Benediktiner pflegen Westafrikas Musiktradition

Stegharfe trifft auf Gregorianische Choräle

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Im Senegal bauen Benediktiner das afrikanische Instrument Kora - und verbinden ihren Klang mit gregorianischen Chorälen. Ein Hit in den Gottesdiensten.

Foto: kna/Katrin Gänsler
Jean Paul Mendy, Benediktiner und Mitarbeiter der Kora-Werkstatt, stimmt ein neues Instrument. Foto: kna/Katrin Gänsler


Jean Paul Mendy nimmt vorsichtig eine Saite nach der anderen zwischen Daumen und Zeigefinger, zupft sie leicht und lauscht dem Klang nach. Wenn der noch nicht seiner Vorstellung entspricht, dreht er vorsichtig an dem kleinen Wirbel, bis alles stimmt. Die nächste Kora aus dem Kloster Keur Moussa - auf Wolof heißt das "Haus des Moses" - im westafrikanischen Senegal ist fertig gebaut, frisch gestimmt und kann entweder nach Europa verkauft werden oder im nächsten Gottesdienst erklingen. Kalebasse heißt der Klangkörper, ein Flaschenkürbis, der mit Kuhleder bespannt ist.

Daran ist ein langer Holzsteg befestigt, an dem neben den Saiten ein kleines Kreuz aus Metall sowie zwei Sterne angebracht sind - Zeichen dafür, dass dieses Instrument einen besonders guten Klang hat. Auf die gerade fertiggestellte Kora ist auch die Zahl 2203 eingestanzt: So viele afrikanische Stegharfen sind in den vergangenen 50 Jahren in Keur Moussa gebaut worden. Die Kora-Werkstatt hat das Benediktinerkloster, das eineinhalb Autostunden von der Hauptstadt Dakar entfernt liegt, weltberühmt gemacht.

Die Geschichte des Klosters ist rund zehn Jahre älter. Neun Benediktinermönche aus der Abtei Sankt Peter zu Solesmes im Nordwesten Frankreichs gründeten es 1963 und brachten gregorianische Gesänge mit, für die das Kloster bekannt ist. "Dann erhielt einer der ersten Mönche allerdings eine Kora als Geschenk", sagt Bruder Lazare Gomis, Leiter der Kora-Werkstatt. Auch hörten sie Kora-Klänge im Radio. "Bruder Dominique Catta wurde schließlich beauftragt, nach traditionellen Instrumenten und alten Liedern zu suchen." Nach und nach stellte er so die einzigartige Liturgie zusammen und vermischte Kora, Balafon - es ähnelt dem Xylophon - sowie verschiedene Trommeln mit den Jahrhunderte alten Gesängen aus Europa.


Mehrere Stunden Fahrzeit für einen Gottesdienst im Kloster

Jeden Sonntag sorgt das für eine voll besetzte Kirche. Für den Besuch der Messe um zehn Uhr nehmen einige Fahrzeiten von mehr als eineinhalb Stunden auf sich. Eine lange Anfahrt hat Marie Odile Biaye allerdings nicht mehr, da sie ganz in der Nähe wohnt. "Mein Mann und ich stammen aus Dakar, sind dort aufgewachsen. Gemeinsam mit unseren beiden Kindern sind wir jetzt aber hierher gezogen. Wir wollten wirklich in der Nähe des Klosters sein. Schon als Jugendliche habe ich hier an Einkehrtagen teilgenommen."

Die Musik spielt dabei eine entscheidende Rolle. "Im Senegal werden verschiedene Arten für die Liturgie genutzt. Manchmal nur Trommeln, manchmal afrikanische Gospels. Doch diese Musik ist anders, weil sie meinen Geist anspricht. Ich finde sie sehr entspannend. Sie passt zu den stillen Gebeten und ist nicht aufdringlich", urteilt Marie Odile Biaye.

Auch Bruder Maixent Louis Ndeki, der seit mehr als 30 Jahren Benediktinermönch in Keur Moussa ist, sagt: "Die Kora unterstützt unsere Gebete. Sie ist ein mystisches, ein so friedliches Instrument. Sie passt sehr gut zur Liturgie. Das ist eine Harmonie." Dass sie für die Liturgie genutzt werden darf, liegt am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Es machte möglich, dass Gottesdienste in den Volkssprachen, auch afrikanischen wie Wolof gefeiert werden können. Auch hielten traditionelle Instrumente Einzug in die Kirchen. "Das war eine willkommene Öffnung", sagt Maixent Louis Ndeki. Gleichzeitig sei es wichtig, dass die gregorianischen Gesänge sowie die lateinische Sprache nicht in Vergessenheit geraten. Beides habe seinen Platz.

Mit Religion hatte die Kora allerdings bis zu ihrem Einzug ins Kloster nichts zu tun. Es ist das Instrument der Griots gewesen, Westafrikas Dichter, Sänger und Geschichtenerzähler, die einst von Dorf zu Dorf zogen. Abends versammelten sich alle Bewohner, um ihren Erzählungen und Liedern zu lauschen. Diese Tradition, die sich vom Senegal bis nach Niger zieht, gibt es kaum noch.

Umso wichtiger ist es, dass die Kora neue Wirkungsfelder bekommt. Von Keur Moussa aus hat sie ihren Weg in andere Klöster in Afrika gefunden. Gleichzeitig entdecken immer mehr Künstler das Instrument neu, mischen es beispielsweise mit Afro-Beat-Klängen und spielen es bei Weltmusik-Festivals in ganz Europa.

kna