Christlich-jüdischer Dialog, bundesweite Eröffnung der Jahresaktion in Hamburg

Wege aus Echokammer

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Zwei Personen, davon hält eine ein Mikrofon in der Hand
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Foto: Andreas Hüser

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Saba-Nur Cheema und Meron Mendel bei einem Vortrag in der Patriotischen Gesellschaft am Tag vor der Preisverleihung.

Einmal im Jahr verleihen die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit die „Buber-Rosenzweig-Medaille“. Seit 1968 werden damit Förderer der Versöhnung von Juden und Christen ausgezeichnet, darunter Prominente wie Friedrich Dürrenmatt, Schalom Ben-Chorin oder Angela Merkel.

Die beiden Preisträger, die am 9. März im Hamburger Rathaus geehrt wurden, fallen aus der Reihe. Die Politologin Saba-Nur Cheema ist Muslimin. Ihr Ehemann, der Historiker Meron Mendel ist Jude, aufgewachsen in einem Kibbuz in der Negev-Wüste. Beide leben heute in Frankfurt. „Sie stehen für feinsinnigen Dialog, für das aufrichtige Wort, um Herzensbildung zu ermöglichen. Sie stehen für Achtung, Anstand und Augenmaß.“ So formulierte es Kirsten Fehrs, Hamburger Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD, in ihrer Laudatio. Cheema und Medel setzen sich mit ihrer Bildungsarbeit gegen Rassismus und Antisemitismus ein, etwa in der Kolumne „Muslimisch-jüdisches Abendbrot" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Eine unüberwindliche Mauer: der Nahostkonflikt

„Gemeinsam streiten Saba-Nur Cheema und Meron Medel öffentlich für Demokratie und Menschenrechte“, so begründete der Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit die Auswahl. Cheema habe Methoden und Projekte für die historisch-politische Bildungsarbeit entwickelt, in denen es darum gehe, unterschiedliche Perspektiven auszuhalten und zugleich Rechtsextremismus und Rassismus zu begegnen. Sie berät zudem die Bundesregierung zum Thema Muslimfeindlichkeit. Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne-Frank, sei zu einem der wichtigsten Dialogpartner über die Situation von Israelis und Palästinensern im Nahostkonflikt geworden.

Margaretha Hackermeier (rechts) übergibt im Hamburger Rathaus die Buber-Rosenzweig-Medaille an Saba-Nur Cheema und Meron Mendel. Foto: Matthias Schatz

Die Medaillen wurden dem Ehepaar von Margaretha Hackermeier   und Friedhelm Pieper (Präsidium des Koordinierungsrates) verliehen. Dabei war Erzbischof Stefan Heße und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher. Er unterstrich, dass der Einsatz von Cheema und Mendel von „großer Bedeutung für die Demokratie in Zeiten der Polarisierung“ sei.

Die Preisträger stehen für den jüdisch-muslimischen Dialog. Was ist daran jüdisch-christlich? „Dass aus dem jüdisch-christlichen Bruch ein lebendiger Dialog wurde, kann für den jüdisch-muslimischen Dialog ein Vorbild sein“, sagte Meron Mendel in einem Vortrag am Vorabend. Vieles ist möglich – wäre da nicht der Nahostkonflikt, der seit über 70 Jahren die Feindschaft der Religionen befeuert. „Dieser Konflikt verfolgt uns, er ist wie ein Klebstoff für die beiden Systeme.“ Er verhindere, dass beide aus ihren „Echokammern“ hinauskommen.  „Fatal ist das Nichtwissen über den Nahostkonflikt“, sagte Saba-Nur Cheema. Vor allem die Sozialen Medien vervielfältigten die Feindbilder durch Desinformation, falsche Nachrichten, polarisierte Darstellungen und Pauschalurteile. Auf die Frage, ob muslimische Einwanderung Antisemitismus importiere, antwortete Saba-Nur Cheema. „Man muss eher von einem Reimport sprechen“, und auch hier sei ein „Generalverdacht“ gegen alle Muslime falsch. „Antisemitismus wird nicht mitgebracht, er wird hier gelernt.“ Während der Ehrungsfeier sagte die Preisträgerin, es sei völlig in Ordnung, wenn man verschiedener Meinung sei. Aber sie wünsche sich eine Streitkultur, mit einem Dialog ohne „Boykottmentalität“. Damit reagierte sie auch auf Kritik an der Auswahl. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte Mendel vorgeworfen, Positionen zu vertreten, die in der jüdischen Gemeinschaft nicht mehrheitsfähig seien.

"Wir müssen in Deutschland Brücken bauen", appellierte Mendel appellierte in seinen Dankesworten an die jüdischen und muslimischen Gesellschaften. Trotz des Leides in Israel und Gaza müsse es gelingen, „ein Stück weit die Wunden zu heilen und sich in die Augen zu schauen“.

atz/ahü