„Wir müssen hier etwas tun“
Knapp fünf Jahre lang war Pfarrer Norbert Bezikofer Flüchtlingsseelsorger für das Erzbistum. Etliche Schutzsuchende hat er getroffen. Vielen konnte er helfen. Und er selbst hat viele Helfer gefunden, mit denen niemand gerechnet hat.
Noch einmal eine neue Aufgabe. Norbert Bezikofer war die meiste Zeit Gemeindepfarrer gewesen, 16 Jahre lang in Ahrensburg und 13 Jahre in St. Heinrich in Kiel. „Ich hatte immer schon die Arbeit mit Randgruppen im Auge“, sagt er. St. Heinrich ist Anlaufstelle für Obdachlose, und auch in Bezikofers Zeit in Ahrensburg gab es zeitweise ein Haus für Wohnungslose. In der neuen Aufgabe sollte Norbert Bezikofer mit Flüchtlingen zu tun haben. Noch redete niemand von einer „Flüchtligswelle“. „Aber es gab ja vor 2015 schon alles, was wir heute sehen. Anstieg von Asylbewerbern, Schiffen auf dem Mittelmeer, Kirchenasyl und Hilfe für Flüchtlinge in Gemeinden.“
Deshalb sollte es einen „Referenten für Flüchtlingsarbeit“ im Bistum geben, angesiedelt bei der Caritas. Den Titel „Flüchtlingsseelsorger“ hat Norbert Bezikofer sich selbst gegeben. „Ich habe das einfach auf mein Türschild geschrieben.“
Während der Geistliche sich einarbeitete und immer mehr Kontakte knüpfte, kam der Herbst 2015. Plötzlich strandeten Tausende Flüchtlinge in Deutschland. Etwa hundert von ihnen lagerten wenige Meter entfernt am Hamburger Hauptbahnhof. „Ich habe da mal für zwei Stunden mitgeholfen, danach war mir klar. Wir müssen hier etwas tun!“, sagt der Flüchtlingspastor.
Es ging schnell, und wenige Tage später war der größte Saal am Mariendom mit Notbetten bestückt, ein Nachtlager für Durchreisende. Ebenso schnell fanden sich mehr als 200 ehrenamtliche Helfer. „Wir haben da gesehen, was möglich war. Ich hatte noch nie ein so buntes Team, einige arbeiteten bei der Kirche, andere hatten noch nie Kontakte zu uns, sie haben sich einfach nur in der Mönckebergstraße gefunden.“
Es gab sogar ein Medienereignis. Jemand hatte bemerkt, dass im Saal das Wandkreuz fehlte. Gleich hieß es: „Wegen der Flüchtlinge haben die das Kreuz abgehängt. Sogar ein polnisches Fernsehteam war da.“ Das Kreuz war allerdings nicht verschwunden, sondern schon Wochen vorher entfernt worden, weil es durch ein größeres ersetzt werden sollte.
Wenige Taufen, aber neue „Gemeinden“
Nur wenige Flüchtlinge waren und sind katholische Christen. Aber es gibt sie. Es haben sich unter ihnen kleine Gemeinden gebildet: die der arabisch sprechenden Katholiken und die der katholischen Eritreer, die der mit Rom unierten Kirche angehören. Vielleicht wird es bald auch eine Niederlassung von eritreischen Ordensschwestern in Hamburg geben. Dafür setzt sich der Flüchtlingsseelsorger seit langer Zeit ein.
Haben sich Nichtchristen aus den arabischen und afrikanischen Ländern taufen lassen? „Ja, aber es war nur eine Handvoll“, sagt Norbert Bezikofer. „Wir sind da sehr zurückhaltend. Dahinter muss eine wirkliche Überzeugung stehen.“ Die Aussicht, als getaufter Christ besser durch ein Asylverfahren zu kommen, sei ohnehin gering. „In Europa sind die Bedingungen sehr viel härter geworden. Das gilt auch für Christen. Die Taufe ist kein Freifahrtschein für Asylverfahren.“
Über Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik wird viel debattiert. Der Seelsorger für Flüchtlinge hat sich vorgenommen, in jedem Flüchtling ein Gesicht zu sehen – und ein Schicksal. Die letzte Zeit war Norbert Bezikofer mit „Härtefallbearbeitung“ beschäftigt. Das heißt, er hat Flüchtlinge, die vor der Ablehnung standen, zu einem Verfahren in Deutschland verholfen. Wenn es ging. „Ganz oft kannst du nicht helfen, aber du kannst Mut machen und eine Zukunftsperspektive zeigen.“ Immerhin. Etwa 50 Asylsuchende, die er beraten hat, haben eine Aufenthaltserlaubnis bekommen.
Diese Aufgabe wird künftig ein anderer übernehmen. Norbert Bezikofer geht mit 72 Jahren – endgültig – in den Ruhestand. Geht das überhaupt? „Ja. Erst einmal werde ich ein bisschen Relaxen, vielleicht ins Kloster gehen, reisen, lesen. Im Frühjahr sehen wir dann weiter.“
Text: Andreas Hüser