Erfurter Tagung zur Transzendenz Gottes
Unendlich und doch erfahrbar
Christen leben in der Gegenwart eines Gottes, der jenseitig und zugleich den Menschen nahe ist. Dies zu reflektieren, war Thema einer Tagung zum 65. Geburtstag des Erfurter Fundamentaltheologen Michael Gabel.
Bischof Ulrich Neymeyr, Professor Heinrich Niehues-Pröbsting, Bischof Gerhard Feige und Professor Michael Gabel während der Tagung an der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt. | Foto: Eckhard Pohl |
Die Frage nach dem Unendlichen, Jenseitigen, Transzendenten, nach Gott, wie sie die Menschen in den Religionen stellen, darf nicht verstummen. Das ist dem Erfurter Fundamentaltheologen Michael Gabel gerade im Blick auf die Menschen hierzulande besonderes Anliegen. „In unserem christlichen Glauben“, so der Hochschullehrer und Seelsorger, „reicht es darüber hinaus aber nicht aus, einfach nur davon zu sprechen, dass Gott jenseits der diesseitigen Erfahrungswelt da ist. Der Gott der Christen lässt seine absolute Andersartigkeit hinter sich, indem er sie in seinem menschgewordenen Sohn in größte Nähe umkehrt. Wissenschaftlich ausgedrückt: Der Gott der Christen transzendiert seine Transzendenz. Gott offenbart sich in Jesus Christus als ,Immanuel-Gott‘, der auf die Schöpfung und die Menschen zugeht, um bedingungslos und ganz mit ihnen zu sein.“ Der Mensch seinerseits könne Gott begegnen, wenn er sich auf diesen Schritt einlässt und „eintritt in die Transzendenz der Transzendenz“.
Wissenschaft und Künste dringen auf ihre je eigene Weise in diese innere Dynamik von Gott und seiner Schöpfung vor, so Gabel. Dies zu zeigen und zu reflektieren gehöre zu den Aufgaben der Theologie. In diesem Sinne lud der Fundamentaltheologe nun anlässlich seines 65. Geburtstages gemeinsam mit Mitstreitern zu einer Tagung unter dem Thema „Infinitum aliter (Anderswie unendlich). Die Gottesfrage im Bann gesteigerter Transzendenz“ nach Erfurt ein.
Wie vielfältig die Zugänge zu dem Thema sein können, machten 25 Referenten deutlich. Zum Auftakt ging es bei einem Abend im Erfurter Angermuseum um die Bildende Kunst und wie sie sich den Spuren des Transzendenten widmet. So sprach etwa Kai-Uwe Schierz (Erfurt) über „Das Paradoxon des Unaussprechlichen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts“. Ganz am Ende der Tagung widmeten sich Thomas Brose und Jürgen Israel (beide Berlin) dem Aufleuchten des „Infinitum aliter“ (des Anderswie Unendlichen) in der Dichtung. Zuvor war es etwa in Beiträgen von Christian Bock (Sömmerda) um Unendlichkeit und Musik und von Holger Zabarowski (Vallendar/Koblenz) um Annäherungen an das Heilige gegangen.
Wissenschaft und Künste und die Transzendenz
Im Tagungsteil „Transzendenz in Theologie und Naturwissenschaft“ sprach Professor Wolfgang Weigand (Jena) - ausdrücklich als Naturwissenschaftler - über die „Entstehung des Lebens aus chemischer Sicht“.
Wie sich die andersartige Unendlichkeit Gottes in der Theologie spiegelt, wurde in Beiträgen von Pater Friedrich Bechina (Rom), dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr und seinem Magdeburger Kollegen Gerhard Feige deutlich. Feige sprach sich angesichts des Eintritts Gottes in die Geschichte in seinem Sohn für eine stärkere Berücksichtigung der „Geschichtlichkeit“ von Kirche und Theologie aus. „Um die eigene Identität und auch andere Traditionen besser verstehen zu können, um gegebenenfalls Konflikte zu entschärfen und verantwortbare gemeinsame Lösungen für Gegenwart und Zukunft zu finden“, könne man „nicht darauf verzichten, die historische Dimension aller Äußerungen und Entwicklungen in gebührender Weise zu berücksichtigen“, mahnte Feige, der vor seiner Bischofsweihe Professor für Alte Kirchengeschichte und Patrologie war. Dies gelte selbst für die Dogmen als verbindliche Lehraussagen.
Nach Einschätzung des Erfurter Bischofs Neymeyr ist der Dialog zwischen Juden und Christen derzeit so gut wie nie zuvor. Austausch und Zusammenarbeit von Juden und Christen in Deutschland hätten Modellcharakter, wie ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Religionen gelingen kann. Neymeyr ist bei der Deutschen Bischofskonferenz für die Beziehungen zum Judentum zuständig. Nach Zeiten „jahrhundertelangen Antijudaismus in der katholischen Kirche“ gebe es heute zwischen Juden und Christen eine grundlegende Neubewertung der Beziehungen zueinander. Neymer verwies in diesem Zusammenhang auf die 2017 Papst Franziskus überreichte erste offizielle Erklärung orthodoxer Rabbiner zum Verhältnis von Juden und Christen mit dem Titel „Zwischen Jerusalem und Rom“.
Im Dialog mit anderen Wissenschaften stehen
Für den vatikanischen Bildungs-Experten Friedrich Bechina muss die Theologie einen „Aufbruch im Dialog“ mit anderen wissenschaftlichen Fachrichtungen wagen. Das bedeute „auch die Anerkennung einer Vielfalt“. Konflikte, die sich aus einer zunehmenden Pluralität ergäben, dürfe man nicht leugnen, sondern müsse sich damit konstruktiv auseinandersetzen. Aufgaben der Theologie sei es, „Grenzen aufzuzeigen, etwa im moralischen Bereich, aber auch über Grenzen hinauszuweisen“.
Der katholischen Theologie in Erfurt misst der Untersekretär der vatikanischen Bildungs-Kongregation weltkirchliche Bedeutung bei. „Erfurt leistete und leistet Großes für die Weltkirche.“ Es gibt hier „eine größere und geradezu vorbildliche Freiheit in der Wahrnehmung von Entwicklungen.“
Michael Gabel ist nicht nur Professor für Fundamentaltheologe in Erfurt, sondern hat der Fakultät von 2011 bis 2017 als Dekan vorgestanden und ist zugleich seit 25 Jahren Seelsorger in der Pfarrgemeinde Ichtershausen.
Von Eckhard Pohl