Erfurter Tagung „Trauer und Gedenken nach Großkatastrophen"
Wenn Deutschland trauert ...
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Mit „Trauer und Gedenken nach Großkatastrophen“ beschäftigt sich ein Projekt der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt. Dazu fand jetzt eine Tagung mit Experten verschiedener Fachrichtungen und Praktikern statt.
Die ICE-Katastrophe von Eschede, der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, der Absturz eines Germanwings-Flugzeuges in den Alpen oder der Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz – wann immer „Deutschland trauert“ ist die Kirche gefragt. Die Gesellschaft erwartet von ihr als Spezialist für den Umgang mit Tod und Trauer ein Angebot. So gibt es neben den staatlichen Trauerfeiern nahezu immer einen Gottesdienst.
„Solche Feiern haben auch ihre Probleme“
Diese Angebote zum „Trauern und Gedenken nach Großkatastrophen“ erforscht der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann. Die Grundform dieser Feiern orientiere sich am christlichen Wortgottesdienst. Wichtige Zeichen seien Licht und Kerzen, weil sie eine Vielzahl von Interpretationen zuließen – vom Licht im Dunkeln bis zu Christus dem Licht. Im Mittelpunkt ständen die Betroffenen, aber die Gesellschaft nehme über die Medien daran teil.
„Solche Feiern haben auch ihre Probleme“, so der Theologe. Wo sind die Grenzen zwischen staatlicher und religiöser Feier? Wie werden andere Konfessionen und Religionen wie der Islam einbezogen? Was ist mit der wachsenden Zahl derer, die nicht an Gott glauben? Die Kirchen befänden sich mitten in einem Suchprozess, hieß eine Feststellung Kranemanns. Das Gespräch mit Wissenschaftlern und Praktikern bei einer Tagung in Erfurt sollte weitere Denkanstöße bieten.
Wie wichtig es ist, auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen, darauf wiesen Christiane Alt und Markus Hoffmann hin. Alt ist Direktorin des Gutenberg-Gymnasiums in Erfurt, an dem 2002 durch einen Amokläufer 16 Menschen getötet wurden. Die Betroffenen seien zwar in die Vorbereitung der offiziellen Trauerfeier einbezogen gewesen, doch: „Viele Angehörige hat der Staatsakt nicht erreicht.“ Das habe auch mit den Protokoll- und Sicherheitsfragen angesichts der Teilnahme hoher Politiker zu tun. Wichtig sei das Gedenk-Ritual, das sich an der Schule selbst entwickelt habe. In dessen Zentrum stehe eine Gedenktafel mit den Opfernamen, die an den Jahrestagen verlesen werden. Dazu läute eine Glocke. Dieses Gedenken finde abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt.
Hoffmann ist Pilot bei der Lufthansa und durch seine Vorbildung zu einem Betreuer für die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Absturzes geworden – er hat katholische Theologie studiert. Auch Hoffmann betonte, dass bei der Gestaltung der Trauer- und Gedenkfeiern der Wunsch der Betroffenen an erster Stelle stehen müsse. Da ein Großteil von ihnen einen christlichen Hintergrund habe, gab es den Wunsch nach einem Gottesdienst. Dieser wurde vom offiziellen Trauerakt getrennt und von der Öffentlichkeit abgeschirmt, was den Angehörigen einen Rückzugsraum eröffnet habe.
Diese Angebote zum „Trauern und Gedenken nach Großkatastrophen“ erforscht der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann. Die Grundform dieser Feiern orientiere sich am christlichen Wortgottesdienst. Wichtige Zeichen seien Licht und Kerzen, weil sie eine Vielzahl von Interpretationen zuließen – vom Licht im Dunkeln bis zu Christus dem Licht. Im Mittelpunkt ständen die Betroffenen, aber die Gesellschaft nehme über die Medien daran teil.
„Solche Feiern haben auch ihre Probleme“, so der Theologe. Wo sind die Grenzen zwischen staatlicher und religiöser Feier? Wie werden andere Konfessionen und Religionen wie der Islam einbezogen? Was ist mit der wachsenden Zahl derer, die nicht an Gott glauben? Die Kirchen befänden sich mitten in einem Suchprozess, hieß eine Feststellung Kranemanns. Das Gespräch mit Wissenschaftlern und Praktikern bei einer Tagung in Erfurt sollte weitere Denkanstöße bieten.
Wie wichtig es ist, auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen, darauf wiesen Christiane Alt und Markus Hoffmann hin. Alt ist Direktorin des Gutenberg-Gymnasiums in Erfurt, an dem 2002 durch einen Amokläufer 16 Menschen getötet wurden. Die Betroffenen seien zwar in die Vorbereitung der offiziellen Trauerfeier einbezogen gewesen, doch: „Viele Angehörige hat der Staatsakt nicht erreicht.“ Das habe auch mit den Protokoll- und Sicherheitsfragen angesichts der Teilnahme hoher Politiker zu tun. Wichtig sei das Gedenk-Ritual, das sich an der Schule selbst entwickelt habe. In dessen Zentrum stehe eine Gedenktafel mit den Opfernamen, die an den Jahrestagen verlesen werden. Dazu läute eine Glocke. Dieses Gedenken finde abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt.
