Frauen in der Kirche Teil 6
"Wir dürfen nicht aufgeben"
Vieles, was sich Malina S. vom Leben erträumt, beruflich und privat, wird sich nicht erfüllen. Die 21 Jahre alte Katholikin ist homosexuell. Sie sagt trotzdem: „Ich bleibe, denn ich kann meine Kirche so nicht zurücklassen.“
In Weiß heiraten, in einer Kirche gesegnet werden: Das ist einer ihrer Träume. Aber Malina S. ist realistisch. Erst vor kurzem hat der Vatikan deutlich gemacht, was er davon hält. Das Papier, das die Segnung Homosexueller offiziell verbietet, trifft die Studentin. Sie denkt: „Jetzt bin ich müde. Jetzt ist die letzte Kraft, die letzte Energie aufgebraucht.“ Ein Dämpfer, der all ihre persönlichen und positiven Erfahrungen in der Kirchengemeinde infrage stellt. Wieder einmal. Malina S. kann nicht verstehen, warum sie von ihrer Kirche so diskriminiert und ausgegrenzt wird. Warum die Kirche Autos segnet, aber nicht alle Menschen, die sich lieben: „Das ist für mich nicht mehr menschlich“, sagt sie.
Gern wäre sie Religionslehrerin geworden. Aber auch diesen Wunsch muss sie sich aus dem Kopf schlagen. Weil sie zu einer Partnerschaft zu einer anderen Frau nicht stehen dürfte. Bei einem Gemeindepraktikum merkt sie: Das ist „genau mein Ding“: Kindern den Glauben zu vermitteln. Sie vertraut sich der Pastoralreferentin an, die ihr klipp und klar sagt: „Malina, ich kann mir keine andere Person vorstellen, die geeigneter wäre als Religionslehrerin. Aber du wirst deine Beziehungen nicht öffentlich machen können.“
Zunächst reagiert die 21-Jährige entspannt, denkt, sie wolle das ja nicht an die große Glocke hängen. Doch als sie kurze Zeit später ein Video sieht, in dem eine Religionslehrerin davon erzählt, dass sie ihren Job wegen ihrer Diskriminierung gekündigt habe, wird ihr bewusst: „So könnte es auch mir gehen.“ Malina S. studiert jetzt Germanistik und Erziehungswissenschaften auf Lehramt und hofft, Religion irgendwann als Drittfach mit aufnehmen zu können.
"Es braucht Menschen, die die Kirche umkrempeln"
Obwohl die Institution Malina S. immer wieder vor den Kopf stößt, denkt die Studentin nicht daran, die katholische Kirche zu verlassen. Sie sagt: „Ich bleibe, weil ich die Kirche so nicht zurücklassen kann.“ Sie könne die Gläubigen, die noch Energie haben und denen es genauso geht wie ihr, nicht alleinelassen: „Es braucht die Menschen, die sich dafür einsetzen, und es braucht Menschen, die die Kirche umkrempeln!“ Und sie sieht auch das Positive:
In ihrer Heimatgemeinde in Anholt, im Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen, engagiert sie sich in der Jugendarbeit, begleitet Firmlinge auf ihrem Weg – und steht immer wieder einmal vor der Gemeinde, um eine Poetry-Slam-Predigt zu halten. Sie sagt: „Wenn die mich fragen, bin ich immer am Start.“ Und dann sind da natürlich noch die vielen Menschen, die Malina S. in der Kirche halten. Menschlichkeit erlebt sie gerade jetzt in einer ganz besonderen Gemeinde in ihrer Studienstadt Münster: der Queergemeinde.
Der Begriff „queer“ ist eine Selbstbezeichnung für alle nicht heterosexuellen Menschen. Einmal im Monat findet ein Gottesdienst statt, der für alle offen ist und in dem queere Themen besprochen werden. Das können aktuelle Nachrichten zu Übergriffen auf Homosexuelle sein, aber auch die Anliegen Transsexueller sowie feministische Themen. Die Gläubigen wollen zeigen: Queerness ist vielfältig. Besonders wichtig ist der Gemeinde deshalb, dass geschlechtergerecht gesprochen wird. Auch von Gott selbst, den sie weder in männlicher noch weiblicher Form benennen.
In der Kirche hängen dann überall bunte Regenbogenfahnen. Malina S. fühlt sich dort „befreiter“. Ungefähr 15 Personen zählen zum Team, das diese Gottesdienste vorbereitet. In diesem Umfeld hat sie sich Anfang des Jahres in der Kirche geoutet und offen von ihrer Geschichte erzählt. Sie weiß, dass sie das in diesem geschützten Raum tun kann, aber sie bemerkt auch immer wieder, dass manche Menschen nicht damit klarkommen: „Ich habe schon öfter einen Mann beobachtet, der dann einfach aufgestanden und gegangen ist. So etwas ist für mich herausfordernd.“
Die kleinen Schritte nicht unterschätzen
Besonders dankbar ist sie für den Rückhalt, den es wegen des Segnungsverbots von allen Seiten gab: „Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass sich so viele heterosexuelle Menschen jetzt auch total krass dagegen wehren“, sagt Malina S. Sie selbst hat in den Tagen danach viele persönliche Nachrichten bekommen: „Darüber habe ich wieder Energie getankt und sage mir jetzt: Komm, wir müssen es weiter versuchen und wir dürfen nicht aufgeben.“
Malina S. ist überzeugt davon, dass kleine Schritte viel wert sind. Und dass man vonseiten des Vatikans nicht sofort riesige Veränderungen erwarten dürfe. Als ihr Opa sie bei einem Telefonat kürzlich fragte: „Bis wann, meinst du, können Frauen Priesterinnen werden?“, musste Malina S. lachen und antwortete: „In 300 Jahren vielleicht.“ Sie schickt aber sofort hinterher: „Und wenn es irgendwann passiert: Hauptsache, es passiert!“
Theresa Brandl
Dieses Porträt ist Teil der Reihe "Frauen in Kirche". Insgesamt erzählen sieben Frauen, warum sie in der Kirche bleiben.
Als letzter Teil folgt:
- eine engagierte Frau der Reformbewegung Maria 2.0