Inklusive Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung

Mit und ohne Behinderung

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Dass alle Kinder und Jugendlichen in die Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung einbezogen werden, ist vielerorts nicht selbstverständlich. Gerade in der Unterschiedlichkeit ihrer Mitglieder liegt der Schatz der Gemeinden, wurde am 27. März bei einem Studientag in Leipzig deutlich.

Wo stehen wir, wo könnte es hingehen? Referentin Monika Ballani forderte die Teilnehmer auf, sich zu positionieren, zum Beispiel zu der Aussage: „Unsere Gemeinde ist barrierefrei.“ | Foto: Dorothee Wanzek

 

Bevor die Dresdner Gemeindereferentin Jadwiga Günther ihren Berufsweg bei der Kirche begann, hat sie bei internationalen Freiwilligendiensten gearbeitet. Dass Menschen mit Behinderungen dort in alle Aktivitäten einbezogen wurden, war dort stets ganz selbstverständlich. Ausgerechnet in der Kirche sollte das nicht so sein? Diesen Eindruck hat Jadwiga Günther im Alltag ihres neuen Berufs gewonnen, und sie findet ihn nur schwer erträglich. Eine Gemeinschaft, die sich auf Jesus beruft, müsste Vorreiter der Inklusion sein, ist sie überzeugt. Eine Gemeinschaft, die sich so eindringlich gegen Abtreibung stellt, sollte Eltern mit behinderten Kindern besser unterstützen.  „Es darf nicht sein, dass wir Menschen, die in irgendeiner Weise anders sind als die Mehrheit, wie Objekte behandeln. Sie sollten Mitgestalter sein dürfen wie jeder andere auch.“
Ihr Wunsch nach Veränderung motivierte sie, gemeinsam mit Gleichgesinnten vor gut einem Jahr den bistumsweiten Arbeitskreis „Menschen mit Behinderung“ zu gründen, der – anders als in der Behindertenseelsorge bisher üblich – nicht vorrangig die Gruppen im Blick hat, in denen Christen mit Hör- und Sehbeeinträchtigungen, mit geistiger und körperlicher Behinderung unter sich sind. Bei Priesterwerkwochen und Gemeindereferentenkonferenzen befragte der Arbeitskreis die Teilnehmer, bei welchen Gelegenheiten sie im Gemeindealltag mit Behinderten zu tun haben. „Wenn überhaupt, dann in der Sakramentenpastoral“, war das Ergebnis der Umfrage.
Das Thema eines ersten Studientages, zu dem der Kreis haupt- und ehrenamtlich Engagierte des Bistums in die Leipziger Propsteigemeinde einlud, stand damit fest: „Sakramentenpastoral mit Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung. Am Beispiel von Erstkommunion- und Firmvorbereitung“. Rund 30 Männer und Frauen nutzten die Gelegenheit zum Erfahrungs- und Informationsaustausch.
Schwerpunkt des Tages war ein Vortrag von Schwester Monika Ballani, die aus ihrer Erfahrung als Referentin des Erzbistums Berlin berichtete. Seit zehn Jahren bietet die Missionsärztliche Schwester dort Ermutigung und Unterstützung an für Gemeinden, die all ihre Heranwachsenden in die Sakramenten-Vorbereitung einbeziehen wollen.
„Was brauchen Sie, damit das Miteinander von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Begabungen gut gelingt?“, ist die Frage, der sie dabei auf den Grund geht. „Wo gibt es Stolpersteine, wo liegen die Chancen, wo die Grenzen?“

Gut kommunizieren und mehr Zeit einplanen
Allgemein lasse sich sagen, dass ein individueller Blick und ein Unterstützungssystem wichtig sind, damit alle Beteiligten das Miteinander positiv erleben, erläuterte Monika Ballani in Leipzig. Voraussetzung sei zudem ein Perspektivwechsel, der sich nicht auf die Defizite des Kindes fixiere, sondern bei seinen Stärken ansetze, mit denen es sich in die Gemeinschaft einbringen kann. Sie habe oft erlebt, dass Kinder in gemischten Gruppen soziale Kompetenzen lernen. In einer Erstkommuniongruppe mit einem gehörlosen Kind wollten einige Kinder beispielsweise unbedingt die Gebärdensprache lernen. Nicht selten entwickelten sich in solchen Gruppen ein starker Zusammenhalt und tiefe Beziehungen. In einer Gemeinde habe es anfangs große Vorbehalte gegeben, ob es gelingen könnte, ein mehrfach behindertes Kind in die gemeinsame Erstkommunionvorbereitung zu integrieren, erinnert sich die Schwester. Kurz vor der Erstkommunion wollten die Eltern aus persönlichen Gründen die Gemeinde wechseln. Verantwortliche, die anfangs skeptisch gewesen waren und Berührungsängste hatten, empörten sich plötzlich: „Das können die  jetzt aber nicht machen, das ist doch unser Kind!“

