Nanni“, weil ich dann selbst gerne in ein Internat gegangen wäre. Aber auch die Bücher von Astrid Lindgren waren prägend. Besonders geliebt habe ich "Pippi Langstrumpf", weil sie so herrlich unkonventionell war.
Da ich schon sehr früh lesen konnte (mit etwa drei Jahren), habe ich selbst anderen vorgelesen: bei einem längeren Krankenhausaufenthalt mit vier Jahren den Mitpatientinnen und Mitpatienten, meinen jüngeren Schwestern, Nachbarskindern. Selbst vorgelesen wurde mir von meiner Omi.
Als meine Neffen und mein Patenkind noch jünger waren, waren wir häufig gemeinsam im Urlaub. Abends haben wir dann immer das „Sams“ vorgelesen. Wir haben gemeinsam gespannt auf die neuen Bände gewartet. Inzwischen lese ich den Kindern unserer Schule vor, zum Beispiel im Religionsunterricht oder in der Vorlesezeit.
Reinhard Börger, Künstler (Autodidakt) aus Barnstorf, jetzt wohnhaft in Vechta:
Ich erinnere mich an die Kinderbücher „Das Eselchen Grisella“ und „Peterchens Mondfahrt“. Diese Geschichten habe ich immer wieder gerne gelesen. Als Kind hat mir sicherlich meine Mutter vorgelesen, aber ganz besonders auch ein Nachbarmädchen, Felicitas, etwa fünf Jahre älter als ich. Wir saßen dann oft bei uns im Garten. Meinen eigenen Kindern habe ich später oft Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen, zum Beispiel „Die Häschenschule“ (nicht nur zu Ostern), Neues aus „Schmunzeldorf“, aus den „Heidi“-Büchern, aber durchaus auch manchmal aus der Kinderbibel.
Monika Böhm, Bischöfliches Generalvikariat Münster:
„Das Gute siegt über das Böse“: Diese zentrale Aussage vieler Märchen, die ich in meiner Kindheit vorgelesen bekam, bedeutet mir auch heute im Erwachsenenalter viel. Die Märchen der Gebrüder Grimm, vorgelesen von meiner Mutter, als ich noch im Vorschulalter war, hatten mich fasziniert (zum Beispiel „Frau Holle“, „Der Wolf und die Sieben Geißlein“ u.a.). Heute als Erwachsene habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr wichtig ist, nicht nur Kindern, sondern auch älteren Menschen, zum Beispiel in Pflegeheimen, die wegen nachlassender Sehstärke nicht mehr selbst lesen können, aus der Tageszeitung vorzulesen, wofür diese sehr dankbar sind. Gerade im digitalen Zeitalter ist das Vorlesen für die Bildung der Kinder von großer Relevanz.
Christine Möller, Leiterin der Diözesanbibliothek Osnabrück:
Meine Lesewelt ist mit den klassischen Pixie-Büchern und Comics gestartet, was ja eigentlich eine Vorstufe des Lesens ist, weil man sich in sehr jungen Jahren eher die Bilder anschaut und dann langsam mit dem dazugehörenden Text startet. Als Comics habe ich immer wieder gerne „Die Ducks“ (wegen der sehr realistischen Gegenwartsbezüge) und „Asterix“ (wegen der historischen und kulturellen Hintergründe) verschlungen. Die ersten „richtigen Bücher“ Bücher waren „Die Schatzinsel“ von Louis Stevenson und „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ von Mark Twain.
Wenn ich krank war, haben mir meine Großmutter mütterlicherseits und mein Vater vorgelesen. Sonst fand ich es spannender, selbst zu lesen.
Vorleserituale habe ich heute, ehrlich gesagt, keins. Wenn ich einen Text geschrieben habe, lese ich ihn mir in der Regel anschließend selbst – langsam und laut – vor. Das hat den Vorteil, dass man seine eigenen Fehler schneller findet. Das hat mir im Studium mein Professor empfohlen, ein guter Tipp, wie ich finde und den ich bis heute beherzige.