Thesenanschlag – aber anders

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Mit einem Kreuz und Transparenten kamen Erhard Maria Klein und die Christians for Future zum Mariendom. Martina Skatulla schlägt die zweite Thesentafel an. Dompropst Berthold Bonekamp hat gegen diese Protestaktion nichts einzuwenden.
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Fotos:Andreas Hüser

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Mit einem Kreuz und Transparenten kamen Erhard Maria Klein (6. v. links) und die Christians for Future zum Mariendom. Martina Skatulla schlägt die zweite Thesentafel an. Dompropst Berthold Bonekamp (4. von rechts) hat gegen diese Protestaktion nichts einzuwenden.

Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenburg. Am Reformationstag 2023 gab es wieder einen Thesenenanschlag. Diesmal am Hamburger Mariendom. Ein Aufruf zur Umkehr in der Klimapolitik.

Nicht Martin Luther, sondern die Hamburger Gruppe der „Christians for Future“ hatte diese Aktion vorbereitet und neuneinhalb Thesen verfasst. Diese Thesen reden nicht vom Ablasshandel, ihr Thema ist nicht nur auf die Kirche beschränkt. Und sie richten sich nicht gegen den Papst. Im Gegenteil. Sämtliche Thesen der „Christians for Future“ sind Worte von Papst Franziskus, entnommen aus seinem jüngsten Apostolischen Schreiben „Laudate Deum“. 

Darin mahnt der Papst alle Menschen auf der Erde, die Gefahr der Klimakatastrophe nicht zu verleugnen, sondern ihr mit sozialen und ökologischen Veränderungen zu begegnen. „Wir von den Christians for Future teilen diese Sorge des Papstes um unsere Lebensgrundlagen“, sagte der Sprecher der Gruppe, Erhard Maria Klein, in einem Statement vor dem Dom. „Und so stehen wir hier im Namen von Papst Franziskus und sagen: Wir können nicht anders und wir werden nicht müde, die notwendige gesellschaftliche Transformation einzufordern – biblisch gesprochen: zur Umkehr aufzurufen.“ 

Die Umweltgruppe sieht sich durch das Papstschreiben gestärkt. Denn: „Papst Franziskus hat auch das Engagement der Klimaaktivisten gewürdigt, die eine Lücke in der Gesellschaft füllen, weil die Gesellschaft als Ganze ihrer Verantwortung nicht nachkommt, den notwendigen Druck auf Politik, Wirtschaft und Institutionen auszuüben, zu denen auch die Kirche gehört.“


„Wir teilen diese Sorge des Papstes“


Der Thesenanschlag bei feuchtem Herbstwetter war begleitet von einem Moment der Stille, des Gebet und Gesangs. Gekommen waren auch Generalvikar Sascha-Philipp Geißler und der „Hausherr“, Dompropst Berthold Bonekamp. „Wir nehmen diese Aktion gern an“, sagte Pater Geißler den Aktionsteilnehmern. „Ich finde es bemerkenswert, dass katholische und evangelische Christen die Aussagen des Papstes an das Tor einer katholischen Kathedralkirche heften.“ 

Die neuneinhalb Thesen sind folgende:

1. „Der menschliche – anthropogene – Ursprung des Klimawandels kann nicht mehr bezweifelt werden.“

2. „Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leugnen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren, die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor.“

3. „Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst, und nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird, vor allem wenn man bedenkt, in welcher Weise sie sich gerade jetzt ihrer bedient…“

4. „Mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht.“

5. „Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, ‚Grünes‘, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird.“

6. „Ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst.“

7. „Die Wirklichkeit ist, dass ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten fünfzig Prozent der gesamten Weltbevölkerung.“

8. „Zu sagen, dass man sich (vom nächsten Klimagipfel in Dubai) nichts zu erwarten braucht, gliche einer Selbstverstümmelung, denn es würde bedeuten, die gesamte Menschheit, insbesondere die Ärmsten, den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auszusetzen.“

9. „Es wird von uns nichts weiter verlangt als eine gewisse Verantwortung für das Erbe, das wir am Ende unseres Erdendaseins hinterlassen werden.“

9 1/2. „Welchen Sinn hat mein Erdendasein? Wofür arbeite ich und mühe mich ab?“

Andreas Hüser