Die Märyrerin wird gegen Seuchen angerufen
Was wissen wir über die heilige Corona?
Nein, mit dem Virus hat die heilige Corona nichts zu tun – eher etwas dagegen. Die Märtyrerin wird gegen Seuchen angerufen. Ein Teil ihrer Gebeine liegt im Aachener Dom. Vor allem in Bayern und Österreich wird sie verehrt.
Was hat die heilige Corona mit dem Virus zu tun?
Sie ist nicht die Namensgeberin. Das Verhältnis zwischen Heiliger und Virus ist rein sprachwissenschaftlich: „Corona“ kommt aus dem Lateinischen und lässt sich mit „die Gekrönte“ übersetzen. Coronaviren erscheinen unter dem Mikroskop kronenartig.
Was wissen wir über das Leben der Heiligen?
Es ist wenig bekannt, nicht einmal der genaue Zeitraum, wann sie der Überlieferung zufolge gelebt haben soll. Griechische Quellen geben das zweite, lateinische Quellen das vierte Jahrhundert als Lebenszeitraum an. Uneinigkeit besteht auch über ihren Lebens- und Sterbeort. So schwankt je nach Quelle der Ort des Geschehens zwischen in Antiochien (heute Türkei) Damaskus (Syrien), Alexandria in Ägypten oder gar Sizilien. Das „Martyrologium Romanum“, das Verzeichnis aller Heiligen und Seligen der römisch-katholischen Kirche, verortet das Geschehen in Syrien – allerdings auch ohne Jahresangabe.
Was wird über das Leben der Heiligen überliefert?
Als junge Frau mit etwa 16 Jahren wurde Corona Zeugin der grausamen Marterung und späteren Hinrichtung des römischen Soldaten Victor – auf Befehl des römischen Statthalters in Syrien, Sebastian. Manche Quellen sagen, sie sei mit Victor verheiratet gewesen. Ob nun als seine Frau oder als Braut eines seiner Kameraden, wie es andere Überlieferungen berichten: Sie hat ihn getröstet und bis zu seinem Tod begleitet. Sie wurde daraufhin von römischen Soldaten festgenommen und zum Verhör geführt.
Was wird über das Martyrium von Corona berichtet?
Vor dem Statthalter bekannte sie sich wie Victor zum Christentum. Sie soll Victor für seinen Märtyrertod gepriesen haben. Überliefert sind diese Worte: „Siehe, ich habe zwei vom Himmel gebrachte Kronen vor Augen, eine ist größer als die andere; diese wird von Engeln getragen und gehört dir, die kleinere wird mir bleiben; denn obschon ich eine schwache Frau bin, so bin ich dennoch bereit, um Christi willen zu leiden.“ Daher leitet sich ihr Name ab. Ihr Tod war grausam: Der Statthalter befahl, zwei Palmen gegenseitig niederzubeugen und Corona mit Seilen daran zu binden, je eine Hand und ein Fuß an jedem Baum. Die Seile an den Palmen wurden gekappt, sie schnellten in die Höhe und Corona wurde in der Luft zerrissen.
Wie hat sich die Verehrung der Heiligen entwickelt?
Über Zypern und Sizilien sollen die Gebeine der Heiligen nach Norditalien gelangt sein. Bereits für das 6. Jahrhundert ist eine Verehrung von Corona und Victor dort überliefert. Seit dem 9. Jahrhundert werden die Gebeine im Hauptreliquienschrein der „Basilika der heiligen Viktor und Corona“ bei Feltre in der norditalienischen Region Venetien aufgebahrt. Das Gotteshaus wurde von 1096 bis 1101 erbaut. Das war die Zeit des Ersten Kreuzzugs. Die Kirche war teil einer Verteidigungsanlage, die wuchtig auf den Ausläufer des Monte Miesna der Dolomiten errichtet wurde. Es hört sich fast schon nach bitterer Ironie an, dass die Region Venetien eine der ersten Landstriche war, die wegen des Coronavirus SARS-CoV-2 abgeriegelt werden mussten. Die Reliquien, beziehungsweise was davon übrig ist, wurden zweimal untersucht, zuletzt 1981. Festgestellt wurde, dass es sich um die Gebeine eines Mannes und einer Frau handelt. Auch wurden Pflanzenpollen gefunden. Ihr Alter wurde auf das zweite Jahrhundert geschätzt.
