Corona: Priester und Ordensfrauen sorgen sich um ihre Familien in Indien

"Wenn wir Glück haben, sehen wir uns wieder"

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Die zweite Corona-Welle trifft Indien besonders hart. Wie geht es indischen Priestern und Ordensfrauen im Bistum Osnabrück, wenn sie die Bilder aus ihrer Heimat sehen? Sie sprechen über ihre Ängste und die Rolle der Kirche in der Pandemie.


Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Indien steigt täglich. Das Gesundheitssystem ist überfordert, viele Menschen sterben. Foto: imago/Hindustan Times

Der Tod ist überall. Die Menschen sterben in den Krankenhäusern, im Krankenwagen direkt davor, zu Hause, auf der Straße. Familien erleben, wie ihre Lieben am Coronavirus elendig und allein zugrunde gehen. Der medizinische Sauerstoff ist knapp, und den Krematorien geht an manchen Orten schon das Brennholz aus. 

Es sind verstörende Bilder, die um die Welt gehen – und die auch Pater Jose Mathew Kuzhichalil in Deutschland erreichen. Er ist Pastor in Nordhorn und zugleich Ansprechpartner für die indischen Priester im Bistum Osnabrück. Außerdem hält er Kontakt zu den indischen Ordensfrauen und bekommt mit, dass sie sich große Sorgen machen. „Die Stimmung ist sehr gedrückt. Einige haben Verwandte verloren“, berichtet Pater Jose im Telefongespräch. Mit seiner Familie in der Heimat telefoniert er täglich. Besonders für seinen 94-jährigen Vater wäre eine Infektion mit dem Coronavirus sehr gefährlich, sagt er.

41 indische Priester und 147 Ordensschwestern sind zurzeit im Bistum Osnabrück tätig. Die meisten von ihnen stammen aus Kerala im Südwesten Indiens. Dort sei die Situation zwar „nicht so gut“, aber dank funktionierender Gesundheitsversorgung nicht so dramatisch wie in anderen Bundesstaaten, berichtet Pater Jose. Es gebe noch genügend Sauerstoff und die notwendige medizinische Ausstattung. „Aber wenn wir auf ganz Indien schauen, ist es leider nicht so“, meint er und erzählt von der Situation im Nordwesten nahe Pakistan. „Dort habe ich früher gearbeitet, und dort sind viele Priester und Ordensleute an Covid-19 erkrankt. Acht Priester sind innerhalb einer Woche gestorben, davon kenne ich vier persönlich“, sagt Pater Jose.

Schwester Jincy von der Ordensgemeinschaft der heiligen Anna lebt mit zwei weiteren indischen Schwestern in der St.-Andreas-Gemeinde in Emsbüren. Alle drei arbeiten in der Altenpflege. Auch sie sind in Gedanken ständig bei ihren Angehörigen, Freunden und Mitschwestern in der Heimat. „Ich telefoniere jetzt mindestens zweimal täglich mit meiner Familie. Gerade habe ich mit meiner Schwester telefoniert. Sie sagte, wenn wir Glück haben, sehen wir uns wieder“, sagt Schwester Jincy. „Es ist nicht einfach, es ist schwer“, betont sie.

Die Mutationen verbreiten sich schnell, „das macht Angst“

Seit dem Ausbruch der zweiten Corona-Welle ist das tägliche Telefonat mit seiner Familie auch für Pater Shibu Thekkinedath, Pfarrer in Bohmte, obligatorisch. „Alle haben Angst“, sagt er. Erst vor kurzem habe ein Minister gesagt, Corona sei fast vorbei, und dann kam dieser Ausbruch mit neuen Mutationen. „Das verbreitet sich so schnell, das macht Angst.“ Er erzählt, dass seine Schwester und sein Neffe Covid-19 mit nur leichten Symptomen durchgemacht haben, seine Schwester habe allerdings später über starke Kopf- und Gliederschmerzen geklagt.

Dass die zweite Corona-Welle Indien so hart trifft, überrascht Pater Jose nicht. „Das war zu erwarten. Es sind so viele Menschen unterwegs, Indien ist das bevölkerungsreichste Land der Welt.“ Ähnlich sieht es die Ordensschwester aus Emsbüren. „Die indische Kultur ist ganz anders als die deutsche. Wir sind sehr familienorientiert, der Zusammenhalt ist viel größer, für die meisten ist es unvorstellbar, in der Familie Distanz zu wahren. Ich denke, dass ist einer der Gründe, warum sich das Virus so schnell ausbreitet“, sagt Schwester Jincy. 


Die Kontakte zwischen dem Bistum Osnabrück und der Kirche in Kerala sind eng.
Der frühere Generalvikar Theo Paul (links) und der heutige Generalvikar Ulrich
Beckwermert (5.v.l.) bei einem Besuch in Indien. Rechts: Pater Jose. Foto: privat

Alle Gesprächspartner sehen weitere Ursachen in der neuen Virus-Variante, den zurückliegenden Wahlen in einigen Bundesstaaten und dem größten religiösen Fest der Welt, dem Kumbh-Mela-Fest, zu dem alle zwölf Jahre Millionen Hindus zum Ganges pilgern. 

Die Kirche in Indien spielt nach Aussage der beiden Priester und der Ordensschwester eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie. „Viele Gemeinden haben soziale Projekte, sie kümmern sich um alte, schwache und kranke Menschen. Zum Beispiel helfen sie mit Lebensmitteln oder bezahlen Notleidenden und Armen die Krankenhausrechnungen“, sagt Pater Jose. 

Pater Shibu erzählt, dass manche Kirchen ihre Opferstöcke für die Armen geöffnet haben, und Schwester Jincy berichtet: „Unsere Schwestern haben Krankenhäuser und leisten dort freiwilligen Dienst, damit die Kranken, die die Behandlung nicht bezahlen können, versorgt werden und Medikamente bekommen.“ Für alle ist es schmerzlich, dass sie von Deutschland aus keine direkte Hilfe leisten können. „Wir können nur beten“, sagen sie. 

Flug für den Heimaturlaub schweren Herzens storniert

Selbst der Heimaturlaub muss in den meisten Fällen verschoben werden. „Viele, die in diesem Jahr Heimaturlaub gehabt hätten, dürfen jetzt nicht hin, höchstens in Notfällen“, sagt Pater Jose. Pater Joby Thomas, Pfarrer in Bissendorf und Schledehausen, hatte für April eine Urlaubsreise geplant. Seine Familie hatte sich schon auf ihn gefreut, denn eine Hochzeit und eine Erstkommunionfeier stehen an. Schweren Herzens hat er den Flug storniert. „Ich bin enttäuscht, aber es wäre viel zu gefährlich“, sagt er selbst. 

Und seine Familie habe das bestätigt. „Bleib besser zu Hause, komm später“, habe es geheißen. Auch seine Gemeindemitglieder finden es gut, dass er jetzt nicht fährt. „Als ich in den Gottesdiensten erzählt habe, dass ich doch nicht fliege, haben alle sofort geklatscht, weil sie erleichtert waren“, sagt er. 

Auch Pater Shibu bleibt in diesem Jahr in Deutschland. „Ich habe eine Verantwortung für meine Gemeinde hier und kann kein Risiko eingehen“, betont er. Schwester Jincy hofft, dass sie im Herbst wieder in ihre Heimat reisen darf, denn verschieben kann sie den Urlaub nicht. 

Elisabeth Tondera/pe