Anfrage zur Authentizität der Bibel
Welche Aussagen stammen von Jesus?
Trifft es zu, dass nicht alle Aussagen Jesu authentisch sind, sondern einige ihm später in den Mund gelegt wurden? Wenn ja, woran macht man fest, welche Aussagen originär von Jesus stammen? Rudolf Grittern, Willich
Selbst das älteste Evangelium (Markus) wurde erst gegen 65–70 n. Chr. verfasst. Bis dahin war alles, was Jesu Wirken betraf, mündliche Überlieferung. Evangelien wurden auswendig aufgesagt. Dabei sind sicher manche Jesusworte verloren gegangen, manche wurden vielleicht dem aktuellen Verständnis, manche auch theologischen Entwicklungen angepasst. Wichtig: Ein Evangelium ist kein historisch exakter Bericht, sondern eher Verkündigung in Form einer geschichtlichen Erzählung.
Seit die Bibel auch unter historischen Gesichtspunkten betrachtet wird, forschen Theologie und Bibelwissenschaft daher nach den vermutlich echten Aussprüchen Jesu. Die erste Idee war, nach den Worten und Taten zu suchen, die besonders originell waren und sich nicht aus dem antiken Judentum oder dem Urchristentum erklären ließen. Dazu gehörte alles, was nicht zum überhöhten Gottessohn und seiner Verehrung passte, die sich im Laufe der Jahrzehnte nach seinem Tod entwickelte.
Demzufolge sah man die Taufe durch Johannes, den Verrat durch die Jünger, Jesu Kreuzigung und seine Konflikte mit seiner Familie als echt an, wie zum Beispiel seine Worte: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lukas 14,26) Eine Geringschätzung der Familie, das ging weder jüdisch noch frühchristlich in Ordnung und musste demnach original Jesus sein.
Bis heute bleibt dieses Kriterium der Originalität wichtig. Vom Originellen ausgehend aber sucht man nun gerade nach der Verbindung zum frühen Judentum, sprich: Jesus kann nur das gesagt und getan haben, was ein jüdischer Prophet und Wundertäter im 1. Jahrhundert n. Chr. hätte sagen und tun können. Zudem müssen sich seine Worte sprachlich unaufwendig ins Aramäische, Jesu Muttersprache, zurückübersetzen lassen. Was nur zeigt, dass die Suche nach dem echten Jesus ein schwieriges Geschäft bleibt.
Christoph Buysch