Neues Leben zwischen alten Gräbern

Warum alte Friedhöfe Kulturorte sein können

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Eine Leinwand steht auf einer Staffelei auf einem Friedhof. Darauf ein Bild aus einer Kunstaustellung.
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Foto: Lisa Discher 

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Kunst auf dem Friedhof? Kein alltäglicher Anblick. Warum das jedoch sinnvoll ist, erklärt Eva Güse.

Wer gemütlich einen Kaffee trinken möchte oder Lust auf eine Kunstaustellung hat, dem fällt als erster Ort wahrscheinlich nicht der Friedhof ein. Eva Güse würde sagen, dass das in Osnabrück zwar noch nicht Alltag ist, wünscht sich jedoch mehr Menschen auf den historischen Friedhöfen. Warum?

Von Außen wirken die historischen Friedhöfe Osnabrücks Hasefriedhof und Johannisfriedhof doch eher verschlossen. Dicke Steinmauern umgeben, graue Grabreihen durchziehen sie. Generell gelten auch solche historischen Friedhöfe, auf denen niemand mehr bestattet wird, eher als Orte der ruhigen, andächtigen Trauer und des Abschieds. Dass hinter diesen Orten jedoch viel mehr Potential schlummert als auf den ersten Blick scheinen mag - das weiß Eva Güse. 

 „Es geht um die Entwicklung einer neuen Art der Alltagskultur.“

Die gelernte Landschaftsgärtnerin arbeitet bei der Stadt Osnabrück, ist zuständig für das kulturelle Programm auf den historischen Friedhöfen. Kultur auf dem Friedhof – wie kann man sich das vorstellen? Klassische Konzerte stehen auf dem Plan. Dann zeigt sich Besuchenden ein ungewöhnliches Bild: Musiker mit Violinen und Geigen, spielen vor einem alten Mausoleum. Auch Kunstausstellungen gibt es immer wieder. Dann finden sich auf den kleinen Kieswegen, die sich über den Friedhof winden Staffeleien mit Kunstwerken – oder in der Friedhofskapelle gleich eine ganze Reihe an bunten Bildern, die bestaunt werden können.

Doch damit hat es sich nicht. Neues Leben zwischen alten Gräbern, unter diesem Motto veranstaltet die Stadt Osnabrück immer wieder Programm auf historischen Friedhöfen, wie etwa Johannis- und Hasefriedhof. Und von diesem soll Alt wie auch Jung profitieren. Zum Beispiel gibt es passend zur Halloween-Zeit im Oktober Fledermausführungen. Manchmal trifft sich auch ein Chor am Johannislabyrinth, ein anderes Mal bietet jemand einen Kung-Fu-Kurs an.

Eva Güse auf historischem Friedhof. Im Hintergrund ein Mausoleum.
Eva Güse kümmert sich um das Kulturprogramm auf den historischen Friedhöfen Osnabrücks. (Foto: Lisa Discher)

Aber warum das denn alles, ein bisschen komisch klingt das ja schon – so viel Spaß auf einem Friedhof zu haben, oder? Eva Güse sieht das anders. Zum einen respektiere das Programm die Würde des Ortes Techno-Parties oder Fußballspiele stünden zum Beispiel nicht auf dem Plan. Und zum anderen geht es um mehr, sagt Güse: Es geht um die Entwicklung einer neuen Art der Alltagskultur.“ Eine, die diese mitten in der Stadt gelegenen Orte sicht- und nutzbar macht. Unterhaltung ist Nebenfaktor, dahinter steckt nämlich noch mehr. Aber eins nach dem anderen. 

Schon im Mittelalter Orte der Begegnung

Historisch betrachtet sind Friedhöfe schon lange mehr gewesen als nur Orte der Beisetzung. Ihre Ursprünge liegen in den Kirchhöfen, wo auf geweihtem Boden nahe der Kirche Gläubige in Sichtweite des Göttlichen bestattet wurden. Schon im Mittelalter dienten sie als sozialer Begegnungsort. Schließlich gab es im öffentlichen Raum keine Parks, die Straßen war oft voll Unrat und geschäftigem Treiben.

Gleichzeitig sind Friedhöfe schon damals, doch auch heute noch, Spiegel gesellschaftlicher Ordnung. Ob prunkvolle Mausoleen, große und detailliert gestaltete Familiengräber mit Statuen oder kleine Grabsteine, die man beinahe übersieht. Bis heute zeugen sie von Stand und Status derer, die einst hier bestattet wurden. Besucherinnen und Besucher können durch einen Gang über einen historischen Friedhof in die Vergangenheit blicken. Das sagt auch Eva Güse, für sie sind die beiden Osnabrücker Friedhöfe „Geschichte zum Anfassen

Generell, so Güse, könnten Johannis- und Hasefriedhof mehr in das Blickfeld der Osnabrückerinnen und Osnabrücker rücken. Das tue gut, entspanne und könne ohne Probleme in den Alltag eingebaut werden. Wer seine Mittagspause zum Beispiel gemütlich mit einem Kaffee auf einer Bank in der Natur verbringen möchte, kann hierfür den historischen Friedhof als Park nutzen. Letztlich sei er das, nur mit mehr Geschichte und Erinnerung. Und dort lasse sich, im Schatten der hohen Weiden und in aller Ruhe Kraft tanken. Ob es das Sitzen und Lesen eines Buches ist oder die Stunde Kung-Fu oder ein Konzert, das Beethoven oder Brahms spielt. Denn all das könne die Menschen ganz nah an diese Orte bringen, trotz der Mauern, die für viele „tatsächliche Hemmschwellen sein könnten, den Friedhof überhaupt erst zu betreten". 