Kommentar
Auch das noch!?
Ich stelle sie mir gerade vor, die ächzenden Pfarrer, Gemeindereferentinnen, Pfarrgemeinderäte... „Was sollen wir denn noch alles machen! Pfarreien zusammenlegen, Datenschutz, Missbrauchs-Prävention, missionarische Projekte, Umweltschutz, Brandschutz – und jetzt auch noch Inklusion!“
Durchaus verständlich!
Dorothee Wanzek


Was beim Studientag in Leipzig allerdings deutlich wurde: Hilfreich sind gar nicht so sehr sorgfältig erarbeitete neue Konzepte und erweiterte Fachkompetenz für unterschiedlichste Behinderungen. Es geht darum, dass sich in den Gemeinden ein wenig mehr die Blicke und Herzen öffnen für die schwächeren Glieder. Eine Gemeinde, in der diese übersehen werden, hat nicht die kraftvolle Ausstrahlung, die sie haben könnte, denn sie ist nicht die, die sie eigentlich sein sollte.

Wichtig sei es, die Erstkommunionvorbereitung gut und frühzeitig zu planen. Hilfreich sei zudem, von vorneherein mehr Zeit für alle Abläufe einzuplanen. Bereits mit dem Anmeldewesen entscheide sich beispielsweise, ob Familien mit behinderten Kindern sich angesprochen fühlen. Viel hänge von guten Absprachen zwischen dem Seelsorgeteam und der Familie ab, und zwar möglichst nicht über den Kopf des Kindes hinweg. Alle Beteiligten sollten eigene Unsicherheiten und Grenzen zur Sprache bringen, sich gegebenenfalls fachliche Unterstützung holen und bereit sein, nachzujustieren, wenn das gemeinsam Geplante nicht gut funktioniere. „Haben Sie Mut zu kreativen, individuellen Lösungen!“, ermutigte Schwester Monika ihre Zuhörer. „Was im letzten Jahr bei Familie Müller funktioniert hat, muss für Familie Schulz in diesem Jahr noch lange nicht stimmig sein.“ In einer Gemeinde fand sich beispielsweise eine Jugendliche, die eine behinderte Firmbewerberin zu den Katechesen begleitete. Andernorts fand sich ein Ehrenamtlicher, der mit einem Kommunionkind, das sich nur zwanzig Minuten am Stück konzentrieren konnte, zwischendurch immmer wieder  hinausging. Eine Firmgruppe, die sich der Gemeinde präsentieren sollte, tat dies durch einen Videofilm, weil zur Gruppe ein Autist gehörte, der es nicht ertragen hätte, sich vor die ganze Gemeinde zu stellen. Ein ebenfalls autistisches Erstkommunionkind hatte eine eigene Feier im kleineren Kreis, war aber durch seine Kerze bei der Feier der anderen mit präsent.
Sich auf das Wesentliche besinnen
Auch in der Frage, welche Stärken Kinder und Jugendliche einbringen könnten, seien Kreativivät und ein wacher Blick gefragt, erläuterte die Behindertenseelsorgerin. In einer Gemeinde erlebte sie ein Kind mit Down Syndrom, das die Aufgabe übernommen hatte, allen Mitfeiernden den Frieden zu wünschen: „Dieses Kind hat wirklich alle Herzen berührt“.
Priester machten sich zuweilen Sorgen, dass ein schwer behindertes Kind die Kommunion nicht würdig empfangen könne. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch habe dazu eine ganz klare Haltung: Wer wäre vom Herzen her würdig, wenn nicht diese Kinder?
„Was ist das Wesentliche?“, sollten sich Seelsorgeteams fragen, die Kinder mit Beeinträchtigungen auf die Sakramente vorbereiten: Aus ihrer Sicht sollte den Kindern vor allem vermittelt werden, dass sie von Gott geschaffen und geliebt sind, dass sie als Christen Teil einer Gemeinschaft sind und sich dort aktiv einbringen dürfen, meint Schwester Monika: „Wenn uns das gelingt, dann verwirklichen wir das, was wir als Kirche sein sollen: Leib Christi, heilende Präsenz Christi“. „Jeder Mensch kann für uns heilsam sein, einfach, weil er da ist. Durch Ausgrenzung verhindern wir solche Geschenke.“
Im Bistum Dresden-Meißen ist der Arbeitskreis „Menschen mit Behinderung“ gerade dabei, zum Thema einen Materialkoffer zusammenzustellen, den Gemeinden nutzen können. Die Mitglieder des Kreises laden ein, sich am Erfahrungsaustausch zu beteiligen.

Kontakt: Jadwiga Günther, E-Mail: gemeindereferentin@st-paulus-dresden.de, Telefon: 01 76 / 44 46 15 77

Von Dorothee Wanzek

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