Die Rolle von Großeltern

Sie sind Vorbilder auch im Glauben

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Viele Kinder haben ihre Großeltern in der Corona-Zeit länger nicht gesehen und sie vermisst. Oma und Opa sind Teil der Familienidentität, vermitteln Geborgenheit und können deeskalierend wirken. Sie sollten nie versuchen, „die besseren Eltern“ zu sein, sagt Diplom-Psychologin Gabriele Anders.


Kinder können mit ihren verschiedenen Großeltern Vertrautheit
und Vielfalt erleben. Foto: imago/images/Westend61

Sind Großeltern wichtig?

Na, selbstverständlich. Jeder Mensch braucht Menschen, die zu ihm gehören, bei denen er sich geborgen fühlt, das sind neben den Eltern auch die Großeltern. Wenn ein Kind geboren wird, verbindet Eltern und Großeltern das Teilen der Freude über dieses Kind und es entsteht ein Zugehörigkeitsgefühl. Dieses Zugehörigkeitsgefühl empfinden dann auch die Enkel und es stärkt sie in ihrer Entwicklung.

Großeltern gehören nach den Eltern zu den häufigsten Vorbildern bei den Enkelkindern. Jedes Kind hat leibliche Großeltern, manchmal sind sie schon gestorben, manchmal besteht wenig Kontakt, trotzdem haben sie sie ja. Es ist die Aufgabe der Eltern, von diesen Großeltern zu erzählen. Eine Beziehung von Angesicht zu Angesicht ist dann natürlich nicht möglich, aber die Großeltern sind Teil der Familie und der eigenen Identität. Menschen fragen: „Wer bin ich, woher komme ich, wohin will ich?“ Großeltern können hier eine wichtige Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft sein. Enkel wollen Geschichten über die Vergangenheit hören und erfahren: Veränderung ist möglich. 

Manchmal wird darauf hingewiesen, wie ähnlich ein Kind Oma oder Opa ist.

Es ist wichtig zu bedenken, dass es nicht nur die eine familiäre Wurzel gibt! Ein Kind hat immer vier leibliche Großeltern; es hat nicht nur den einen Stammbaum, es hat einen ganzen Garten. Kinder können durch ihre verschiedenen  Großeltern bei aller Vertrautheit Vielfalt erleben. Es gilt, Unterschiedlichkeiten in einer Familie anzuerkennen. 

Sind die Großeltern auch eine Hilfe für ihre Kinder?

Großeltern können auch emotionale Unterstützer für die eigenen Kinder und für die Enkel sein. Großeltern haben nicht die Verantwortung, sie sind entspannter. Großeltern können auch Vorbild im Glauben sein, einfach, wenn sie Hoffnung aus ihrem Glauben schöpfen. Das nehmen die Enkelkinder wahr. 

Was machen Oma und Opa anders?

Die Großeltern ermöglichen dem Enkelkind durch ihre Existenz einen anderen Blick aufs Leben. Die Enkel lernen: Es gibt ein Gestern und ein Morgen; sie erfahren Kontinuität, das Leben macht Sinn. Die Großeltern haben oftmals mehr Zeit als die Eltern, sind mitunter gelassener, sie tragen keine Erziehungsverantwortung. Sie dürfen auch verwöhnen, in Absprache mit den Eltern. Die Großeltern können sich Zeit nehmen, ohne dass sie einen Erziehungsauftag haben. Sie können in manchen Situationen deeskalierend wirken. 

Großeltern sind trotzdem immer Gäste in der Kernfamilie. Es ist selten geworden, dass  mehrere Generationen unter einem Dach leben, das ist bestimmt auch nicht immer einfach. In den meisten Fällen ist es so, dass man sich besucht und dann ist es eine besondere Situation und es ist selten Alltag.

Wie lassen sich Enttäuschungen vermeiden?

Indem Großeltern nicht dauernd verfügbar sein müssen. Und es sollte allen klar sein: Großeltern sind nicht die Erziehungsberechtigten und auch nicht die ersten Bezugspersonen für die Enkel. Großeltern sollten nie die besseren Eltern sein wollen. Sie sind es nicht.

Aber manchmal sind Großeltern in den Alltag eingebunden, holen das Kind von der Schule ab und beaufsichtigen die Hausaufgaben.

Ja, und dann sollte man sagen: Mama hat mich beauftragt, dir zu helfen. Es ist wichtig, dass Großeltern und ihre Kinder sich darüber austauschen, welche Erwartungen sie voneinander haben. Großeltern müssen die Grenzen der Kernfamilie akzeptieren. Sie sollten nie ohne Absprachen große Geschenke und Versprechungen machen. Wenn Enkel, Kinder und Großeltern zusammen sind, sind immer die Eltern die Bestimmer.

Das fällt manchen vielleicht schwer?

Nun, Großelternschaft muss auch gelernt werden, ist eine Entwicklungsaufgabe.  Großeltern sollten auch die Enkelkinder nicht zum alleinigen Sinn ihres Lebens machen. Es ist wichtig, dass die Großeltern ein eigenes Leben haben. Den Großeltern muss klar sein: Wir dürfen auch Nein sagen, absagen, wenn wir als Babysitter einspringen sollen. Das hängt natürlich auch von der Situation ab: Wie wichtig ist der Termin, den ich habe, kann ich den verschieben, und wie dringend werde ich gebraucht? Wenn ein Notfall eintritt, jemand von den Eltern ins Krankenhaus muss, werden die Großeltern die Familie sicher unterstützen. 

Interview: Andrea Kolhoff

Das vollständige Interview lesen Sie im aktuellen Kirchenboten.