„Was wir getan haben, reicht nicht“
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Schleswig. Bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Nordkirche steht für die Schleswiger Bischöfin Nora Steen (47) der Kontakt zu den Betroffenen an erster Stelle. „Was wir bisher getan haben, reicht nicht. Betroffene spiegeln uns, dass sie sich nicht frei fühlen, alles zu sagen“, sagte die Bischöfin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Sie selbst habe schon Gespräche mit Missbrauchsopfern geführt und wolle das auch weiterhin tun. „Aber das ist ein sensibler Bereich, da muss erst Vertrauen aufgebaut werden, sofern Betroffene das überhaupt noch wollen“, erklärte die Bischöfin, die bei der Veröffentlichung der Studie am 5. Januar erst zwei Monate im Amt war.
Die Kirche müsse an einem Kulturwandel arbeiten, transparent werden in ihren Strukturen und in der Kommunikation, um Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und sexualisierter Gewalt vorzubeugen. „Das aber kann von oben nicht verordnet werden. Das ist eine innere Haltungsfrage und wird dauern“, erklärte Steen. Kirche sei nicht unfehlbar und das müsse sie auch nach außen hin vermitteln.
Nach dem überraschenden Befund zum Missbrauch wollen die evangelische Kirche und die Diakonie im Norden alle entsprechenden Akten an die schleswig-holsteinische Generalstaatsanwaltschaft übergeben. Das teilte die Landeskirche am Mittwoch mit. Die Nordkirche habe den Wissenschaftlern des ForuM-Forschungsverbundes für die Studie 58 Fälle sexuellen Missbrauchs gemeldet. In nur 14 der 58 Fälle sei Anzeige erstattet worden. Wie viele Fälle Schleswig-Holstein betreffen, könne noch nicht gesagt werden.
„Ich begrüße es außerordentlich, dass die Generalstaatsanwaltschaft Akten und Vorwürfe prüft und somit eine größtmögliche Transparenz hergestellt wird“, so der Präsident des Landeskirchenamtes, Peter Unruh. Die unabhängigen Ermittlungen und Überprüfungen der Generalstaatsanwaltschaft seien der Nordkirche „sehr willkommen, um das Vertrauen in unsere Kirche und unser entschiedenes Handeln gegen sexuellen Missbrauch wieder oder neu herzustellen“, sagte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.