Entscheidung aus Rom
Papst ordnet Auszeit für Woelki an
Kardinal Rainer Maria Woelki wird sich bis einige Monate zurückziehen. Im Erzbistum soll zudem ein Prozess der "Versöhnung und Erneuerung" starten.
Papst Franziskus schickt den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in eine mehrmonatige Auszeit. Diese beginnt Mitte Oktober und dauert bis zur Fastenzeit im kommenden Jahr, wie der Vatikan am Freitag in Bonn mitteilte. Begründet wird der Schritt mit einer Vertrauenskrise im Erzbistum Köln, die bei der Missbrauchsaufarbeitung auch durch "große Fehler" Woelkis in der Kommunikation entstanden sei. Bis zu seiner Rückkehr soll Weihbischof Rolf Steinhäuser die größte deutsche Erzdiözese verwalten und für "Versöhnung und Erneuerung" sorgen.
Zugleich wies der Heilige Stuhl Darstellungen zurück, der Kardinal habe durch das Zurückhalten einer ersten Missbrauchsstudie vertuschen wollen. "Die Entschlossenheit des Erzbischofs, die Verbrechen des Missbrauchs in der Kirche aufzuarbeiten, sich den Betroffenen zuzuwenden und Prävention zu fördern, zeigt sich nicht zuletzt in der Umsetzung der Empfehlungen der zweiten Studie."
Weiter teilte der Vatikan mit, dass die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp (54) und Ansgar Puff (65) ihre Ämter wieder aufnehmen dürfen. Sie hätten zwar in ihren früheren Funktionen vereinzelt Fehler begangen, nicht aber die Absicht gehabt, Missbrauch zu vertuschen oder Betroffene zu ignorieren. Puff werde sofort seien Dienst wieder aufnehmen, so der Vatikan. Schwaderlapp werde wunschgemäß ein Jahr lang als Seelsorger in der kenianischen Erzdiözese Mombasa arbeiten, bevor er wieder in Köln tätig werde.
Woelki dankt für Auszeit
Kardinal Woelki hat in einer ersten Reaktion dem Papst für die ihm gewährte Auszeit gedankt. Damit habe Franziskus seiner Bitte entsprochen, sagte der Erzbischof am Freitag vor Journalisten in Köln. Dies gebe ihm Gelegenheit, die vergangenen Monate aufzuarbeiten und einen Weg in die Zukunft zu finden.
"Natürlich habe ich Fehler gemacht bei der Aufarbeitung", sagte Woelki und verwies dabei auf Mängel in der Kommunikation. "Das tut mir leid." Dies gelte besonders mit Blick auf die Betroffenen, die dadurch retraumatisiert worden seien. Zudem seien viele Menschen in ihrem Inneren verletzt und in ihrem Glauben erschüttert worden.
Bätzing reagiert zurückhaltend
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat verhalten auf die Entscheidung des Papstes zum Erzbistum Köln reagiert. "Ich nehme die Entscheidungen des Heiligen Vaters entgegen und hoffe, dass der Prozess einer Aussöhnung im Erzbistum Köln anlaufen wird. Ob dies innerhalb weniger Monate zu einer grundlegend veränderten Situation führen kann, vermag ich nicht zu beurteilen", erklärte der Limburger Bischof.
Rom sei sichtlich darum bemüht, "Bewegung in die schwere Krisensituation im Hinblick auf das Vertrauen in die Führung des bischöflichen Amtes zu bringen, die das Erzbistum Köln schwer belastet und weit darüber hinaus auf die Kirche in unserem Land ausstrahlt", so Bätzing weiter.
Die Entscheidung zu Kardinal Woelki erinnere ihn an das römische Vorgehen im Blick auf den einstigen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Dessen Rücktritt hatte Papst Franziskus im März 2014 angenommen, zuvor hatte er ihm im Oktober 2013 eine längere Auszeit gewährt. Vorausgegangen war die Debatte um die enorm gestiegenen Baukosten für das Limburger Bischofshaus und die von vielen als autoritär empfundene Amtsführung von Tebartz-van Elst.
Bätzing fügte hinzu, was in der Mitteilung des Vatikan zur Entschiedenheit des Aufarbeitungswillens von Kardinal Woelki gesagt werde, treffe einerseits zu. Andererseits lasse die päpstliche Note "angesichts der entstandenen Lage viele Betroffene ratlos und verletzt zurück". Sie treffe zudem andere Bistümer, die "bereits eine Aufarbeitung so begonnen haben, dass sie zu einem guten Teil zur Erneuerung und Versöhnung beitragen konnten".
Der Konferenzvorsitzende zeigte sich überzeugt: "Die Entscheidungen aus Rom werden sehr kontrovers diskutiert werden. Vieles hängt jetzt davon ab, wie Kardinal Woelki die Auszeit gestalten wird." Es brauche - auch von ihm - Gesprächs- und Mediationsangebote, um Chancen und Perspektiven zu finden. "Daher ist es gut, wenn ihm Freiräume eröffnet werden, in dem die laufenden Geschäfte durch den Apostolischen Administrator geregelt werden."
Vertrauenskrise im Erzbistum Köln
Die Diözese am Rhein wird seit gut einem Jahr von einer Vertrauenskrise erschüttert. Der Unmut über den Erzbischof war gewachsen, nachdem er ein Gutachten über den Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt mit Verweis auf rechtliche Gründe stornierte. Es wuchs der Eindruck, Woelki wolle etwas vertuschen. Ein zweites Gutachten, das kirchlichen Führungskräften 75 Pflichtverletzungen im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt nachweist, brachte keine Befriedung. Schwaderlapp werden acht Fehler vorgehalten, Puff nur ein Vergehen.
Woelki selbst wurde juristisch entlastet. Doch diese Freisprechung stieß nicht auf Akzeptanz. Vielmehr appellierten Kritiker an ihn, gerade auch als langjähriger Vertrauter des früheren Kölner Kardinals Joachim Meisner moralische Verantwortung für das System zu übernehmen. Einen Rücktritt lehnte Woelki mehrfach ab.
Mitte Juni schickte Papst Franziskus zwei Gesandte nach Köln, um die Situation vor Ort zu überprüfen. Auf Basis ihrer Ergebnisse traf der Papst seine Entscheidung. Dabei ging es auch um die Rolle weiterer Verantwortungsträger, etwa des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße (55), der seinen Rücktritt angeboten hatte. Vergangene Woche lehnte der Papst dieses Gesuch ab.
kna