Wärmestube Osnabrück

"Mittags ist oft kein Krümel mehr übrig"

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Immer mehr Menschen suchen Hilfe in der Wärmestube in Osnabrück. Dort erhalten sie kostenlos Essen, Kleidung und es hört ihnen jemand zu. Die Unterstützung wird durch Spenden finanziert. Große Einnahmequellen wie der Adventsbasar und die Eisenbahnausstellung müssen aber dieses Jahr ausfallen.


In der Küche bereiten die Schwestern und Ehrenamtliche jeden Tag etwa 100 Essen für Bedürftige vor.  Foto: Thomas Osterfeld

„Schwester, haben Sie heute für mich gebetet?“ Nicht selten werden Schwes­ter Benedicta und ihre drei Mitschwes­tern in den frühen Morgenstunden mit dieser Frage begrüßt. Wenn sie von der Frühmesse nach Hause kommen, ist dort bereits jede Menge los: Die Ordensfrauen wohnen und leben im ehemaligen Franziskanerkloster an der Bramscher Straße in Osnabrück, wo auch die Wärmestube, eine Einrichtung für bedürftige und obdachlose Menschen, ihre Räume hat. Ab 5.30 Uhr ist dort täglich geöffnet, immer stehen um diese Zeit schon Gäste vor der Tür. Sie können duschen, waschen, essen, Kleider tauschen. Können dort einfach sein. 

Über das Vertrauen, das in dieser Frage steckt, freuen sich die Schwestern. Denn auch wenn die Mitarbeiter der Wärmestube nicht nach Berechtigungsnachweis oder Lebensgeschichte fragen, wissen sie um die Sorgen, Nöte und Schicksale ihrer Gäste. In ruhigen Momenten erzählen viele ihre privaten Geschichten. Es sind Geschichten von Scheitern und Flucht, von Trennungen, Verlusten, Straftaten, Abhängigkeiten oder Erkrankungen. Viele der Gäste sind obdachlos, mittellos, bedürftig, einsam, psychisch oder körperlich krank. Nicht immer geht es mit ihnen friedlich zu. Viele reagieren unvorhergesehen, laut, aggressiv, manchmal auch gewalttätig. Das ist herausfordernd für alle Helfer. Die Corona-Pandemie habe ihre Gäste darüber hinaus besonders hart getroffen, erzählt Schwester Benedicta. Sie erinnert sich: Vor allem der Alkohol sei während des totalen Lockdowns für viele zum Problem geworden. „Die Obdachlosen wurden von der Polizei immer wieder von ihren Plätzen vertrieben mit den Worten: ,Geht nach Hause!‘. Das war ganz schlimm. Sie haben ihre Sorgen ertränkt.“ 

"Wir leben für den Augenblick. Etwas anderes geht oft nicht."

Überhaupt habe sich die Situation in der Wärmestube seit Corona verändert, berichtet die Ordensfrau, die seit knapp einem Jahr das Team der Wärmestube verstärkt: Immer mehr Menschen suchen die Hilfseinrichtung auf. Etwa 100 Essen geben die Helfer jeweils morgens und mittags aus, nicht selten sei mittags „kein Krümel mehr übrig“. Für viele Gäste ist die Wärmestube eine überlebenswichtige Anlaufstelle, für nicht wenige ihr einziges Zuhause. 

Ihre Schicksale lassen weder die Schwestern noch die Ehrenamtlichen und Leiter Diakon Jochen Meyer kalt. Aber allen ist klar: „Wir können nicht alles verändern, nicht jedem helfen. Aber wir können versuchen, ihnen den Tag und diese Stunden hier zu erleichtern“, so Schwester Benedicta. Zwölf Jahre lang war sie als Provinzoberin ihres Ordens in leitender Funktion tätig und ist froh, nun wieder an der Basis arbeiten zu können. „Ich kümmere mich gerne um Menschen.“ Viele menschliche Schicksale kennt sie auch aus ihrer Zeit als Sozialpädagogin in einer Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung in Hamburg. „Viele Eltern waren bedürftig, psychisch angeschlagen, hatten vielfältigste Probleme.“ Auch hier hat sie gelernt: „Wir müssen den Menschen jetzt und auf der Stelle gut sein. Wir leben vom Augenblick. Etwas anderes geht oft nicht.“ 


Die traditionelle Modellbahnausstellung muss in diesem Jahr
ausfallen. Foto: Thomas Osterfeld

Schweren Herzens lassen sie die Ausstellung ausfallen

Die Pandemie hat die Abläufe in der Wärmestube verändert. Die Mitarbeiter lassen nur noch wenige Menschen in die kleinen, verwinkelten Räume. Alle anderen müssen sich draußen aufhalten und beim Essenholen in eine lange Schlange einreihen. Ein Pavillon schützt sie vor Regen, aber nicht vor der Kälte, die unweigerlich in den nächsten Wochen und Monaten kommen wird. Aber die Witterung ist nicht die einzige Sorge, die die Mitarbeiter umtreibt. Die Arbeit der Wärmestube wird komplett über Spenden finanziert. Veranstaltungen wie der traditionelle Adventsbasar am ersten Adventswochenende und die Ausstellung der Eisenbahnfreunde mit vielen Angeboten und großer Tombola waren jedes Jahr sichere Einnahmequellen. Beide Veranstaltungen fallen in diesem Jahr aus, ebenso die öffentliche Feier für Bedürftige am Heiligen Abend. 

Das schmerzt. „Seit 1994 veranstalten wir die Modellbahnausstellung. Alle Überschüsse spenden wir der Wärmestube und konnten bereits etwa 120 000 Euro für den guten Zweck überreichen“, erzählt der Vorsitzende der Eisenbahnfreunde Osnabrück, Ralf Hagemann. „Schweren Herzens“ hätten sie sich entschlossen, die Ausstellung dieses Jahr ausfallen zu lassen. Ihm und allen Mitgliedern sei es ein großes Anliegen, stattdessen um Spenden zu werben. Seit Jahren haben die Eisenbahner ihre Räume über der Wärmestube. Sie wissen um die Bedeutung dieser Einrichtung für Bedürftige, denen dort geholfen wird – und die die Schwestern ins Gebet mit einschließen.

Astrid Fleute


Eisenbahner rufen zu Spenden auf

Um die Hilfe für die Bedürftigen aufrechterhalten zu können, sind die Mitarbeiter der Wärmestube auf Spenden angewiesen. Da auch die traditionelle Modellbahnausstellung der Eisenbahnfreunde 2020 ausfallen muss, bitten die Eisenbahner ihre Besucher, ihre Verbundenheit mit der Einrichtung mit einer Spende zum Ausdruck zu bringen. Konto: Postbank Saarbrücken, IBAN DE92 5901 0066 0820 7116 66, Verwendung: Spende Wärmestube Osnabrück.