Wie kamen Gebeine der Heiligen in den Aachener Domschatz?
Bereits 997 soll Kaiser Otto III. unmittelbar nach seiner Krönung Überreste der heiligen Corona nach Aachen gebracht und sie dort beigesetzt haben. Ihre Grabplatten sind im Dom zu sehen. So wurde die heilige Corona Mitpatronin des bedeutenden Aachener Marienstiftes, das bis 1802 bestand. Im Zuge von Ausgrabungen im Jahr 1910 wurden die Reliquien zusammen mit Gebeinen des heiligen Leopardus aus einer Gruft geholt und später in einem Schrein bestattet. Dieses 1912 gefertigte Reliquiar hat die Form einer byzantinischen Kirche und ist reich verziert. Seit 25 Jahren lagerte der Schrein im Depot des Aachener Domschatzmuseums. Zurzeit wird er entstaubt und konserviert. Das Museum plant das 100 Kilogramm schwere Kunstwerk wieder zu präsentieren – sobald die Ausstellung wieder für die Öffentlichkeit geöffnet werden kann.
Wo wird die Heilige besonders verehrt?
Neben Norditalien ist ihre Verehrung vor allem in Bayern und Österreich ausgeprägt. Mehrere Wallfahrten werden zu ihren Ehren abgehalten. Ihre Verehrung haben seit dem 14. Jahrhundert die Benediktinermönche des Klosters Niederaltaich gefördert. Aber auch im Norden, im Bremer Dom, finden sich aus dem 10. Jahrhundert Spuren eines Kultes um die heilige Corona.1504 soll in Kirchberg am Wechsel (heute Erzdiözese Wien) eine Corona-Statue in einer Linde gefunden worden sein. Ihr zu Ehren wurde zunächst eine Holzkapelle, dann eine Steinkirche und schließlich von 1689 bis 1690 die heutige Wallfahrtskirche erbaut, wobei die Ursprungskapelle als Anbau eingebunden wurde. Aus St. Corona am Wechsel wird auch von Anrufung um Standhaftigkeit im Glauben, bei Bitten gegen Unwetter und Missernte überliefert – und zum Abwenden von Seuchen, sei es nun Mensch oder Vieh. Hier ist der Ursprung der Tradition, die Heilige gegen Seuchen anzurufen – und zur Hilfe in den Nöten des Alltags. Fast schon passend zur Corona-Pandemie.
Welche Attribute und Patronate sind mit der Heiligen verbunden?
Attribute, also Kennzeichen der Heiligen sind entsprechend dem Martyrium Krone und Palmwedel, aber auch Goldstücke oder ein Schatzkästlein. Denn Corona gilt auch als Patronin der Schatzgräber und Fürsprecherin in Geldangelegenheiten. Bis 1924 hieß die Währung Österreichs „Krone“ – angeblich nach Corona. Während der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn hatte die Krone die bisherige Standardwährung, den „Gulden“, abgelöst. In Ungarn wurde die neue Währung „Korona“ genannt.
Wann ist der Gedenktag der heiligen Corona?
Auch wenn das „Martyrologium Romanum“ keine Jahreszahl nennt, beim Tag ist es eindeutig: Das Martyrium geschah an einem 14. Mai. Anmerkung am Rande: Das Bistum Hildesheim hat bereits früh mit einer Anordnung alle größeren Veranstaltungen bis zum 15. Mai abgesagt, einen Tag nach dem Feiertag für die heilige Corona, die gegen Seuchen angerufen wird. Dem Vernehmen nach Zufall – oder doch Fügung?
Rüdiger Wala