Kunst auf dem Osnabrücker Hasefriedhof. Eine alte Kapelle dient als Museum. Auf dem Bild sieht man den dunklen Eingang der Kapelle, die Tür ist geöffnet. Links und rechts lehnen Bilder am Boden des Eingangs.
Auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich: Eine Kunstausstellung auf dem Hasefriedhof. Eine alte Kapelle dient als Ausstellungsort. (Foto: Lisa Discher)

Darum das Kulturprogramm. Wichtig dabei: „Wir wollen vor allem auch ehrenamtliche Initiativen stärken", so Güse. Darunter falle etwa das Begegnungscafé auf dem Friedhof Schinkel. Auch dort bedeutet, so Güse, „Friedhof“ nicht gleich „Ort der Trauer“.

Programm wird mehr

Eva Güse sagt: „Da kann einfach hingegangen werden, um zu quatschen und um einen Kaffee zu trinken.“ Darum heiße das Café auch nicht Trauer-, sondern Vitus-Café. Es sei ein belebter Ort, an dem sich Leute darüber austauschen könnten, was im Stadtteil so passiere. Güse beobachtet: Programm auf Friedhöfen, das wird mehr. 

Wenn auch seit den 2000-er Jahren niemand mehr auf den historischen – Johannis- und Hasefriedhof – bestattet wurde, ist Güse überzeugt, dass sie noch immer Räume des respektvollen Gedenkens sind. So fänden sich auf einigen Gräbern immer wieder brennende Lichter und frischabgelegte Blumen. Und das obwohl seit den 2000-er Jahren hier niemand mehr bestattet wurde. Güse sagt: „Glaube und Spiritualität spielen noch immer eine Rolle.“ 

Den Tod nicht aus dem Blickfeld verbannen

Und vor allem darum geht es Güse: Den Tod nicht aus dem Blickfeld der Gesellschaft zu verbannen. „Wer sich mit der eigenen Trauer beschäftigt, findet hier einen Ort, sich mit ihr auseinanderzusetzen", sagt sie. Es sei, wie an eine Wunde zu fassen, die dadurch aber erst heile. Eva Güse ist überzeugt, dass auch öffentlicher Raum ein Ort sein könne, der mit persönlichen Emotionen verbunden werden dürfe. Die historischen Friedhöfe in Osnabrück bieten hierfür einen geschützen Rahmen, ein durchdachtes kulturelles Programm – machen gleichsam eines deutlich: „Tod und Bestattungen sind etwas zutiefst Menschliches und ein Teil unserer Kultur." 

Eine Gruppe Sängerinnen und Sänger auf dem Osnabrücker Hasefriedhof.
Hier singt Chorleiterin Sabine Weymann mit einer Gruppe Trauernder auf dem Osnabrücker Johannisfriedhof. Das Singen wird zusammen mit dem Osnabrücker Hospiz veranstaltet. (Foto: Lisa Discher)

Das werde häufig vergessen oder verdrängt, so Güse. Sie  sagt: „Dieses Narzisstische, dass man so tut, als wäre es ein peinliches Versagen zu sterben, irritiert mich." Schließlich gehöre der Tod doch ebenso zum Leben, wie Erinnern, Loslassen und Weitermachen. Und genau das bündelten die denkmalgeschützten Orte wie Johannis- und Hasefriedhof – wenn sie belebt und respektvoll genutzt würden. 

  

Lisa Discher

Anstehende Termine 2025

Jahresausstellung 2025

Die Künstlerinnen Sylke Sonnenfeld und Annette Hanekamp stellen aus.

Wann: Jeweils von 14 bis 17 Uhr

  • 5. Oktober
  • 12. Oktober
  • 19. Oktober

Wo: Kapelle Hasefriedhof

Eintritt frei, Spenden für historische Friedhöfe erbeten

Blumenzwiebeln pflanzen am Johannislabyrinth

Einladung an alle Interessierten: Pflanzkelle mitbringen und es geht los. 

Wann: 28. Oktober, 9 bis 11.30 Uhr 
Wo: Johannislabyrinth, Johannisfriedhof

Veranstaltende: Osnabrücker ServiceBetrieb, Hospiz, Rosenplatzschule

Gemeinsam Gedenken an verstorbene Kinder

Gedenkveranstaltung zum weltweiten Kerzenleuchten für verstorbene Kinder auf der ganzen Welt. Zusammenkommen in der Kapelle, Gang zur Gedenkstätte für verstorbene Kinder von Zwangsarbeiterinnen. Dort werden Laternen aufgestellt, die zuvor von Schülerinnen und Schülern zu diesem Anlass bemalt wurden. 

Wann: Sonntag, 14. Dezember, 17 bis 18 Uhr
Wo: Große Kapelle des Heger Friedhofes 

Veranstalter: Spurensuche-Osnabrück e.V.; Eintritt frei, Spenden für den Verein herzlich willkommen.