Nonnen sollen Kinder für Sex verkauft haben

Unfassbare Verbrechen im Bistum Speyer

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Ordensfrauen sollen Priestern den systematischen sexuellen Missbrauch von Jungen und Mädchen in einem Kinderheim in Speyer ermöglicht haben. Ein Betroffener erzählt vor Gericht von Gruppenvergewaltigungen durch Geistliche.

Ein Schatten in Form eines Kreuzes fällt durch einen Türspalt in einem dunklen Raum,
Dunkle Schatten: Der frühere Generalvikar von Speyer soll Sexpartys organisiert haben, bei denen sich mehrere Erwachsene an Kindern vergingen.

Ordensschwestern in Speyer haben offenbar über Jahre Heimkinder mehreren Geistlichen zum sexuellen Missbrauch überlassen. Vielleicht geht es sogar um Mord zur Vertuschung des Skandals, wie aus einem Urteil des Sozialgerichts Darmstadt hervorgeht. Losgetreten hatte den Skandal der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann mit einem Interview in seiner Kirchenzeitung, in dem er davon ausgeht, dass sich der frühere Generalvikar und Offizial Rudolf Motzenbäcker in den 1960er und 1970er Jahren des Missbrauchs schuldig gemacht habe.

Das Darmstädter Urteil vom Mai beschreibt die dramatische Kindheit eines 1957 geborenen Mainzers aus prekären Verhältnissen, der nach diversen Stationen mit fünfeinhalb Jahren im Kinderheim der Niederbronner Schwestern in Speyer landete. Die Zeit da nennt er eine „Zeit des ständigen Missbrauchs“. 1000-mal sei er vergewaltigt worden.

Angefangen hatte der systematische Missbrauch laut den Schilderungen im Alter von zehn oder elf, als er Ministrant im Kaiserdom war. Der im Urteil als Haupttäter beschriebene Priester, mit dem Motzenbäcker gemeint sein dürfte, der gleichzeitig auch noch sein Beichtvater war, habe ihn immer wieder mit in seine Wohnung genommen und sei dort anal und oral in ihn eingedrungen. Dabei habe er auf einer Kniebank knien müssen, damit der Prälat ihn leichter von hinten habe penetrieren können.

Ein- bis zweimal monatlich habe er den Priester besuchen müssen. Als Vorwand für Begegnungen habe etwa Hilfe im Garten herhalten müssen. Die Nonnen hätten ihn zu den Treffen „regelrecht hingeschleppt“. Manchmal, so gibt es das Urteil wieder, seien auch andere Priester dazugekommen; einmal hätten ihn drei Geistliche auf einmal missbraucht. Alle seien oral und anal in ihn eingedrungen und hätten „ihre Sexspielchen“ mit ihm gemacht. 

Daneben berichtete das Opfer von psychischen und körperlichen Misshandlungen wie Einsperren im Keller und von Schlägen. Die Nonnen hätten „mit allem gehauen“, was sie in die Hände bekommen hätten. Dazu sei es vor allem vor und nach Vergewaltigungen gekommen.
Zu sogenannten Sexpartys, die alle drei bis vier Monate stattfanden, seien auch Freunde und Politiker gekommen – zwischen drei und sieben Männer zwischen 40 und 60 Jahren. Bei diesen „Gruppenvergewaltigungen“ seien auch andere Jungen und Mädchen vor Ort gewesen. 

Blutige Betttücher und ein totes Mädchen

Wörtlich die im Urteil wiedergegebene Schilderung: „Es habe einen Raum gegeben, in dem die Nonnen die Herren mit Getränken und Speisen bedient hätten, in der anderen Ecke seien die Kinder vergewaltigt worden. Die Nonnen hätten daran verdient. Die anwesenden Herren hätten großzügig gespendet.“ Anschließend seien die Leinenbetttücher blutig gewesen, wenn Geschlechtsorgane der Kinder aufgerissen seien. Die meisten der Kinder seien heute tot. Viele hätten sich selbst umgebracht.

Als prägenden Vorfall nennt das Opfer seinen Kontakt zu einem ein Jahr jüngeren Mädchen, die nach einer Sexparty schwanger geworden sei. Er sei mit ihr bei der Polizei und anderen Behörden gewesen, aber überall als Lügner dargestellt worden. Zwei Wochen später habe er sie beim Abendessen vermisst und gesucht. Schließlich habe er sie auf dem Speicher aufgehängt aufgefunden. Er glaube nicht an Selbstmord, weil es keine Aufstiegshilfe an der Stelle gegeben habe. Er vermute, so steht es im Urteil, dass das Mädchen zu viel gewusst habe.

Das Gesicht des toten Mädchens werde er nie vergessen, er sei daran innerlich zerbrochen. Mehrere Gutachter und das Gericht hegen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Mannes.

Ans Licht kam die Geschichte, weil der Mann Hilfe nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen wollte. Das Gericht ermittelte. Der Beitrag der Niederbronner Schwestern zur Aufklärung ist bescheiden. Ihr Missbrauchsbeauftragter ließ wissen, dass keine Unterlagen mehr zum Aufenthalt von Kindern in Speyer vorlägen. Schwestern, die früher in dem Heim gearbeitet hätten, könnten die Behauptungen des Klägers nicht bestätigen. 

Allerdings bestätigten andere Betroffene die Aussagen des Klägers und belasteten Motzenbäcker. Das Bistum Speyer zahlte dem Mann in Anerkennung des Leids 15 000 Euro.

kna/Michael Jaquemain