So fern und doch so nah
Schule von zu Hause aus, per Computer und Handy. Was für die meisten Schüler, Eltern und Lehrer mit der Corona-Krise begonnen hat, ist Matthias Hagenhoff gewohntes Arbeiten. Er unterrichtet katholische Religion an der Nordsee.
In Schleswig-Holstein sind die Ferien zu Ende. Die Schule hat begonnen. Irgendwie muss es gehen. Die Schüler sitzen zu Hause, bekommen Aufgaben per Internet oder per Post. Eine Notlösung, ungewohnt für Eltern, Schüler und Lehrer. Für Matthias Hagenhoff ist die Situation nicht so neu. Denn er ist Lehrer für katholische Religion an der Nordseeküste. Auf der Halbinsel Eiderstedt. Rund um Bredstedt, Husum und St. Peter-Ording leben nur wenige Katholiken. Das heißt auch: große Abstände zwischen Lehrer und Schülern. Auch ohne Corona-Krise. Unterricht aus der Distanz, mit WhatsApp-Gruppen auf dem Handy, Telefon- und Videokonferenzen gehören seit langem zum Schulalltag im Fach katholische Religion. „Du musst dir etwas einfallen lassen, wenn du in der Diaspora Religionsunterricht organisierst“, sagt Matthias Hagenhoff.
Ein Lehrer für neun weit verstreute Schulen
Unterricht wie anderswo ist kaum möglich, wenn ein Lehrer neun Schulen hat, wenn er Schüler von der ersten Klasse bis zur gymnasialen Oberstufe unterrichtet; und wenn die Eltern teilweise nicht Deutsch sprechen, weil sie aus Litauen, Polen, Togo, aus Rumänien oder der Ukraine kommen.
Damit das funktioniert, gibt es das Fach Religion oft nur alle 14 Tage. Dann kommen Schüler aus mehreren Jahrgängen und mehreren Orten am Nachmittag in einer Schule zusammen. Dazwischen gibt es Kontakt mit anderen Mitteln. „Ich habe deshalb schon vor Jahren WhatsApp-Gruppen gegründet“, erzählt Matthias Hagenhoff, „obwohl das normalerweise in der Schule nicht erlaubt ist.“ Aber es gab eine Sondererlaubnis. Die Korrespondenz findet nur innerhalb der Gruppe statt, und die Regel ist: Kein Schnacken untereinander, eingestellt werden nur Schulthemen. „Ich gebe Arbeitsaufträge, zum Beispiel die Aufgabe: Sammelt etwas über die sieben Gaben des Heiligen Geistes. Welche sind es? Was ist damit gemeint? Und was könnten sie für euch bedeuten?“ An einem vereinbarten Zeitpunkt gibt es eine Videokonferenz, in der alle Schüler ihre Ergebnisse vortragen.
Schon vorher braucht der Religionslehrer eine gute Kommunikationstechnik – wenn er Schüler und Eltern daran erinnert, dass die nächste Reli-Stunde in der Schule stattfindet. „Das ist gar nicht so einfach, zum Beispiel weil der 14-tägige Rhythmus nach jeden Ferien neu beginnt.“ Anderswo macht man das mit Telefonketten. „Das kann man bei uns vergessen. Denn viele Eltern können gar nicht Deutsch. Wenn ich da auf den Anrufbeantworter spreche, passiert gar nichts.“ Per Handy ist das einfacher. Hagenhoff wirft einfach ein Übersetzungsprogramm an und alle Eltern bekommen die Information in ihrer Sprache.
Das alles funktioniert gut, sagt Hagenhoff. Und trotzdem ist es für alle schön, sich leibhaftig zu sehen. Denn die Begegnung in Fleisch und Blut ersetzt nichts. Denn dann nimmt Hagenhoff auch mal seine Gitarre, es wird gesungen, jede Reli-Stunde ist ein Wiedersehen und machmal fast wie ein Fest. Dafür fahren die Schüler und der Lehrer weite Wege. 40 Kilometer liegen zum Beispiel zwischen Matthias Hagenhoffs Wohnort Mildstedt bei Husum und der Nordseeschule in St. Peter-Ording. „Auf dem Weg mache ich noch kurz halt und nehme ein Kind aus Petenbüll mit.“
Text: Andreas Hüser