Relevant ist, was uns aufrichtet

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Sonne, Wind und eine weite Wiese, auf der Abstand kein Problem ist. Die „kleine“ Variante zur traditionsreichen Wallfahrt zum Ansveruskreuz bei Ratzeburg führte mehr als 200 dankbare Pilger zusammen. 

Weihbischof Eberlein bei der Wallfahrts-Predigt am Ansveruskreuz
Keine große Bühne, stattdessen Altar und Ambo vor dem Ansveruskreuz. Weihbischof Eberlein bei der Predigt der Ansveruswallfahrt. Foto: Andreas Hüser

Muss die Ansveruswallfahrt ausfallen? Lange war es unklar, ob und wie wegen „Corona“ die traditionelle Wallfahrt am zweiten Sonntag im September möglich sein könne. Am Ende entschied sich die Pfarrei Sankt Ansverus für eine kleine Variante: Kein Pilgerweg im Wald nach Einhaus, keine Bootstour für Kinder über den Ratzeburger See, keine Zelte, kein Ansverusbrot vom Don-Bosco-Haus oder Wurst aus der Imbissbude. Die Ansveruswallfahrt sollte sich beschränken auf die Messfeier, Picknick für Selbstversorger und Abschlussandacht.

„Heute sitzen Sie alle in der ersten Reihe“, so begrüßte Pastor Stefan Krinke die Wallfahrer. Aber das stimmte nicht ganz. Mehr als 200 Pilger waren zum Ansverus­kreuz gekommen. Für die geforderten Abstände sorgten lange Bierbänke – und die drei Hektar große Wiese. Nachher waren nicht wenige der Meinung: Die kleine Version war nicht schlechter als die große – auch deshalb, weil der Altar nicht auf einer hohen Bühne stand, sondern direkt vor dem Ansveruskreuz und näher an der Gemeinde. Und noch etwas gab es bisher nicht. Weihbischof Horst Eberlein sprach aus, was viele dachten. „Wir schätzen es, dass wir zusammenkommen, dass wir miteinander singen können. Da haben wir Nachholbedarf“. 

Kollekte für den Jugendzeltplatz 

Singen können mit der Begleitung einer sehr guten Band bei Wind und Sonne, auch das hatte viele Pilger zum Ansveruskreuz gelockt – nicht nur aus der gastgebenden Pfarrei. Stammpilger aus Hamburg, aus Lübtheen in Mecklenburg, aus Heiligenhafen an der Ostsee hatten auch weite Wege nicht gescheut. Ganz vergessen war die Pandemie im Land dabei nicht. Weihbischof Eberlein knüpfte in seiner Predigt an einen Begriff  der neuen Krisensprache an. Was ist „systemrelevant“? Im Lockdown ging es um Personen, die für die Gesellschaft lebenswichtig sind und die deshalb weiter arbeiten mussten oder durften. Ursprünglich kommt das Wort aus dem Lateinischen. „Relevare“ bedeutet: in die Höhe heben. „Was ist in unseren Zeiten in die Höhe zu heben, was ist relevant?“ fragte Horst Eberlein. Bei der Kirche gebe es Zweifel an ihrer gesellschaftlichen Relevanz, oder sie werde nicht genug deutlich. „Wer sagt mir, was relevant ist für mich, für mein Leben, für meinen Glauben?“ Der Weihbischof erzählte davon, was für ihn persönlich relevant und in die Höhe gehoben sei, nämlich in Form von Bildern, die in seinem Arbeitszimmer hängen: Hans Holbeins Portrait von Thomas Morus, Fotos der Lübecker Märtyrer, „Die Rückkehr des verlorenen Sohns“ von Rembrandt und die „Berufung des heiligen Matthäus“ von Caravaggio. Die Bilder stünden für Aufrichtigkeit und Glaubensbekenntnis (Morus), für das Wagnis der Christusnachfolge und der Wahrheit (Lübecker Märtyrer), für die Frage: „Lass ich mich von Christus rufen – heute?“ 

Für ihn am wichtigsten sei das Rembrandt-Bild und sein Motiv: der verlorene Sohn. „Dieses Bild begleitet mich sehr lange und vielleicht ist es das relevanteste, das alles bestimmende und durchdringende Bild, weil es sagt: So ist Gott, so ist der Mensch!“ Was ist relevant? Nicht nur das, was wir in die Höhe heben, sondern umgekehrt. Weihbischof Eberlein: „Relevant ist, was uns aufrichtet!“ 

Die Kollekte der Wallfahrt bleibt in diesem Jahr am Wallfahrtsort. Gesammelt wurde für den Jugendzeltplatz am Ansverus­kreuz. Der Platz und die Sanitäranlagen werde von der Pfarrei gepflegt und an Jugendgruppen vermietet. Nur blieben in diesem Jahr die Lagergruppen und damit auch die Einnahmen aus.

Text: Andreas Hüser