Kirchentagsstand der Bistümer Erfurt und Magdeburg

Ökumene im Labor

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Seit 2010 sind die Bistümer Erfurt und Magdeburg sowie die Evangelischen Landeskirchen in Mitteldeutschland und Anhalt mit einem gemeinsamen Stand unterwegs. „Ökumene in der Mitte“ heißt das Projekt.

Ökumene als Versuchslabor: Matthias Ansorg (li.) und Claudia Neumann vom Gemeindedienst der EKM mit Christoph Rink vom Vorstand des Magdeburger Katholikenrates am gemeinsamen Stand „Ökumene  in der Mitte“.    Foto: Oliver Gierens

 

Reagenzgläser mit bunten Kügelchen gefüllt, Glaskolben und Trichter an Stativen befestigt, an der Wand ein Periodensystem – nein, wir sind nicht in einem Chemielabor, auch wenn es den Eindruck erweckt. Wir sind am gemeinsamen Stand der katholischen und evangelischen Kirchen in Mitteldeutschland, und die Besucher haben hier die Möglichkeit, ein „Lebensglas“ zu befüllen. Ein Häufchen Sehnsucht, ein wenig Utopie, ein paar Krümel Stille – jedes Reagenzglas hat ein anderes Farbenspiel und lädt zur Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen und Hoffnungen ein.
Doch das „Chemielabor“ ist noch mehr: Unter dem Motto „Hier braut sich was zusammen“ ist es auch ein Laboratorium der Ökumene. Das „Periodensystem“ an der Wand enthält typische Schlagworte aus beiden Konfessionen, wie Weihrauch oder Heilige, Liturgie oder Herrnhut.
Seit dem Ökumenischen Kirchentag in München vor zwölf Jahren sind die katholischen Bis- tümer Erfurt und Magdeburg sowie die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wie auch die Landeskirche Anhalts mit einem gemeinsamen Stand auf den Kirchentagen vertreten. Egal, ob Katholikentag, Evangelischer oder Ökumenischer Kirchentag – die vier Bistümer bzw. Landeskirchen treten stets gebündelt auf.

Räumlich, im Denken und im Handeln immer näher zusammengerückt
„Ökumene in der Mitte“ heißt das Projekt, das mittlerweile zur festen Institution geworden ist. Am Anfang habe noch jede Teilkirche ihre eigene „Ecke“ gehabt, zwar zusammen unter einem Dach, aber doch räumlich getrennt, berichtet Pfarrer Matthias Ansorg vom Gemeindedienst der EKM, der für seine Landeskirche den Stand mitbetreut.
Diese Trennung wurde mit den Jahren überwunden: Mittlerweile gibt es ausschließlich gemeinsame Projekte. In der Mitte steht ein Christustisch in Kreuzform, auf dem Salz, Brot und Wasser zum Mitnehmen stehen – alles Selbstbezeichnungen Jesu. Das Kreuz ist beleuchtet, ein Symbol für das „Licht der Welt“.
An der Wand hängt eine Tafel, die mit einfachen Grafiken die Mitgliederzahlen der vier Teilkirchen und ihre Anteile an der Bevölkerung zeigt. Die Besucher merken schnell: Selbst beide Konfessionen zusammen stellen nur eine Minderheit in Sachsen-Anhalt und Thüringen dar, zu denen die Bistümer und Landeskirchen größtenteils gehören.
„Die Probleme sind deckungsgleich“, meint daher auch Uwe Pfenning, Mitglied im Katholikenrat des Bistums Magdeburg. Es gibt viele konfessionsverschiedene – oder vielmehr: konfessionsverbindende – Ehen, die Fragen nach dem gemeinsamen Gang zum Tisch des Herrn oder zur Taufe des Kindes in einer der beiden Konfessionen aufwerfen.
Auch die Mitgliederstruktur ist ähnlich: Die Zahl der Gläubigen nimmt ab, die Aktiven werden älter, wenige Jüngere rücken nach. „Wir werden immer kleiner, eine schöpferische Minderheit“, sagt der Magdeburger Katholikenratsvorsitzende Dagobert Glanz.
Umso mehr treten die beiden Konfessionen hier gebündelt auf, laden zu gemeinsamen Aktionen und zu einer Auseinandersetzung mit ökumenischen Fragen ein. So stellen Matthias Ansorg und seine Kollegin Claudia Neumann ein „ökumenisches Blind Date“ vor, bei dem die Besucher eine Karte ziehen und spontan eine Frage zu einem kirchlichen oder gesellschaftlichen Thema beantworten sollen. „Eine Kirche ist baufällig und muss saniert werden – was tun wir?“ oder „In meinem Ort soll eine Moschee gebaut werden, es gibt Demos dafür und dagegen – was steht auf Ihrem Schild?“, sind typische Fragen.
„Die Flächen werden von allen Beteiligten gemeinsam bespielt, durchdacht und durchkämpft“, erklärt Pfarrer Matthias Ansorg. Das Grundanliegen sei die Kommunikation mit den Standbesuchern, deshalb gebe es beispielsweise auch keine Flyer mit viel Text mehr, nur noch Postkarten, die zu den jeweiligen Aktionen passen.
Und das heißt auch: Die Gäste sollen ebenso untereinander ins Gespräch kommen. „Man landet dabei oft bei kompletten Lebensgeschichten“, so Matthias Ansorg. „Da erzählen Frauen, sie seien katholisch und der Mann evangelisch – und was die Kinder daraus gemacht haben.“ Das „Mehr“ sei das Spannende dabei. Und Dagobert Glanz sieht die ostdeutschen Kirchen als bundesweite Vorreiter. „Wir haben schon Stimmen von Besuchern gehört, die sagen: So wie bei euch wird es in Zukunft überall sein.“

Von Oliver Gierens
 

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