Hoffmann ist Pilot bei der Lufthansa und durch seine Vorbildung zu einem Betreuer für die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Absturzes geworden – er hat katholische Theologie studiert. Auch Hoffmann betonte, dass bei der Gestaltung der Trauer- und Gedenkfeiern der Wunsch der Betroffenen an erster Stelle stehen müsse. Da ein Großteil von ihnen einen christlichen Hintergrund habe, gab es den Wunsch nach einem Gottesdienst. Dieser wurde vom offiziellen Trauerakt getrennt und von der Öffentlichkeit abgeschirmt, was den Angehörigen einen Rückzugsraum eröffnet habe.
Trennung von Staatsakt und Gottesdienst
Für eine klare Trennung von Staatsakt und gottesdienstlicher Feier hat sich Karsten Hettling ausgesprochen. Hettling ist Mitarbeiter des Protokolls beim Bundesinnenministerium und dann gefragt, wenn an den Feiern hohe Staatsvertreter teilnehmen. Die klare Trennung kommt zum Beispiel in einer zeitlichen Zäsur zwischen beiden Akten oder in verschiedenen Einladungen für Staatsakt und Gottesdienst zum Ausdruck. In einer Kirche lasse er mitunter trotz vorhandenen Ambos zusätzlich ein Rednerpult mit Bundesadler aufstellen. Gefragt sei allerdings auf allen Seiten Kompromissbereitschaft im Interesse der Angehörigen.
Intensiv diskutiert wurde die Beteiligung von Vertretern anderer Religionen. Darf eine muslimische Notfallseelsorgerin in einem christlichen Fürbittgebet mitbeten? Bei einem Trauergottesdienst in Köln war das auf Druck anderer Beteiligter geschehen. Oder ist es besser, wenn Muslime, Juden und Vertreter anderen Religionen in einem abgetrennten Teil der Feier zu Wort kommen, wie bei einem Gedenken in München. „Wo christlich draufsteht, muss auch christlich drin sein“, sagte der Münchner Liturgiewissenschaftler Winfried Haunerland. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass entweder der christliche Charakter „verdunkelt“ oder andere Religionen „vereinnahmt“ würden. Weiter ging sein Osnabrücker Kollege Stephan Winter. Es könne Situationen geben, in denen es möglich sein müsse, neue Formen des multireligiösen Miteinanders auszuprobieren.
Was das mit Blick auf die wachsende Zahl der Menschen heißt, die keinen Gottesglauben haben, wurde auf der Tagung nur angerissen. So wurde darauf verwiesen, dass bei der Trauerfeier nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin ein Vertreter des Humanistischen Verbands neben den Religionsvertretern stand.
Auch angesichts einer sich verändernden Gesellschaft sollten die Christen ihrerseits mit ihrer Hoffnung nicht hinter den Berg halten, betonte der evangelische Religionspädagoge Michael Meyer-Blanck. Kirchliche Trauerfeiern seien ein Ausdruck der Diakonie. Dabei dürften Christen andere nicht vereinnahmen, aber sie müssten auch nicht schweigen von ihrer Hoffnung.
Für eine klare Trennung von Staatsakt und gottesdienstlicher Feier hat sich Karsten Hettling ausgesprochen. Hettling ist Mitarbeiter des Protokolls beim Bundesinnenministerium und dann gefragt, wenn an den Feiern hohe Staatsvertreter teilnehmen. Die klare Trennung kommt zum Beispiel in einer zeitlichen Zäsur zwischen beiden Akten oder in verschiedenen Einladungen für Staatsakt und Gottesdienst zum Ausdruck. In einer Kirche lasse er mitunter trotz vorhandenen Ambos zusätzlich ein Rednerpult mit Bundesadler aufstellen. Gefragt sei allerdings auf allen Seiten Kompromissbereitschaft im Interesse der Angehörigen.
Intensiv diskutiert wurde die Beteiligung von Vertretern anderer Religionen. Darf eine muslimische Notfallseelsorgerin in einem christlichen Fürbittgebet mitbeten? Bei einem Trauergottesdienst in Köln war das auf Druck anderer Beteiligter geschehen. Oder ist es besser, wenn Muslime, Juden und Vertreter anderen Religionen in einem abgetrennten Teil der Feier zu Wort kommen, wie bei einem Gedenken in München. „Wo christlich draufsteht, muss auch christlich drin sein“, sagte der Münchner Liturgiewissenschaftler Winfried Haunerland. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass entweder der christliche Charakter „verdunkelt“ oder andere Religionen „vereinnahmt“ würden. Weiter ging sein Osnabrücker Kollege Stephan Winter. Es könne Situationen geben, in denen es möglich sein müsse, neue Formen des multireligiösen Miteinanders auszuprobieren.
Was das mit Blick auf die wachsende Zahl der Menschen heißt, die keinen Gottesglauben haben, wurde auf der Tagung nur angerissen. So wurde darauf verwiesen, dass bei der Trauerfeier nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin ein Vertreter des Humanistischen Verbands neben den Religionsvertretern stand.
Auch angesichts einer sich verändernden Gesellschaft sollten die Christen ihrerseits mit ihrer Hoffnung nicht hinter den Berg halten, betonte der evangelische Religionspädagoge Michael Meyer-Blanck. Kirchliche Trauerfeiern seien ein Ausdruck der Diakonie. Dabei dürften Christen andere nicht vereinnahmen, aber sie müssten auch nicht schweigen von ihrer Hoffnung.
Von Matthias Holluba