Anfrage zur Geschichte der Kirche
Wer ist der Gründer des Christentums?
Wer ist eigentlich der Begründer des Christentums, Jesus von Nazaret oder doch eher Paulus? Rudolf Grittern, Willich
Die Frage lässt sich kurz oder auch in endlosen Ausführungen beantworten, je nachdem, welche Begriffe man wie deutet. Zunächst kurz: Das Christentum gründet auf Jesus Christus in Person. Gleichzeitig wäre es aber zu eindimensional gedacht, wenn man dies wie bei einer Vereins-, Partei- oder Firmengründung zeitlich, personell und inhaltlich auf einen formellen Akt reduzieren würde und Jesus in diesem Sinn als Gründer sähe.
Mit der Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl und der Berufung des Petrus als Felsen, auf den Christus „die Kirche bauen“ will (Matthäusevangelium 16,18), sowie der Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag sind Grundlagen gelegt, die einem formalen Gründungsakt (der Kirche) am nächsten kommen. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, Kirche und Christentum – bei aller Überschneidung – ohne Unterschied identisch zu setzen.
Das gilt auch für Paulus, der noch weniger einen solchen formalen Akt gesetzt hat. Es ist natürlich unverkennbar, dass Paulus mit seinen Briefen, seinen Missionsreisen, Gemeindegründungen und seinem Wirken die Theologie und die Ausbreitung des frühen Christentums maßgeblich und bis heute geprägt hat.
Er hat dies aber in seinem Selbstverständnis immer als Apostel getan, was übersetzt „Gesandter“ oder „Botschafter“ bedeutet; er hat sich also seinen Auftrag nicht selbst gegeben. Daneben sind etwa auch die Evangelisten prägend für das Verständnis, das wir heute als Grundlagen des Christentums haben.
Nach der mündlichen Überlieferung und den schriftlichen Quellen der frühen Christen haben sich im Lauf der Kirchengeschichte auch immer wieder suchende Menschen mit diesen Fragen der Menschheit aus christlicher Perspektive beschäftigt und das, was sie vorgefunden haben, mit eigenen Gedanken erweitert. Das Christentum ist in diesem Sinn lebendige Überzeugung, Bewegung und Orientierung, wenn es immer wieder fragt, ob und wie es seinem Namen mit Blick auf das Leben, Wirken und den Auftrag von Jesus Christus vor allem inhaltlich gerecht wird.
Michael Kinnen