Allerheiligen in Corona-Zeiten

Tröstet einander!

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Wer in diesem Corona-Jahr einen lieben Menschen verloren hat, hat es doppelt schwer: weil er oder sie zurückbleibt – und weil man weniger gut gemeinsam trauern kann. Doch auch jetzt gibt es Wege, wie ein gemeinschaftliches Totengedenken an Allerheiligen gelingen kann.

Zwei Frauen stehen vor einem Denkmal mit Kerzen.
Aus vielen Einzelbesuchen wird eine große Gebetsgemeinschaft: Auch so kann Solidarität 
in Tod und Trauer sicht- und spürbar werden.

Von Susanne Haverkamp 

Das Totengedenken, sagt der Priester und Liturgiewissenschaftler Jürgen Bärsch, ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit. „Wenn viele Freunde, Verwandte und Bekannte am Grab stehen, ist das ein Trost für die Angehörigen“, sagt er. Dass „das Letzte, was wir irdisch tun können“, nicht so geschehen kann, wie auch der Verstorbene es gewollt hätte, das belastet zusätzlich. Viele Familien mussten das im Corona-Jahr erleben.

Auch das Totengedenken an Allerheiligen und Allerseelen ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit. „Das erkennt man schon daran, dass die beiden Feste so nah beieinanderliegen“, sagt Bärsch. „Leben und Tod, Himmel und Erde, sind nicht getrennt. Und je mehr Menschen auf Erden und Heilige im Himmel eine Gebetsgemeinschaft bilden, desto besser für die Verstorbenen.“ So glaubte man es im Mittelalter und verband die Sorge für die Toten mit der Sorge für die Armen. „In Bayern gibt es die Tradition der Allerheiligenstrietzel“, sagt der Theologe. „Arme klopften an die Häuser, bekamen das Gebäck und versprachen als Dank, für die Toten der Familie zu beten.“

Das klingt fremd – und doch ist das Gemeinschaftliche von Tod und Trauer immer noch wichtig. „Ein Fahrrad an der Kreuzung, auf der ein Radfahrer starb, ein Kreuz am Baum an der Landstraße – mit diesen Symbolen weiten Menschen ihre Trauer aus“, sagt Bärsch. Der Tod geht eben nicht nur den engsten Familienkreis etwas an. „Diese Symbole laden ein, an einen Toten zu denken, den wir gar nicht kennen. Und gleichzeitig mahnen sie uns, selbst vorsichtig zu sein.“ Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde, zwischen Lebenden und Toten.

Nicht nur das eigene Familiengrab ist wichtig

Genau deshalb ziehen vielerorts an Allerheiligen Prozessionen über den Friedhof. Sie zeigen: Hier geht nicht jeder nur an sein Grab – wir bleiben auch bei anderen stehen. Das Totengedenken ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit. Auch in diesem Jahr. Auch, wenn es unter Corona-Bedingungen vielleicht keine große Prozession zur Gräbersegnung geben kann. Auch, wenn sich nicht wie sonst die Großfamilie am Grab treffen und anschließend auf engem Raum Kaffeetrinken kann. Keine Frage, dass das ein Schmerz ist – gerade für die Familien, die schon nicht richtig Beerdigung feiern konnten.

„Tröstet einander“ – heißt es mehrfach in den neutestamentlichen Briefen. Das gilt gerade jetzt. Indem man an Allerheiligen lange telefoniert, falls man sich nicht sehen kann. Oder ein Familientreffen im Internet organisiert. Indem man nacheinander zum Friedhof geht – und das Lichtermeer immer weiter wächst. Indem man ein Licht auf Gräber stellt, die nicht die eigenen sind, und sich bei Menschen meldet, die sonst allein bleiben in ihrer Trauer.