Vereint als Weltenfamilie
Am Sonntag, 14. März gründet Erzbischof Stefan Heße feierlich die neue Pfarrei Sankt Paulus, Apostel der Völker in Billstedt. Sie prägen große soziale Unterschiede. Die Pfarrcaritas spielt daher eine herausragende Rolle im Pastoralkonzept.
„Das Wichtigste ist: Wie schaffen wir es im katholischen Hamburger Osten, inmitten der vielen zeitgleichen Krisen neues Vertrauen in uns als Kirche zu gewinnen, damit Jung und Alt zu einer tragfähigen Freundschaft mit Jesus finden“, sprudelt es aus Felix Evers heraus. Noch ist er Pfarrer der Gemeinde St. Paulus in Billstedt, zu der auch die Kirche St. Stephanus in Mümmelmannsberg gehört. Von Sonntag an leitet er die neue Pfarrei „Sankt Paulus, Apostel der Völker“. Dazu zählen dann noch die Gemeinden St. Agnes in Tonndorf, zu der auch die Kirche St. Martin im schleswig-holsteinischen Barsbüttel zählt, sowie St. Joseph in Wandsbek.
Peter Tschentscher spricht Grußwort
Erzbischof Stefan Heße wird an diesem Laetaresonntag, dessen Name mit der liturgischen rosa Messfarbe nach mehr als der Hälfte der Fastenzeit für die Vorfreude auf Ostern steht, um 10.30 Uhr feierlich die Pfarreigründung im Hochamt vollziehen. Mit dabei auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der ein Grußwort sprechen wird. Zu verfolgen ist das natürlich in Coronazeiten auch per Videostream auf der Website stpaulusbillstedt.wordpress.com. „Aber wir hoffen, dass wir im Spätsommer die Fusion noch mit einem richtigen Pfarrfest feiern können“, sagt Evers.
Sehr rege, engagiert und Neuem aufgeschlossen, so zeigt sich Evers stets – und eben auch bei seinen Plänen für die neue Pfarrei. „Die Pfarrleitung wird später im Team auch mit Laien, so Gott will auch paritätisch mit Frauen erfolgen“, sagt er. Ähnlich wie es bereits im mecklenburgischen Neubrandenburg und im Hamburger Westen geschehe. „Dort aber ist das aus der Not heraus geboren worden, das ist hier anders“, betont er. „Weil die Anzahl Hauptamtlicher künftig rapide abnimmt und die nächsten Priesterweihen in Hamburg ausfallen, wollen wir noch in guten Zeiten das Leitungsamt neu denken und Charismen entdecken.“ Ehrenamtliche Laien dürften nicht erst als Notnägel ernst genommen werden, sagt Evers, sondern ihre Berufung ergebe sich aus der geistgeschenkten Gleichheit aller Getauften. Die gegenwärtige Aufarbeitung klerikalen Machtmissbrauchs beschleunige zudem das Modell einer „Pfarrleitung im Team“. Derzeit hat schon mit Nadine Hahl eine Frau die Verwaltungskoordination in der Pfarrei übernommen.
In der neuen Pfarrei leben etwa 180 000 Menschen, von denen rund 20 000, also circa elf Prozent, katholisch sind. Sozial ist der Raum sehr heterogen. In Stadtteilen wie Billstedt, Mümmelmannsberg und Jenfeld herrscht eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und Kinderarmut. Auch ist dort der Anteil von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund überdurchschnittlich hoch. In Marienthal, das zu Wandsbek zählt, und Barsbüttel hingegen leben Menschen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen – und mehr Ältere, während in Billstedt und Mümmelmannsberg außergewöhnlich viele junge Bürger leben.
Zu der neuen Pfarrei zählen neben dem Maximilian-Kolbe-Haus der Hochschulgemeinde an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr drei Kindertagesstätten und zwei Schulen: die Grundschule St. Joseph in Wandsbek und die Grund- und Stadtteilschule St. Paulus in Billstedt. Kinder- und Familienseelsorge sowie Pastoral für Jugendliche und junge Erwachsene bilden auch deshalb einen besonderen Schwerpunkt in dem Pastoralkonzept.
Darin spiele auch die Pfarrcaritas eine starke Rolle, betont Norbert Kiencke, bislang Vorsitzender des Pfarrgemeinderates von St. Joseph. Dazu zählen beispielsweise der Mädchentreff IN VIA von St. Paulus, der sich an sozial benachteiligte Mädchen ab zwölf Jahren richtet, die Schwangerenberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen in St. Agnes und die Sozialberatung der Caritas in St. Stephanus. Aber auch die ältere Generation wird nicht aus dem Blick verloren. So gibt es etwa auch einen Telefondienst für Senioren und Alleinstehende in St. Joseph.
Geistliche bleiben an ihren Kirchorten
„Bei der Fusion schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, sagt Kiencke weiter, der als Rendant auch die Finanzen in St. Joseph prüft. „Zum einen sehe ich die Notwendigkeit ein, größere Verwaltungseinheiten zu schaffen. Zum anderen sind die Gläubigen aber auch stark an einen bestimmten Kirchort gebunden.“ Er begrüßt es daher, dass Pfarrer Felix Evers keine Rotation der Geistlichen in den Gemeinden vorsieht, dort also die Ansprechpartner und auch die Pfarrbüros bleiben – und damit der Bezug zum Kirchort. Auch Christian Sommer, bislang Pfarrgemeinderatsvorsitzender in St. Agnes, ist dieser Meinung, zumal es große Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden gebe.
„Wir sind uns einig, dass wir nur in den wirklich notwendigen Bereichen etwas vereinheitlichen“, sagt Evers. Zugleich will er aber „das eigenständige kirchliche Leben vor Ort mit all den gewachsenen und altehrwürdigen Traditionen fördern“. Zudem möchte er „die Ökumene verlebendigen – auch mit unseren syrisch-orthodoxen Nachbarn“.
In der neuen Pfarrei leben Katholiken aus mehr als 100 Nationen, sie ist quasi die „Welt im Wassertropfen“. Unter den Nicht-Deutschen sind am stärksten Polen, Vietnamesen, Kroaten, Portugiesen, Italiener, Spanier und Ghanaer vertreten. Diese Vielfalt kommt auch in dem Namen der Pfarrei zum Ausdruck, genauer: dem Zusatz „Apostel der Völker“ – als solchen bezeichnete sich Paulus selbst. „Gern pflege ich den Brauch, in jeder Klasse der St. Paulus Schule eine Weltkarte aufzuhängen, um in all die Länder eine bunte Stecknadel zu stechen, in die hinein wir durch die Stammbäume der Schulkinder Beziehungen haben“, sagt Evers. Wenn in jedem Land eine Nadel stecke, sei die ganze Welt unser schulisches Zuhause. „In der Kirche gibt es keine Ausländer. Gottes Geist vereint uns mit den unterschiedlichsten Charismen eines jeden Geschöpfes zu einer Weltenfamilie.“
Text: Matthias Schatz