Von Hamm nach Ottensen

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Nachdem die eritreisch-katholische Gemeinde knapp fünf Jahre lang in Herz Jesu zu Hause war, treffen sich die Katholiken aus dem Osten Afrikas nun in St. Marien. Sie feiern Gottesdienste und nutzen die Treffen für Gespräche.

Pater Hidru Kibrom aus Rom tauft zwei Säuglinge der eritreischen Gemeinde in Hamburg
Pater Hidru Kibrom (2. v. re.) aus Rom taufte zwei Säuglinge, die zur eritreischen Gemeinde gehören, in Herz Jesu in Hamburg-Hamm. Foto: Norbert Wiaterek

Tiegisti Tewelde gehört zu den jüngsten Mitgliedern der eri­treisch-katholischen Gemeinde in Hamburg – und wahrscheinlich zu den letzten eritreischen Kindern, die in der Kirche Herz Jesu im Stadtteil Hamm getauft wurden. Das Sakrament spendete vor wenigen Tagen Pater Hidru Kibrom aus Rom. Das fünf Monate alte Mädchen wurde nicht nur von ihrer Mutter Goitom Libanos, ihrem Vater Awet Tewelde und der zwei Jahre alten Schwes­ter Eldana, sondern auch von weiteren Verwandten und vielen Freunden begleitet.

Zu Beginn der heiligen Messe, die der Gospelchor der eri­treischen Gemeinde mit Liedern begleitete, taufte Pater Kibrom ein weiteres Baby. Außerdem gab es eine Hochzeit. Für die Ost­afrikaner gute Gründe, um in der Kirche ausgelassen zu feiern, zu tanzen und zu klatschen.

Knapp fünf Jahre lang waren die Eritreer in Hamburg-Hamm zu Hause. Sie hatten in Herz Jesu zuletzt immer am ers­ten Sonnabend im Monat einen Gottesdienst im äthiopisch-alexandrinischen Ritus gefeiert. Meist waren zwischen 60 und 120 Besucher dabei, bei besonderen Messen auch mehr als 200 – aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Berlin und aus dem benachbarten Ausland.

Allerdings hat sich gezeigt, dass der Sonnabend als Gottesdiensttag eher ungünstig ist. Denn dann besuchen viele der etwa 270 Gemeindemitglieder, nahezu alle waren aus ihrer Heimat geflüchtet, die Schule oder müssen arbeiten. „Gerne hätten wir uns sonntags zu einer heiligen Messe versammelt. Aber da ist die Kirche in Hamm schon ausgebucht. Und aufgrund eines Wasserschadens im Keller des Gemeindehauses konnte unser Chor seit einigen Monaten auch nicht mehr in Herz Jesu proben, sondern musste auf andere Räume ausweichen“, bedauert Gemeinde­leiterin Ku­dusan Okbu. Die junge Frau, die im vergangenen Jahr die Ansgar-Medaille des Erzbistums erhalten hatte, lebt seit 1997 in Hamburg.

Auf der Suche nach einem neuen Versammlungsort wurden die Eritreer nun in Ottensen fündig. In St. Marien wollen die Afrikaner die nächsten heiligen Messen zunächst wieder sonnabends feiern: am 24. August und am 14. September, jeweils ab etwa 12 Uhr. Später sollen ihre Gottesdienste regelmäßig sonntags sein. Der Gospelchor probt bereits in St. Marien: sonnabends von 14 bis 18 Uhr. Von der Gemeinde Herz Jesu werden sich die Eritreer voraussichtlich Ende September mit einem Danknachmittag verabschieden.

„Es ist bedauerlich, dass uns die Eritreer, ein lebendiges Volk mit einem lebendigen Glauben, verlassen“, sagt der Pfarrer von Herz Jesu, Pater Matthias Rojek ­OFMConv. „Sie waren eine Bereicherung. Leider sind die lokalen Bedingungen in Hamm derzeit ungünstig.“ Dagegen freut sich Pastor Wolfgang ­Bruns, Pfarradminis­trator von St. Marien, über die „Verstärkung“. Durch die Gemeinde der Eritreer „wird uns die Vielfalt der katholischen Kirche vor Augen gestellt, eine Gemeinde, die sehr jung ist, in einem uns fremden Ritus die heilige Messe feiert, nach dem orthodoxen Kalender Weihnachten und Ostern feiert, von einem ehrenamtlichen Team geleitet wird und selbst die Vorbereitung auf Taufe und Eheschließung übernimmt und Besinnungstage ausrichtet. Da kann jeder voneinander lernen, wenn ein Austausch gelingt und nicht jeder Gemeindeteil für sich lebt“, betont der Pastor.

Der Glaube und die Riten können Halt geben

Kudusan Okbu hat die eri­treische Gemeinde in Hamburg aufgebaut. Als vor einigen Jahren immer mehr junge Flüchtlinge aus dem ostafrikanischen Land nach Hamburg kamen, wollte Okbu ihnen eine kirchliche Heimat bieten. „Die Menschen haben alles zurückgelassen, auch ihre Familien. Es ist schwer, neu anzufangen. Viele kommen mit der neuen Situation nicht klar. Der Glaube, die Gemeinschaft und das Feiern mit vertrauten Riten können Halt geben“, findet die Erzieherin. Sie weiß, dass es wichtig ist, den Menschen, die ähnliche Erfahrungen mit Flucht und Neubeginn gemacht haben, zuzuhören, ihre Sorgen ernst zu nehmen und ihnen eine Möglichkeit für Gespräche zu geben, etwa über Alltagsprobleme und Integrationsfragen. Dafür soll es in Ottensen wieder mehr Zeit und Möglichkeiten geben.

„Ich bin froh, dass die eri­treische Gemeinde eine wachsende katholische Gemeinde ist, die sehr jung ist und sehr engagiert“, sagt Dr. Michael Becker, Referent für die Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache im Erzbistum Hamburg. Dies sei für die Integration hilfreich.

Text u. Foto: Norbert Wiaterek