Christen in Damaskus feiern die Auferstehung

Ostern im Schatten des Krieges

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Letztes Jahr Raketen und Granaten, dieses Jahr Gesänge und Gebet: Christen in Damaskus haben Ostern gefeiert.

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Die Karfreitagsprozession zieht sich durch die Altstadt von Damaskus. Foto: kna


"So lange die Christen fasten, bleibt das Wetter kalt", sagt ein Sprichwort in Syrien. Gemeint ist die Fastenzeit vor Ostern und in diesem April ist es an den Ostertagen tatsächlich sehr kalt und regnerisch. Im nördlichen Küstengebirge bei Slunfe und im südlichen Sweida fiel am Ostersonntag sogar Schnee. In Damaskus schützen sich die Menschen mit Stiefeln, warmen Pullovern und Steppjacken gegen die Kälte, doch von den Feierlichkeiten in den christlichen Vierteln der Damaszener Altstadt, in Bab Touma und Qassa lassen die Gläubigen sich nicht abhalten.

Einige junge Frauen und die Kinder mögen trotz der Kälte nicht auf ihre festliche Frühlingskleidung verzichten und so hat eine Mutter ihre Tochter, die ein rosa Tüllkleid trägt, in ein warmes Wolltuch eingewickelt. Dicht gedrängt sitzen die Menschen in den Kirchenbänken, kaum ein Fußbreit ist frei in den Gängen. Liturgien werden gesungen, Chöre erschallen, Kinder werden hochgehoben, Knirpse klettern auf die Kanzel, Familien machen Erinnerungsfotos vor einem kunstvoll geschnitzten und geschmückten Altar.

Trotz des Kommens und Gehens herrscht eine feierliche Stimmung. Mit ernsten Gesichtern werden Kerzen entzündet. Vielleicht in Erinnerung an einen lieben Menschen, den man im jahrelangen Bürgerkrieg verloren hat, vielleicht eine Bitte um Gesundheit, für die Rückkehr von Vermissten oder Geflohenen, vielleicht auch um Arbeit.

 

Gründonnerstag in der Altstadt

Die Osterfeierlichkeiten beginnen in der Altstadt von Damaskus am Abend des Gründonnerstags, wenn die Menschen in sieben Kirchen zusammenkommen. Die gut zwei Dutzend Ostkirchen in Syrien unterteilen sich in Syrische Kirchen, in die Melkitisch-Griechisch-Katholische und die Armenische Kirche, sie sind katholisch und orthodox, manche der Orthodoxen feiern Ostern eine Woche später. Vor dem Krieg waren rund 10 Prozent der 23 Millionen Syrer Christen. Etwa die Hälfte davon hat das Land verlassen.

Beim Weg durch die sieben Kirchen in der Altstadt von Damaskus darf die Hananias-Kapelle nicht fehlen. Sie liegt gut fünf Meter unter dem heutigen Straßenniveau im Keller des Hauses, in dem Hananias der Überlieferung zufolge lebte - der Mann, der Paulus nach dessen Bekehrung vom Christenverfolger geholfen haben soll. Die Kapelle stammt aus dem 1. Jahrhundert, gilt als älteste Kirche in der Altstadt und liegt nahe am Osttor, dem Bab Scharki.

Steil führen die Treppen hinunter in das kleine Gewölbe, das nur von Kerzenschein erleuchtet ist. Die liturgischen Gesänge jedoch stammen von einem Tonband und schallen aus Lautsprechern in den Abendhimmel, wo der österliche Vollmond aufgeht. Abends wird in den Kirchen das Abendmahl gefeiert, in einigen findet die traditionelle Fußwaschung statt. Bis spät in die Nacht bleiben die Gotteshäuser für die Besucher geöffnet.

Der Karfreitag wird ernst begangen. Nach liturgischen Gesängen und Gottesdiensten am Abend zieht die Jugend in einer langen Prozession durch die engen Gassen der christlichen Altstadt. Sie schlagen Pauken und Trommeln und spielen auf Posaunen und Trompeten einen Trauermarsch. Junge Männer tragen große Kreuze und in Erinnerung an den Leichnam Jesu einen symbolischen Sarg. Menschenmassen säumen die Straßen, aus Fenstern und Geschäften verfolgen sie das Geschehen. Am Ostersamstag folgt auf die Abendliturgie ein Lichterfest und in Vorfreude der guten Botschaft eine weitere Prozession.

 

Volle Kirchen am Ostersonntag

Bei der Frühmesse am Ostersonntag sind alle Kirchen wieder voll. "Im letzten Jahr fielen an Ostern hier noch Raketen und schlugen Mörsergranaten ein", erinnert sich Salim, Geschäftsführer eines kleinen Restaurants unweit der Zeitoun-Kirche. Der Kampf um Damaskus sei zwar vorbei, doch eine schwere Wirtschaftskrise mache den Menschen zu schaffen. Jeder bekomme das zu spüren, sagt Selim.

Die Sanktionen der EU und das Ölembargo der USA haben in der Woche vor Ostern den Verkehr in Syrien fast zum Erliegen gebracht. Kilometerlange Autoschlangen winden sich durch die Wohnviertel der Hauptstadt um an einer der wenigen Tankstellen, die noch das staatlich subventionierte Benzin ausgeben, tanken zu können. 20 Liter gibt es pro Fahrzeug zum Preis von umgerechnet etwa 7,50 Euro. Unzählige gelbe Taxis und weiße Minitransporter warten Stunden, oft verbringen die Fahrer die Nächte im Fahrzeug, um ihren Platz nicht zu verlieren. Findige Geschäftsleute haben bereits einen fliegenden Handel mit Tee, Kaffee und Essbarem entlang der Autoschlangen aufgemacht.

"Viele unserer Gemeindemitglieder wohnen in Jaramana", sagt Bischof Armash Nalbandian von der Armenisch-Orthodoxen Kirche, die unmittelbar am Osttor der Altstadt liegt. Sie müssten mit Taxi oder Minibus kommen, weil sie für ihre Autos kein Benzin hatten. "Unsere Gläubigen lassen sich nicht aufhalten", sagt Bischof Armash. "Sie haben den Krieg überlebt, sie werden auch die Benzinkrise meistern." Und als wollten sie seine Worte unterstreichen, strömen die Menschen auf den Innenhof der Kirche. Kinder spielen, Freunde begrüßen sich, Jugendlichen proben ein letztes Mal auf ihren Instrumenten.

Leidensweg und Auferstehung Jesu liegen nah zusammen, für Syrien aber scheint der Leidensweg noch nicht vorbei. Dennoch, trotz Kälte und Benzinmangel, trotz Sanktionen und wirtschaftlicher Not feiern die syrischen Christen am Ostersonntag die Auferstehung Jesu, fast als sei es die eigene.

kna